Die Wirtschaftskrise drängt die Armen noch stärker an den Rand

Die Welt steht am Anfang einer schweren globalen Wirtschaftskrise, ausgelöst durch die Finanzkrise und noch sieht man kein Licht im Tunnel. Viele Menschen aus den Industrie-, den Schwellen- und vor allem den Entwicklungsländern werden in großes Elend geworfen. Millionen Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz und andere bangen um denselben, am schlimmsten trifft es jedoch die Jugendlichen, die ihren Weg in das Berufsleben versperrt sehen. Die Dimension der Krise verlangt von allen Partnern ein neues Denken, der Begriff „New Deal“ aus den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts wird als wundersames Heilmittel herumgeeicht. Freie Tribüne von Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter

Doch trotz der herrschenden misslichen Stimmung werden wir nicht umhin kommen, in der Krise die Chance für ein Umdenken zu sehen. Da sich die Welt immer mehr zu einem „Dorf“ entwickelt, werden sich die Länder und die Völker zu einem fairen Dialog mit gegenseitigem Respekt verständigen müssen. Die Alleingänge der großen Nationen sind endgültig vorbei, dies müssen sogar die Vereinigten Staaten von Amerika, Russland, China und Indien mittlerweile auch einsehen. Die Sicherheit, der Wohlstand und die Stabilität werden als die Kernelemente dieser neuen globalen Politik mit Blick auf die nachhaltige Entwicklung angesehen, welche zwei wichtige Ausrichtungen aufweist. Der Schutz der Umwelt einerseits und die Entwicklung der ärmeren Länder andererseits und dies gemäß den Entwicklungs-Millenniumszielen. Die Armut verringern und eine weltumspannende Gerechtigkeit aufbauen, an diesen werden die reichen Nationen gemessen. 

Seit Jahren sind Entwicklungsprogramme aufgestellt und durchgeführt worden, jedoch sind viele Entwicklungsländer bei der Armutsbekämpfung kaum oder gar nicht vorangekommen. In einigen Ländern, insbesondere in der Subsahelzone, sieht die Lage katastrophal aus. Für die meisten Entwicklungsländer gibt es wenig Aussicht auf eine Entwicklung, durch welche breite Bevölkerungsteile am „Segen der Wirtschaft“ teilhaben könnten. Wenn aber die Entwicklungsländer nicht voll in die Weltwirtschaft integriert werden, wir hatten ihnen dies durch die Lomé-Verträge zugesichert, dann wird es für die jungen Menschen in diesen Ländern kaum Perspektiven geben. 

Bei näherem Hinblicken und bei Besichtigungen vor Ort erkennt man jedoch, dass viel Bewusstsein zum Aufbau weitgehend zerstört worden ist, weil die Reichen aus dem Norden zuviel Verantwortung ausgeübt haben. Diese Art von Zusammenarbeit muss beendet werden, die Menschen vor Ort muss mehr Verantwortung anvertraut werden, denn sie wollen für die Entwicklung verantwortlich zeichnen. Ist es nicht erstaunlich, dass die afrikanischen Staaten im Durchschnitt eine Entwicklung des Bruttoinlandproduktes von etwa 5 Prozent pro Jahr in den vergangenen Jahren aufwiesen. Doch, ähnlich einem Tsunami, wurden sie von der Finanz- & Wirtschaftskrise überrascht und die Aufbauarbeit zum Teil zerstört. 

Die aktuelle Krise hat die Probleme der 2,8 Milliarden Menschen, die sich „mit weniger als 2 Euro pro Tag begnügen“ müssen, noch erhöht. Werden diese Länder allein gelassen, dann wird das wichtigste Millenniumsziel, die Armut und den Hunger bis 2015 zu halbieren, grob verfehlt. Anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos wurde bekannt gegeben, dass im Jahr 2009 schätzungsweise nur noch 170 Milliarden $ an finanziellen Mitteln in die Entwicklungsländer fließen werden, im Jahr 2007 waren es deren aber etwa 920 Milliarden $. 

Eine direkte Konsequenz stellt der Verlust von Arbeitsplätzen dar sowie die sich auftürmenden Probleme des Hungers. Die Welternährungskrise greift unersättlich um sich, der Hunger befällt immer mehr Menschen in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Die Zahl der Hungernden hat sich auf nahezu 1,2 Milliarden Menschen erhöht. Die Ernährungslage in einigen Entwicklungsländern wird sehr prekär und wenn die Weltpreise für die Nahrungsmittel wieder ansteigen, dann werden sich Bilder wie auf Haiti, im Tschad und in Somalia in weiteren Gegenden der Welt wieder abspielen und dies mit unbekanntem Ausgang. Immer mehr kommt es zur Vernetzung von vielen Faktoren u.a. permanente Armut, unhygienische Lebensverhältnisse, ansteckende Krankheiten, Aids, verschmutzte Lebensressourcen, mangelnde Bildung und Ausgrenzung. 

Umgehende Remedur schaffen, heißt beherzte Schritte einleiten, denn wir dürfen die Entwicklungsländer in diesen Zeiten nicht allein lassen. Es bedarf dazu viel Engagement, um neue Wege zu beschreiten. Von den Menschen in den Industrieländern wird verlangt, den persönlichen Lebensstil zu überdenken und neu zugestalten. Man möge nicht vergessen, dass es die Industriestaaten waren und sind, die die Hauptverantwortung für diese Krise auf ihr Konto schreiben müssen. Das Interesse und die Gier nach kurzfristigen materiellen Gewinnen haben hier schwer mitgewirkt, im Gefolge wurden die natürlichen Lebensressourcen sehr stark in Anspruch genommen. 

Und dazu kommt leider die rezente äußerst bedenkliche Handlung der Europäischen Kommission, die durch die EU-Kommissarin für die Landwirtschaft, die Milchexportsubventionen wieder einführen möchte. Die Überschüsse der europäischen Landwirtschaft sollen wieder mit finanziellen Mitteln in die Entwicklungsländer „geschifft“ werden, mit der direkten Konsequenz, dass dort die lokale Milchproduktion „vor die Hunde geht“. Die direkte Folge dieses unfairen Handelns ist die Steigerung von Armut und die Landflucht. Die reichen Industrieländer möchten momentan ihre hauseigenen Probleme lösen und dies ist legitim und korrekt; aber die sich auftürmenden Probleme der Menschen in den Entwicklungsländern finden keine weitere Beachtung. 

Wenn aber Milliarden $ zur Rettung der Banken aufgebracht werden können, warum dann nicht auch den Ärmsten der Welt nun erst recht helfen. Was die Landwirte in den Entwicklungsländern dringend benötigen, ist substanzielle Hilfestellung zum Aufbau einer eigenen Landwirtschaft, dies mittels Düngemittel und Bewässerungssystemen. Wenn wir es schaffen, dass die Armen ihren Fuß auf die unterste Sprosse der Entwicklungsleiter setzen dürfen, dann werden sie die Kraft entwickeln, auch die folgenden Sprossen zu erklimmen, der erste Schritt ist der schwierigste. 

Der demokratische Aufbau muss zum zentralen Anliegen der Entwicklungshilfe erkoren werden, vergessen wir nicht, dass Entwicklungspolitik auch Friedenspolitik ist. Alle können den Frieden erst dann genießen, wenn die bittere Armut in allen Teilen der Welt abgeschafft ist.
Die Finanzprobleme mögen wohl die heutigen Schlagzeilen darstellen, aber die Ungerechtigkeit und die negativen ökologischen Aspekte werden das Leben und das der kommenden Generationen viel stärker belasten. Den Kampf gegen die Armut werden wir nur dann gewinnen, auch wenn dies beschwerlich sein wird, wenn die globale Solidarität zwischen allen Menschen vorherrschen wird. 

Hat nicht Nelson Mandela in diesem Zusammenhang die folgenden Wort gesprochen: „Armut zu überwinden, ist keine Geste der Mildtätigkeit. Es ist ein Akt der Gerechtigkeit. Es bedeutet den Schutz eines grundlegenden Menschenrechts, des Rechts auf Würde und ein angemessenes Leben“. 

Dr-Ing. Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter, 4. Februar 2009