Neue Abgeordnete auf Krautmarkt : Die Chance nutzen

Fabienne Gaul im Porträt: Am vergangenen Dienstag nahm Fabienne Gaul im Parlament auf der christlich-sozialen Bank Platz. Mit 30 Jahren ist sie jüngstes Mitglied der Abgeordnetenkammer. Fabienne Gaul übernimmt das Mandat von Marie-Thérèse Gantenbein und will deren Engagement in der Bildungspolitik fortsetzen.

Kann man über Fabienne Gaul schreiben, ohne ihren berühmten Vater Charly Gaul zu erwähnen? Kaum. „Ich hoffe mein Vater wäre stolz auf mich“, sagte Fabienne Gaul bei ihrer Antrittsrede. Die Tochter einer Legende zu sein bezeichnete sie als „eine schwere aber eine schöne Erbschaft“.

Als Fabienne Gaul 1978 geboren wurde, lag der Tour de France-Sieg ihres Vaters Charly Gaul bereits zwanzig Jahre zurück. Erst im Alter von zehn Jahren wurde Fabienne Gaul so richtig bewusst, was ihr Vater geleistet hatte. „Er hat selten davon erzählt.“ Erst Mitte der achtziger Jahre knüpfte Charly Gaul wieder Kontakt zu seinen früheren Weggefährten. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Radsportfieber seine Tochter bereits gepackt. „Ich war fast fanatischer als er.“ Diese Begeisterung hat sich übrigens bis heute gehalten. Fabienne Gaul verfolgt die Tour de France mit Leidenschaft. „Die Hotelzimmer am Mont Ventoux wurden bereits reserviert.“

In den neunziger Jahren starten die beiden zusammen ein Wohltätigkeitsrennen zu Gunsten von krebskranken Kindern. „Mam Fabienne Gaul op den Härebierg“ wird ein Publikumserfolg und bringt auch ihren „eigentlich schüchternen“ Vater zurück in die Öffentlichkeit. Dass die Tochter auf ihren Vater stolz sein kann, versteht sich von selbst. Fabienne Gaul nannte die Erbschaft aber auch „schwer“. „Vor allem in der Schule meinten einige, ich würde auf Grund meines Nachnamens bevorzugt. Dass ich mich besonders anstrengen musste, haben sie nicht gesehen. Das war nicht immer einfach. Natürlich werde ich an den Taten meines Vaters gemessen. Daran habe ich mich aber gewöhnt.“ Wie reagierte Charly Gaul auf die Idee, dass seine Tochter sich in der Politik versuchen sollte? „Anfangs war er eher skeptisch. Er wollte mich wohl beschützen.“

Politisches und privates Vorbild Jean-Claude Juncker

Dann hat Jean-Claude Juncker nachgeholfen und Überzeugungsarbeit geleistet. „Mein Vater hat Jean-Claude Juncker immer bewundert und ihn als Freund angesehen.“ Premier Juncker galten weitere Dankesworte in der Antrittsrede von Fabienne Gaul. Er sei „politisch und privat ein Vorbild“. Trotz seines Arbeitsaufwands habe sich Jean-Claude Juncker immer Zeit für sie genommen. „Es sind die kleinen Aufmerksamkeiten, die einen berühren.“ Fabienne Gaul macht sich keine Illusionen. Sie ist sich sehr wohl bewusst, dass ihr Nachname vor vier Jahren eine Rolle spielte, als sie für die Politik entdeckt wurde. „Ich lasse mich aber nicht auf meinen Familiennamen reduzieren. Ich muss eben unter Beweis stellen, dass ich nicht nur Trägerin eines großen Namens bin. Ich will durch meine Arbeit überzeugen. Das ist in der Politik als junge Frau vielleicht schwieriger, aber ich bin überzeugt, dass man Vorurteile überwinden kann, wenn man seine Frau stellt.“

Die Kämpfernatur hat Fabienne Gaul von ihrem Vater geerbt, allerdings auch eine gewisse Schüchternheit. „Das ist vielleicht nicht die beste Eigenschaft für eine Politikerin, aber ich arbeite daran. Ich werde mich aber nicht zum Clown machen und im Grunde so bleiben wie ich eben bin. Ich will mir selbst treu bleiben.“

Vor fünf Jahren meinte Fabienne Gaul, dass sie nach dem Wahlkampf um eine „Erfahrung reicher“ wäre. Hat sich diese Erwartung erfüllt? „Ja, es war in der Tat eine wertvolle Erfahrung. Ich habe viele Menschen kennengelernt und manches dazugelernt. Vor allem habe ich mich in der politischen Auseinandersetzung üben können und gelernt, für meine Meinung einzustehen.“ Freut sie sich auf den bevorstehenden Wahlkampf? „Da muss man durch. Ich freue mich auf die Arbeit danach. Ich bin eher ein Mensch der Tat.“

Die gleichen Chancen für jedes Kind

Viel Zeit bleibt der jungen Abgeordneten jetzt nicht mehr, um ihr Talent in die parlamentarische Arbeit einbringen zu können. „Aber ich habe dank Marie-Thérèse Gantenbein die Chance, mich im Vorfeld der Wahlen in die legislativen Abläufe einzuarbeiten. Das ist eine Chance, die wollte ich nutzen.“

Fabienne Gaul will sich vor allem in der Bildungspolitik einbringen. „Es muss sich zeigen, ob die Schulreformen halten, was sie versprechen. Mir kommt es darauf an, dass jedes Kind die gleichen Chancen hat. Wir müssen auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen. Es ist ein entscheidender Paradigmenwechsel, dass wir nicht mehr Fehler bestrafen, sondern Können belohnen wollen. Gibt es für einen Schüler eigentlich etwas Schlimmeres als Entmutigung?“, so die junge Abgeordnete.

VON LAURENT ZEIMET
Quelle: Luxemburger Wort, 16. Februar 2009