Das Regierungsabkommen. Finanzen: Vorsichtig und wettbewerbsfähig
Laurent Zeimet, Luxemburger Wort
In einem Land vor nicht allzu langer Zeit diskutierte die Politik mehr oder weniger leidenschaftlich darüber, wie die Mehreinnahmen des Staates ausgegeben werden sollen. Heute zerbricht man sich eher den Kopf, wie das budgetäre Gleichgewicht gewahrt werden kann, ohne dass es zu schmerzhaften Einschnitten kommen muss.
Luc Frieden ist nun ganz offiziell Hausherr im Finanzministerium. Die Aufgabe dürfte in den nächsten Jahren keine einfache sein. Die CSV/LSAP-Koalition bekennt sich trotz aller widrigen Umstände weiterhin zu „gesunden öffentlichen Finanzen“. Langfristig will man immerhin wieder budgetäre Überschüsse erwirtschaften und eine niedrige Staatsschuld vorweisen können. Dies bleiben für die altneue Regierung die Voraussetzungen für den Wohlstand des Großherzogtums.
Das Staatsbudget soll daher in den nächsten fünf Jahren nach den Zielen des Euro-Stabilitätspakts ausgerichtet werden: kein Defizit über drei Prozent, eine Verschuldung unter 60 Prozent des BIP. Letzteres dürfte zu meistern sein, ersteres könnte zumindest in den nächsten Jahren schwierig werden. Laut Berechnungen der staatlichen Stellen dürfte die Defizit-Grenze ab 2010 überschritten werden. Die Verschuldung der öffentlichen Hand könnte bis 2014 auf über 39 Prozent des BIP ansteigen. Die Wirtschaftskrise setzt den öffentlichen Finanzen gleich doppelt zu. Es fließen konjunkturell bedingt weniger Steuereinnahmen und gleichzeitig steigen die Sozial- und Investitionsausgaben. Die „antizyklische Politik“ wollen Christlich-Soziale und Sozialisten fortsetzen.
Die Sozialausgaben werden nicht gekürzt, die staatlichen Investitionen sollen auf hohem Niveau die Konjunktur weiter stützen. Aber sobald der Aufschwung da ist, soll der Gürtel enger geschnallt werden. Die Sozialleistungen will man „selektiver gestalten“, wobei im Koalitionsabkommen nicht weiter erläutert wird, was sich CSV und LSAP darunter vorstellen. Subsidien und Steuerabschläge sollen ihrerseits auf den Prüfstand. Auch hier bleibt es bei einer allgemeinen Willensbekundung. Die Kosten des Staatsbetriebs sollen in Grenzen gehalten werden, ohne dass die Dienstleistungen darunter leiden sollen. Wiederum eine Ziel- aber keine Wegbeschreibung.
Solange die Krise sich auf die öffentlichen Finanzen auswirkt, sollen neben dem laufenden Konjunkturprogramm keine neuen Entscheidungen fallen, die viel Geld kosten.
Eine Nachricht kann positiv oder negativ mitgeteilt werden. „Die Steuern werden während der Krise nicht erhöht“, klingt doch angenehmer als „die Steuern werden während der Krise nicht gesenkt“. Die Botschaft ist die gleiche. In der ersten Hälfte der neuen Legislaturperiode soll es zu keinen Erleichterungen oder Inflationsbereinigungen bei der Einkommenssteuer kommen. Danach soll sich die Steuerlast „der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Landes“ anpassen. Eine sehr pragmatische Formulierung.
Den Unternehmen wird zumindest versichert, dass die Regierung darüber wachen wird, eine wettbewerbsfähige Steuerlandschaft zu erhalten. Steuerlich bevorzugt werden Investitionen und Niederlassungen in Luxemburg.
Moderner und effizienter will die CSV/LSAP-Koalition den Haushalt gestalten. In den vergangenen Jahren wurde verschiedentlich eine Aufstellung des Budgets nach dem Vorbild der französischen Lolf-Gesetzgebung in Erwägung gezogen. Dort werden die Finanzmittel nach bestimmten Zielvorgaben zugeteilt. Vor allem die Sozialisten hatten sich für die Einführung dieser Methode ausgesprochen und einen entsprechenden Gesetzvorschlag im Parlament eingereicht. Im Abkommen heißt es nur, dass Mittel zur Verbesserung des Haushaltsverfahrens geprüft werden.
Der Finanzplatz
„Aktiv“ verspricht die Koalition, die Entwicklung des Finanzplatzes als einer der „Hauptpfeiler der Wirtschaft“ zu unterstützen.
Weiteres Entwicklungspotenzial erkennt die Koalition bei der Mikrofinanz, ethischen und ökologischen Investments, der islamischen Finanzwirtschaft und bei der Philanthropie.
Nach der Finanzkrise soll sich die Branche also eher dem Guten im Menschen widmen, wenn es nach dem Willen der Koalition geht. Immerhin erscheint manchen Experten die islamische Finanzwirtschaft als ethisches Vorbild angesichts der Machenschaften einiger westlicher Finanzjongleure. In diversen Bankhäusern dürfte man sich also demnächst intensiver mit der islamischen Scharia auseinandersetzen. Denn Islamic-Finance-Produkte müssen den Geboten des Koran gehorchen, wie sie die Scharia festlegt. Eine Vorreiterrolle hatte die Börse bereits 2002 übernommen, als erste Börse in Europa notierte diese islamische Sukuks – Anleihen, die das islamische Zinsverbot umgehen.
Die „internationale Ausrichtung“ soll weiter ausgebaut werden. Die Welt des Luxemburger Finanzplatzes soll größer werden. Vor allem in Amerika, Asien und in den Golfstaaten soll der Standort bekannter werden. Wichtig erscheint der Koalition auch, ein realitätsnahes Bild des Finanzplatzes zu vermarkten. Den Imageschaden der vergangenen Monate will man „in den Nachbarstaaten“ und in „anderen Staaten der Welt“ beheben. Neben Frankreich, Deutschland und Belgien beschränkt sich diese Auswahl auf 191 Staaten.
Auf europäischer Ebene will die Regierung dafür eintreten, „alle Hürden abzubauen, die den Binnenmarkt an Finanzdienstleistungen noch behindern“. Alle entsprechenden europäischen Regelungen sollen zügig in die nationale Gesetzgebung übernommen werden. Etwas weiter heißt es aber auch, dass alle neuen Finanzprodukte so gestaltet sein müssen, dass die Investoren geschützt sind. Der Überwachung des Finanzplatzes werde eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Zudem will man sich an allen europäischen und internationalen Bestrebungen zur Verbesserung der Kontrolle der Finanzmärkte beteiligen. Zur Risikovorbeugung wird eine Zusammenarbeit und ein Informationsaustausch zwischen Aufsichtsbehörden „ermutigt“. Das Netz an Abkommen gegen eine doppelte Besteuerung wird weiter gesponnen.
Quelle: Luxemburger Wort, 1. September 2009, Laurent Zeimet