„Eine knochenharte Arbeit“

Die drei scheidenden Europaabgeordneten ziehen Bilanz der Legislaturperiode

VON JAKUB ADAMOWICZ 

Von den sechs luxemburgischen Abgeordneten im Europäischen Parlament bewerben sich drei nicht um ein Folgemandat. In den vergangenen fünf Jahren haben Erna Hennicot-Schoepges, Lydie Polfer und Jean Spautz auf unterschiedliche Weise zur Arbeit der EU-Institution beigetragen.
„Es geht um den Kompromiss vom Kompromiss“, bringt Erna Hennicot-Schoepges (CSV) die Arbeitsweise des Europaparlaments auf den Punkt. Die 23 EP-Ausschüsse arbeiten alle wie eigene Parlamente. Hennicot-Schoepges hat seit 2004 unter anderem in den Ausschüssen für Industrie, Forschung und Energie (ITRE), für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) sowie in der EP-Delegation für die Beziehungen zur südamerikanischen Freihandelszone Mercosur mitgewirkt.

Je nach Ausschuss variieren die Gestaltungsmöglichkeiten auf den Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union. „Der außenpolitische Ausschuss hat vor allem konsultativen Charakter. Die Einflussmöglichkeiten fallen dadurch deutlich geringer aus als etwa im Amt des Außenministers eines EU-Staates“, vergleicht Lydie Polfer (DP) zwei ihrer Tätigkeiten der vergangenen zehn Jahre.

Teamarbeit bei Post-Reform

Was nicht bedeutet, dass Außenpolitiker sich lediglich mit Resolutionen zu außereuropäischen Themen befassen. „In der Frage der Marktreform für Post-Dienstleistungen haben die sechs Luxemburger EP-Abgeordneten ihr Abstimmungsverhalten koordiniert, damit unsere Prioritäten Berücksichtigung finden“, so Polfer. Auch im Bereich Sozialpolitik war eine intensive Sondierungsarbeit hinter den Kulissen in den vergangenen Jahren von größter Bedeutung. „Die Entwürfe der EU-Kommission zur Dienstleistungsrichtlinie und zur Arbeitszeit haben das Europaparlament auf die Probe gestellt. Ich war maßgeblich daran beteiligt, dass die sogenannte Bolkestein-Richtlinie entschärft werden konnte“, sagt Jean Spautz (CSV).

Die Arbeit eines Europaparlamentariers ist vielschichtig und komplex. Zwar listet das Internet-Portal Votewatch.eu vergleichende Statistiken zum Abstimmungsverhalten und zur Anwesenheit der Abgeordneten im Plenum auf. Doch substanzielle Beiträge zur Kompromissfindung in Sondierungssitzungen oder die Beteiligung an informellen Arbeitstreffen sucht man dort vergebens. „Genau dieses Engagement ist Voraussetzung für erfolgreiche Parlamentsarbeit, weil Kompromisse oft informell geschmiedet werden. Das ist knochenharte Arbeit, die schon beim Frühstück beginnt und regelmäßig erst in den späten Abendstunden endet“, so Hennicot-Schoepges. Ein Teil der Vergütung ist dabei direkt von der Präsenz bei den Abstimmungen abhängig.

Die drei scheidenden Abgeordneten sind sich einig, dass das Europaparlament in den vergangenen fünf Jahren eine außergewöhnliche Evolution erfahren hat. „Es ist alles andere als selbstverständlich, dass die Aufnahme neuer Kollegen mit einem anderen Erfahrungshintergrund relativ reibungslos geglückt ist“ , stellt Hennicot-Schoepges fest. Bereits 1979/80 war Jean Spautz Europa-Abgeordneter: „Damals gab es keine strukturierten Arbeitsabläufe. Heute ist das Europaparlament wie eine Maschine, in der alle formellen Prozeduren geregelt sind. Außerdem hat das Parlament beträchtliche Kompetenzen hinzugewonnen“. Ob nun interkultureller Dialog, Leitsysteme für den Flugverkehr, Pestizide (Hennicot-Schoepges), Kinderrechte (Spautz) oder die Beziehungen EU-Südkaukasus (Polfer): Mit ihrer Arbeit haben die drei scheidenden Abgeordneten ihren Beitrag zum Europäischen Einigungswerk geleistet. 

Quelle: Luxemburger Wort, 27. Mai 2009