Ein Gespräch mit dem neuen Kammerpräsidenten Laurent Mosar
Interview von Laurent Zeimet
Laurent Mosar wurde Ende Juli zum neuen Vorsitzenden der Kammer gewählt. Für erste Aufregung im Hohen Haus sorgten der Alleingang der Grünen, die Sitzungsprotokolle der Ausschüsse ins Internet zu stellen sowie Brimborium-Vorwürfe einiger Fraktionschefs. Mosar bleibt gelassen.
Luxemburger Wort: Herr Präsident, die grüne Fraktion hat vergangene Woche für Aufregung gesorgt, als sie die Sitzungsprotokolle der Ausschüsse ins Internet stellte. Sie wollten diesen Vorstoß nicht kommentieren. Wie wollen Sie mit diesem Vorfall umgehen?
Laurent Mosar: Als Kammerpräsident will ich mich zurückhalten. Die Vorsitzendenkonferenz wird den Vorfall diese Woche diskutieren. Ich will deren Schlussfolgerungen nicht vorgreifen. Es gab bis jetzt keine Anfrage der anderen Fraktionen, dass die Internetseite der Grünen geschlossen werden muss. Ich weiß auch nicht, ob wir das überhaupt verlangen könnten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Verfahrensordnung des Parlaments eingehalten wird. Ich gebe aber gerne zu, dass die Bestimmungen der Verfahrensordnung zu diesem Punkt nicht ganz eindeutig sind. Die Vorsitzendenkonferenz muss sich mit dieser Frage eingehend beschäftigen.
Luxemburger Wort: Sie haben sich allerdings bereits gegen öffentliche Ausschusssitzungen ausgesprochen.
Laurent Mosar: Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass öffentliche Sitzungen der Parlamentsausschüsse mehr Transparenz schaffen würden. Auf der anderen Seite besteht das Risiko, dass die Ausschussmitglieder weniger Informationen erhalten, was sich schlussendlich negativ auf die Qualität der Arbeit auswirken kann. Meine Meinung allein zählt aber nicht. Ich bin lediglich ein Primus inter pares. Wir sollten uns bemühen, einen Konsens zu finden. Das ist meine Aufgabe als Präsident.
Luxemburger Wort: Sie wollen als Kammerpräsident ein offenes Ohr haben. Was verstehen Sie darunter?
Laurent Mosar: Ich verstehe mein Amt als Erster Bürger des Landes so, dass ich dafür Sorge tragen muss, dass im Parlament die Anliegen der Bürger zur Sprache kommen. Es ist für die Politik im Allgemeinen nicht gut, wenn sie sich zu sehr von den Sorgen der Bürger entfernt. Als Präsident repräsentiere ich die Kammer und wir organisieren die parlamentarische Arbeit. Aber ich will diese Aufgaben nicht von oben herab wahrnehmen. Das meine ich, mit ein offenes Ohr haben. Ein offenes Ohr für die Bürger aber auch für alle Mitglieder des Hauses. Die Tür zu meinem Büro steht für jeden Abgeordneten offen, der etwas mit mir besprechen will.
Luxemburger Wort: Ihr Vorgänger, Lucien Weiler, wollte nicht nur die Glocke im Plenum betätigen und versuchte während seiner Amtszeit auf einige Sachprobleme aufmerksam zu machen, denen sich die Politik widmen sollte. Wollen Sie auch Themen setzen?
Laurent Mosar: Es steht mir nicht zu, die Amtsführung eines Vorgängers zu kommentieren. Jeder hat seinen eigenen Stil. Ich werde mich politisch neutral verhalten. Jeder Abgeordnete, jede Fraktion wird gleich behandelt. Ich bin der Auffassung, dass der Kammervorsitz sich nicht in innenpolitische Debatten einmischen soll. Ich werde mir also eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. Was nicht heißen soll, dass ich keine Meinung habe. Darum habe ich mich im Gemeinderat der Hauptstadt ja auch von der ersten in die zweite Reihe zurückgezogen. Der Kammerpräsident kann nach meinem Verständnis nicht gleichzeitig in einem Schöffenrat mitwirken oder Oppositionsführer sein. So verstehe ich meine Neutralität.
Luxemburger Wort: Aber wäre es dann nicht noch konsequenter gewesen, sich ganz aus der Kommunalpolitik zurückzuziehen?
Laurent Mosar: Natürlich habe ich mir diese Frage gestellt. Aber ich kam zu dem Schluss, dass ich das Mandat, das mir die Wähler der Hauptstadt anvertrauten, respektieren muss. Das heißt, dass ich es bis zum Ende der Mandatsperiode 2011 wahrnehmen will. Aber eben in der zweiten Reihe. Wissen Sie, es gab Kammerpräsidenten, die gleichzeitig ein Schöffenmandat inne hatten. Das störte damals niemanden. Ich glaube aber nicht, dass dies heute aufgrund des Zeitaufwands noch möglich wäre.
Luxemburger Wort: Werden Sie denn 2011 zur Kommunalwahl noch einmal antreten?
Laurent Mosar: Das wird sich zum gegebenen Zeitpunkt entscheiden. Sollte ich Kandidat sein, dann sicherlich nicht in der ersten Reihe.
Luxemburger Wort: Die Fraktionschefs von CSV und LSAP haben sich in den letzten Wochen über Brimborium und Event-Management an der Kammerspitze beschwert. Haben Sie die Kritik auf sich bezogen?
Laurent Mosar: Nein, eigentlich nicht. Ich wüsste nicht warum. Wer etwas tut, kann etwas falsch machen. Wer nichts tut, macht sicher etwas falsch. Ich bin hundertprozentig mit Lucien Lux einverstanden, dass Brimborium in der Abgeordnetenkammer keinen Platz haben kann. Und es ist sicher nicht die Aufgabe der ersten Institution des Landes, irgendwelche Events zu organisieren. Wir wollen uns ganz im Gegenteil gemeinsam mit unseren Mitarbeitern so aufstellen, damit das Parlament einen stärkeren Einfluss auf die europapolitischen Dossiers ausüben kann. Wir müssen zudem unsere Kommunikation verbessern, das hat nicht zuletzt der Vorstoß der Grünen gezeigt. Unser Auftritt im Internet muss weiter ausgebaut und interaktiver gestaltet werden. Das Parlament leistet eine seriöse Arbeit und es muss dafür sorgen, diese seriöse Arbeit zeitgemäß zu vermitteln. Das ist die Herausforderung. Brimborium ist das sicher nicht. Und schon gar kein Event-Management.
Luxemburger Wort: Sie wollten einen Tag der offenen Tür im Parlament organisieren. Ist diese Idee vorangeschritten?
Laurent Mosar: Ja. Der Tag der offenen Tür wird am 21. November stattfinden. Der Staatsrat, der Rechnungshof und das Büro des Ombudsman werden sich daran beteiligen. Es ist ein Versuch, den Menschen die Institutionen des Landes näherzubringen.
Luxemburger Wort: In diesem Jahr wird der Großherzog nicht mehr die feierliche Eröffnung der Legislaturperiode vornehmen, wie dies noch 2004 der Fall war. Kam es zu einer Abkühlung der Beziehungen zwischen Parlament und Staatschef?
Laurent Mosar: Davon kann keine Rede sein. Die Entscheidung, dieses Jahr auf eine feierliche Eröffnung durch den Staatschef zu verzichten, wurde gemeinsam mit dem großherzoglichen Hof getroffen. Die Institutionen arbeiten gut zusammen.
Luxemburger Wort: Der Premierminister regte im vergangenen April an, in Zukunft vor Landeswahlen auf eine Debatte über die Lage der Nation zu verzichten. Ihr Vorgänger gab ihm Recht. Wie sehen Sie das?
Laurent Mosar: Ich kann diesen Vorschlag nur unterschreiben. Letztlich muss das aber vom Kammerbüro geklärt werden. Ich würde mir dagegen mehr Aktualitätsdebatten und mehr Aussprachen über Europapolitik wünschen. Das wäre sinnvoll. Die Kammer muss sich konsequenter in europapolitische Debatten einschalten.
Luxemburger Wort: Die Verfassungskommission hat eine Generalüberholung des Grundgesetzes vorgeschlagen. Wie schnell werden diese Arbeiten vorangetrieben und sollen am Ende die Bürger entscheiden?
Laurent Mosar: Die Kommission unter dem Vorsitz von Paul-Henri Meyers hat eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. Ich habe vollstes Vertrauen, dass diese Arbeit zielstrebig vorangetrieben wird. Ob es am Ende zu einer Volksbefragung kommt, bleibt noch zu klären.
Luxemburger Wort: Die Abgeordneten sind des Öfteren mit den Antworten der Minister auf ihre Anfragen unzufrieden. Camille Gira beschwerte sich vor kurzem über den Ton des Innenministers. Dieser hatte dem Abgeordneten „Panikmache“ in Zusammenhang mit Algen im Stausee vorgeworfen. Werden Sie die Regierung zur Ordnung rufen?
Laurent Mosar: Die Regierung beschwert sich ja auch ab und zu über die Anzahl der Anfragen. Ich glaube nicht, dass es ein Allheilmittel gibt. Es gilt einen goldenen Mittelweg zu finden, aber das ist nicht so einfach. Es gehört zu den Grundrechten des Abgeordneten, Fragen an die Regierung zu stellen und er hat immer Anrecht auf eine angemessene Antwort. Die Antwort auf die Gira-Frage steht auf der Tagesordnung der nächsten Vorsitzendenkonferenz.
Quelle: Luxemburger Wort, 13. Oktober 2009