Uni-Gründung war richtiger Schritt

Nie in Frage gestellt: Minister Francois Biltgen zu Konsens und schwierigen Entscheidungen

VON ROLAND HOUTSCH 

Hochschulminister Francois Biltgen blickt auf eine bewegte Legislaturperiode zurück. Als er das Ressort 2004, wenige Monate nach der Uni-Gründung, übernahm, war die Aussicht weniger rosig. "Ich erinnere mich noch gut daran, dass nach den Wahlen von vielen die Existenz der Uni in Frage gestellt und an ihrem Erfolg gezweifelt wurde. Es war die schwierige Zeit nach dem Ableben des ersten Rektors Francois Tavenas." 

Relativ schnell konnte dann das Ruder herumgerissen werden. "Das Schiff war da; es brauchte einen Kapitän, um auf Kurs gebracht zu werden. Das ist im Januar 2005 mit der Nominierung von Rolf Tarrach gelungen. Inzwischen hat die Universität Luxemburg Kreuzfahrtgeschwindigkeit erreicht." 

Für den Minister beweist dies auch, dass die Arbeit seiner Vorgängerin Erna Hennicot-Schoepges richtig war. "Heute sehen wir, dass die Strukturen des Gesetzes, die auch im Kreuzfeuer der Kritik standen, richtig sind. Die scheidende Regierung war all die Jahre gewillt, die Universität weiterzuführen, auch wenn manche versucht waren, mich als Nachlassverwalter darzustellen. Aber die Entscheidung für die Schaffung einer Uni im Großherzogtum war richtig. Und die externe Evaluierung durch internationale Experten zeigt, dass unsere Hochschule auf dem richtigen Weg ist." 

Von Verträgen und von Autonomie 

Der Vollblutpolitiker übte sich im Hochschulressort in Zurückhaltung: "Unsere Rolle beschränkte sich auf den Vertrag, den die Universität mit der Regierung eingeht, auf die Ernennung des Rektors und auf die budgetare Planung. Ansonsten lässt die Regierung die Universität ihre Autonomie ausschöpfen. So kann die junge Hochschule in Ruhe arbeiten. Aber wer Autonomie sagt, muss auch Verantwortung sagen. Die Gremien sind so gedacht, dass beides gesichert ist. Deshalb ist die externe Evaluierung der Universität das Gegengewicht zu ihrer Autonomie. Jedenfalls werden anhand dieses Expertenberichts jetzt dort auch etliche Weichen gestellt. Deshalb lege ich auch großen Wert auf den .Conseil de gouvernance*. Einerseits ist er ein Puffer zwischen der Universität und der Regierung. Andererseits wacht er über die Einhaltung des Vertrags zwischen den beiden Partnern und kann Druck erzeugen, damit die Universität notwendige Anpassungen vornimmt." 

Es fließen in Luxemburg erhebliche Mittel in Universität und Forschung. Nicht immer hat man den Eindruck, dass diese Anstrengungen im Land verstanden werden. Deshalb ist die Erklärung dieser Regierungspolitik eine der häufigsten Übungen des Hochschulministers: "Wir müssen uns als Land der veränderten Umstände bewusst werden. Früher lag unser Reichtum im Boden, heute wird er durch die geistigen Werte, die die Uni schaffen kann, garantiert. Es wird immer klarer, dass ein Land mit unserem Lebensstandard und unserem industriellen Gefüge nur durch Forschung, Innovation und hohe Qualifikation seiner Arbeitnehmer weiter wettbewerbsfähig sein kann. Deshalb brauchen wir die Uni.
Aber das ist nicht der einzige Grund, den ich sehe. Für die soziale Kohäsion des Landes sind auch die ,Etudes luxembourgeoises’ immer wichtiger. Wir müssen hierzulande die politische und gesellschaftliche Debatte, die manchmal etwas kurz greift, auf ein anderes Niveau hieven."
 

Wichtig, aber schwierig: Entscheidungsfindungen 

"Eine äußerst wichtige Entscheidung in Sachen Universität war die Standortwahl am 23. Dezember 2005. Belval ist die richtige Entscheidung. Hier kann Luxemburg am einfachsten das oft zitierte Wissensdreieck aus Innovation, Hochschule und Forschung realisieren. Gewissermaßen im Schatten der Hochöfen, aus denen ein nicht unerheblicher Teil des Reichtums des Landes floss. Für mich als Arbeits-und Beschäftigungsminister war das der ausschlaggebende Grund, auch dieses Ressort zu übernehmen. Die Beschäftigungspolitik hängt zunehmend von Bildung, Forschung und Wirtschaft ab. Es war also meinerseits eine positive politische Entscheidung. Noch einmal, zu keinem Zeitpunkt dachte ein Mitglied der Regierung daran, die Entscheidung von Erna Hennicot, eine Luxemburger Universität zu gründen, wieder rückgängig zu machen."
Trotzdem besteht nicht in allen Uni-Fragen traute Einigkeit: "Wie Belval definitiv aussehen wird, steht noch nicht fest. Die Entscheidung, ob oder wie alle drei Fakultäten in Esch/Alzette vertreten sein werden, konnte ich nicht ohne weitestgehenden Konsens treffen. Sicher hätte ich mir eine Klärung vor den Wahlen gewünscht. Aber in dieser Frage kann man nicht brachial entscheiden. Ein Konsens ist jedenfalls in Sicht." 

Kontrovers wurde auch mit der "Fonction publique" und Ministerkollege Claude Wiseler über die Universität diskutiert: "Für die staatliche Beamtenlaufbahn stellt sich nicht nur die Frage der Einklassierung der Bachelor-Diplome in der Staatskarriere. Sie muss auch dem Konzept des .Life Long Learning’ Rechnung tragen, das in Europa nicht mehr umstritten ist. Der öffentliche Dienst kennt heute keine Form der Validierung beruflicher Erfahrungen, die mehr Flexibilität in den Karrieren ermöglichen würde. Hier liegt in Zukunft noch viel Arbeit. Wir kommen an einer Gesamtreform des Beamtenstatuts nicht vorbei." 

Bologna bedeutet eine Gesellschaftsreform 

Intensive politische Arbeit floss auch in die Umsetzung des von Luxemburg sehr früh unterschriebenen Bologna-Prozesses – "Wir waren Mitglied, bevor es in Luxemburg eine Universität gab." 

"Es wäre ein Fehler, die Reformen des Bologna-Prozesses als akademische Neustrukturierung abzutun. Diese Umwälzungen sind viel mehr, nämlich eine Gesellschaftsreform. Dazu zähle ich auch das Konzept des lebenslangen Lernens, das jegliche Ausbildung betreffen wird. Luxemburg hat durch seine späte Uni-Gründung die Chance gehabt, die Reformen von Anfang an umzusetzen. Viele Länder kämpfen mit ganz anderen Schwierigkeiten und müssen über Jahrhunderte gewachsene akademische Systeme reformieren. Ich bin froh, dass die luxemburgischen Voraussetzungen anders waren, auch wenn wir, durch unser Vorpreschen bei der Mobilität etwa, auf Probleme stießen. Wir konnten trotzdem ohne nennenswerte traditionsbedingte Hindernisse eine moderne Universität auf die Beine stellen, die den heutigen Anfordernissen genügt."

Quelle: Luxemburger Wort, Freitag. der 29. Mai 2009, Roland Houtsch