Umdenken im eigenen Interesse

Laut der Lissabonstrategie soll die Beschäftigungsquote der 55- bis 60-Jährigen bis zum Jahr 2010 auf 50 Prozent anwachsen. In Luxemburg lag sie im Jahr 2007 bei lediglich 33 Prozent. Grund genug, um bei Arbeitsminister François Biltgen nachzufragen, warum dies so ist und welche Mittel eingesetzt werden, um die Rate der älteren Arbeitnehmer steigen zu lassen.

„Aufgrund der Stahlkrise in den 70er-Jahren ist in Luxemburg eine Kultur der frühen Rente entstanden“, erklärt Minister Biltgen gegenüber dem „Luxemburger Wort“. Damals seien viele Arbeitnehmer in die Frührente oder in die Rente geschickt worden. Zudem seien Frauen damals wenig berufstätig und deshalb mitversichert gewesen.

„Die Tatsache, dass heutzutage immer mehr Frauen einer bezahlten Arbeit nachgehen, wird künftig die Zahl der älteren Arbeitnehmer steigen lassen.“ Zweitens hätten heutzutage immer weniger 57-Jährige 40 Arbeitsjahre hinter sich, so dass auch dieser Faktor dazu beitragen werde, die Beschäftigungsquote der älteren Mitarbeiter zu steigern.

Proportionell gesehen seien wenig Ältere arbeitslos. Kopfzerbrechen bereiteten hier jedoch die Langzeitarbeitslosen. „Sicherlich spielt die Mentalität der Unternehmen, nicht unbedingt ältere Arbeitskräfte einstellen zu wollen, eine Rolle“, sagt der Arbeitsminister.

Die Situation erkläre sich aus dem Wandel des Arbeitsmarkt: Während es im Großherzogtum im Jahr 1985 rund 150 000 Arbeitsplätze gab, liege die Zahl jetzt bei fast 340 000 Jobs. Viele neue Betriebe seien gegründet worden, und diese stellten vor allem eine jüngere Belegschaft ein. „In ihrem eigenen Interesse müssen die Unternehmen ihre Politik ändern. Denn sie können nicht ewig auf junge Arbeitnehmer aus der Großregion zurückgreifen“, unterstreicht der Minister.

Der Staat setzt sich dafür ein, um ein Umdenken der Betriebe zu fördern. So erhalten Unternehmen, die ältere Arbeitslose einstellen, nicht nur Hilfen bei den Sozialbeiträgen. Das neue Budgetgesetz sieht vor, den Steuerrabatt von zehn auf 15 Prozent des Lohns zu heben. Des Weiteren wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe damit beauftragt, neue flexiblere Arbeitsmodelle auszuarbeiten. So soll es älteren Arbeitnehmern künftig einfacher gemacht werden, beispielsweise halbtags zu arbeiten und die übrige Zeit von ihrer Rente zu profitieren. „Allerdings ist es auch an den Betrieben, ihre Organisation dementsprechend zu gestalten“, warnt der Minister.

Die aktuelle Situation präsentiert sich folgendermaßen: von den 55- bis 64-Jährigen sind 38 Prozent Rentner, 36 Prozent arbeiten und 20 Prozent sind mitversichert. „Lediglich ein Prozent ist arbeitslos“, betont François Biltgen. Die absoluten Arbeitslosenzahlen vermittelten jedoch einen anderen Eindruck: Im August dieses Jahr waren 27,1 Prozent der Arbeitslosen zwischen 41 und 50 Jahre alt (2 540 Personen), 20,6 Prozent waren 51- bis 60-Jährige (1 930 Personen) und 1,2 Prozent waren älter als 60 (116 Personen). Ein Großteil der Senioren habe gesundheitliche Probleme, was ihre Langzeitarbeitslosigkeit erkläre.

Invalidenrente reformieren

Der klassische Fall sei der Ausländer, der mit 15 Jahren auf dem Bau zu arbeiten angefangen habe und Anfang 50 aufgrund körperlicher Gebrechen nicht mehr arbeitsfähig sei. „Hier ist eine Umschulung sehr schwierig. Aus diesem Grund haben wir eine Arbeitsgruppe zusammen mit dem Ministerium für Soziale Sicherheit eingesetzt, um eine Reform der Invalidenrente auszuarbeiten.“

Was die Vorurteile gegen ältere Mitarbeiter betrifft, weist der Minister auf eine Ceps/Instead-Studie mit dem Titel „Stigmatisation des travailleurs âgés: mythe ou réalité?“ hin, die im Jahr 2004 durchgeführt wurde. Fazit der Studie war, dass das Phänomen der Stigmatisierung, im Sinne einer Evaluation nach Stereotypen und nicht nach den tatsächlichen Fähigkeiten, begrenzt bleibe. Allerdings teilten viele Betriebe die Ansicht, dass die Anpassung älterer Arbeitnehmer an moderne Technologien zu wünschen übrig lasse und die Gehaltskosten zu hoch seien.

Sehr erfreut zeigt sich François Biltgen über die rezente Gründung der gemeinnützigen Vereinigung Perspective 45, die rund 40 Arbeitgebervertreter vereinigt. „Es ist ein positives Zeichen, wenn Arbeitgeber das Thema 45 plus thematisieren.“ Der Minister hofft, dass Perspective 45 künftig Synergien mit dem Centre de formation sociale Jean-Baptiste Rock nutzen wird, das für die Kampagne 45 plus verantwortlich ist. Beide Initiativen werden wohl auch weiterhin durch das Arbeitsministerium und den Europäischen Sozialfonds unterstützt werden. 

Quelle: Luxemburger Wort, 25. Oktober 2008, Françoise Hanff