Die Energieversorgung muss diversifiziert werden

Eng fräi Tribün vum Marcel Oberweis

Die langfristige und sichere Energieversorgung rückt immer stärker in den Mittelpunkt der politischen Diskussion. Der Energieverbrauch steigt unablässig an, trotz der sich dem Ende zu neigenden Reserven an fossilen Energieträgern. Laut dem Grünbuch der Europäischen Kommission wird sich die weltweite Energienachfrage bis 2030 um rund 60 Prozent erhöhen. Wenn der aktuelle Trend weiter anhält, dann werden die Anteile für Erdgas auf 80 Prozent und derjenige für Erdöl auf mehr als 90 Prozent bis 2030 hochschnellen. 

Die Europäische Union, die derzeit 60 Prozent ihres Erdgasverbrauchs und nahezu 75 Prozent ihres Erdölverbrauchs importieren muss, wird ihre Politik der Energieversorgung grundlegend überdenken müssen. Dazu gehören ohne Zweifel die rationelle Energieverwendung und die Nutzung der erneuerbaren Energien; die aufkommende Knappheit der fossilen Energieträger drängt die Industrieländer zu diesen nachhaltigen Aktivitäten.
 
Wohlwissend, dass die Anrainerstaaten des Persischen Golfes, der Kaspischen Region und Russland über die größten Reserven an fossilen Energieträger verfügen, sind die Augen sowohl der Industrieländer als auch der Schwellenländer auf diese geopolitisch brisante Weltregion gerichtet. Ein Blick auf die Karte der Erdgaspipelines aus dem innerasiatischen Raum nach Europa zeigt die Abhängigkeit. Weitere Erdgasröhren sind in der Planung u.a. die 1187 km lange „Nord Stream“ durch das Baltische Meer zwischen Russland und Deutschland, die 3300 km lange Erdgaspipeline „Nabucco“ zwischen der Osttürkei und Südosteuropa sowie die 1500 km lange Erdgaspipeline „South Stream“ durch das Schwarze Meer. 

Auch wenn die Europäische Union noch viele Jahre auf die Versorgung mit Erdgas und Erdöl angewiesen ist, so hat sie sich für den nachhaltigen Weg entschieden. Das Jahr 2008 brachte die Wende mit der Ankündigung, den CO2-Ausstoß um mindestens 20 Prozent bis 2020 zu reduzieren, die Energieverwendung um 20 Prozent zu erhöhen und den Anteil der erneuerbaren Energien auf 20 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs anzuheben.

Einstieg in das „Erneuerbare Zeitalter“ 

“Weg von den Fossilen, hin zu den Erneuerbaren“, so lautet die EU-Lösung. Luxemburg hat sich diesem Trend angeschlossen und wird den Anteil der erneuerbaren Energiequellen u.a Windkraft, Biomasse und Solarenergie, von heute 2 Prozent auf 11 Prozent bis 2020 erhöhen. Die Nutzung der Biomasse und der Kraft-Wärme-Kopplung sowie die energetische Sanierung der Bausubstanz durch die neue Wärmeschutzverordnung stellen weitere wichtige Elemente dieses Umdenkprozesses dar. Im Baugewerbe werden mittelfristig nur noch Passiv- resp. Niedrigenergiebauweise sowohl im Privatbereich als auch für die öffentlichen Gebäude gelten. 

Auch im Bereich der Mobilität werden neue Wege eingeschlagen, die Automobilbranche bringt sich hier durch den Bau von Motoren mit weniger Emissionen sowie der Entwicklung von Hybrid- und Elektromobilen erfolgreich ein. Diese Entwicklungen werden die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Bezugsjahr 2006 um 20 Prozent bis 2020 vermindern. 

Luxemburg muss alle Möglichkeiten der nachhaltigen Energieversorgung ausnutzen und erst dann die noch fehlenden Emissionsmengen resp. Anteile an erneuerbaren Energien auf der EU-Ebene und dem Weltmarkt, dies jedoch gemäß den nachhaltigen Kriterien, einkaufen. Das Koalitionsabkommen der neuen Regierung hat hier Klartext geschrieben. 

Eine durchaus ökologisch und technisch sinnvolle sowie langfristig wirtschaftliche Variante stellt die Gewinnung von elektrischer Energie aus den Gebieten rund um das Mittelmeer, in den Maghreb-Staaten sowie der Sahelzone dar. Hier liegen riesige Potenziale an Wind- und Solarenergie vor. Die Errichtung von Windpark- und Photovoltaikanlagen sowie Parabolrinnen-Kraftwerken stellt kein technisches Problem dar, es bedarf nur des politischen Willens zur Zusammenarbeit. Das Konzept hat als erste Aufgabe, den Bedarf an elektrischer Energie der sonnenreichen Staaten südlich des Mittelmeeres auf nachhaltige Weise zu decken und den Wohlstand zu erhöhen. 

Bedenkt man, dass die Sonne während nur sechs Stunden, die Energiemenge auf alle Wüsten einbringt, die die gesamte Menschheit innerhalb eines Jahres verbraucht, dann wird man sich der Chance dieser nachhaltigen Energieausbeute bewusst. Pro Jahr gehen z.B. 630.000 Terawattstunden an ungenutzter Solarenergie auf die Wüsten in Nordafrika und Nahost nieder. Hingegen beläuft sich der Verbrauch an elektrischer Energie in Europa auf 4.000 Terawattstunden. Die Europäische Union sollte sich deshalb bemühen, die notwendige Infrastrukturen und Technologien in diesen sonnenreichen Ländern aufzustellen und einen Teil ihres Elektrobedarfs aus diesen Ländern gegen Devisen zu beziehen. 

Die Hochspannungs-Gleichstromübertragung HGÜ, seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ausgereift, verursacht auf den 4000 km nur 12 Prozent Verluste. Dieses Übertragungssystem mit Kuppelstellen in Spanien und Italien wird sich nahtlos in das europäische leistungsstarke Versorgungsnetz auf 400 kV-Ebene anbinden lassen.
Es lohnt sich jedenfalls in diesem Bereich der Energiegewinnung hohe Investitionen zu tätigen und eine saubere Energie anzuzapfen, als auf Jahre die Umweltschäden durch die fossilen Energien zu bezahlen, ja sogar die Rechnung an unsere Kinder und Enkel weiter zu reichen.

Den kommenden Generationen alle Chancen einräumen 

Der Schutz der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen müssen viel stärker in den Mittelpunkt der Politik rücken und dies in Anbetracht der kommenden UN-Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009. Die Verknüpfung von wirtschaftlicher Entwicklung mit sozialer Kohäsion stellt das Rückgrat dar. Mit Blick auf die gewünschte nachhaltige Entwicklung müssen wir unsere Lebensweise ändern, damit sich die kommenden Generationen ihre Wünsche und Träume ebenfalls erfüllen können. 

Angesichts des Wachstums der Weltbevölkerung, insbesondere in den Entwicklungsländern und der weltweiten Nachfrage nach erhöhtem Wohlstand in den Schwellen- und den Entwicklungsländern, bietet sich nun eine phantastische Gelegenheit, unser ökonomisches Wirtschaftsmodell neu auszurichten. 

Die Angst vor steigenden Energiepreisen und möglichen Lieferengpässen sollten die Industrieländer aufrütteln, vermehrt auf die dezentrale, heimische Energiegewinnung sowie die rationelle Energieverwendung zu setzen. Zusätzlich macht es Sinn, die gratis gelieferte Sonnenenergie der Wüsten vor der Haustür, in enger Partnerschaft mit unseren südlichen Nachbarn, zum Wohl aller Beteiligter zu nutzen. 

Die nachhaltige Entwicklung wird daran gemessen, den kommenden Generationen die Lebens- und Entwicklungschancen durch unser heutiges Fehlverhalten nicht zu verbauen. Die grüne Revolution, zusammengesetzt aus den Technologien mit geringer Kohlenstoffintensität und dem Umschwenken der Energieversorgung auf die „Erneuerbaren“, stellt ohne Zweifel den wichtigen Schritt dar, den die Menschheit zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu unternehmen hat.

Dr.-Ing. Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter