Die Finanzkrise legt ihren Schatten auf die Millenniumsentwicklungsziele

Der UN-Gipfel zur Armutsbekämpfung in New York. Im Vorfeld der 63. UN-Vollversammlung rief deren Generalsekretär Ban Ki Moon die Staatengemeinschaft zu einem entschlosseneren Kampf gegen die Armut auf und forderte mehr Solidarität mit den Milliarden Menschen, die sich, bedingt durch die weltweite Finanzkrise an den Rand gedrückt fühlen. Angesichts der geringen Bemühungen der Geberländer sich den im Jahr 2000 beschlossenen Millenniumszielen zur Bekämpfung der weltweiten Armut anzunehmen, hatte der Generalsekretär zu diesem wichtigen Treffen eingeladen. Eine Freie Tribüne von Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter.

Gemäß den Millenniums-Entwicklungszielen soll die Zahl der Hungernden bis 2015 um die Hälfte auf schätzungsweise 400 Millionen reduziert werden. Die UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation FAO hat in den vergangenen Tagen informiert, dass die Zahl der Hungernden jedoch von derzeit 854 auf 923 Millionen angestiegen ist. Die aktuelle Finanzkrise hat die Probleme der 2,8 Milliarden Menschen, die sich „mit weniger als 2 Euro pro Tag begnügen“ müssen, überschattet und werden keine größeren Anstrengungen getätigt, dann wird das wichtigste Millenniumsziel, die Armut und den Hunger bis 2015 zu halbieren, verfehlt. 

Und es ist der Schwarze Kontinent, der der Europäischen Union so nahe liegt, wo die gravierendsten Probleme vorliegen, obwohl Fortschritte in den Bereichen Bildung und Gesundheitsversorgung in den vergangenen Jahren erzielt wurden. Die letzten Monate haben, bedingt durch die Preissteigerungen der Lebensmittelpreise, viele gute Ansätze zerstört und die schleichenden Folgen des Klimawandels stellen nun weitere schwerwiegende Herausforderungen dar; die Menschen in vielen afrikanischen Ländern sehen sich einer Spirale der Mutlosigkeit gegenüber, es gibt keine Perspektiven auf ein besseres Leben. Werden die Treibhausgasemissionen nicht auf das geforderte Maß reduziert und somit die zwei  Grad Erwärmung überschritten, dann werden sich dramatische Auswirkungen auf die fragilen Ökosysteme einstellen, die Lebensgrundlagen von Hunderten von Millionen Menschen sind bedroht und es wird zu einer Migration von ungekanntem Ausmaß kommen. 

Wenn jedoch die Überwindung der Armut in Afrika gelingen soll, dann müssen wir unsere Gleichgültigkeit gegenüber den berechtigten Forderungen und Hoffnungen dieser Menschen ablegen. Angesichts der Militärausgaben in Höhe von etwa 1.025 Milliarden $ im Jahr 2007 gegenüber den 140 Milliarden $ an Entwicklungshilfe erkennt man, dass die Entwicklung in die total falsche Richtung geht. Die UNO hat deshalb auch schon die Befürchtung ausgedrückt, dass kein Land des Krisenkontinents Afrika seine Milleniumsziele bis 2015 erreichen wird.

Den Kampf gegen das Elend in den Mittelpunkt rücken 

Die Globalisierung und die sich verbreitende Kluft zwischen den Nationen rufen nach weit reichenden Handlungen, insbesondere zur umgehenden Überwindung der Armut in den Ländern des Südens. Dies kann nur dann gelingen, wenn neben der gesteigerten Entwicklungshilfe auch ein konsequentes Umsteuern in der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik vonstatten geht. Eine der wichtigsten Maßnahmen besteht in der Bekämpfung des Hungers im ländlichen Raum, vor allem in den Ländern südlich der Sahara. 

Die hilfsbedürftigen Länder können sich jedoch die benötigten Investitionen nicht leisten, weder in die Menschen, in die Umwelt sowie in die Infrastrukturen. Es überrascht denn auch nicht, dass die Entwicklung in Afrika als eine gefährliche Hypothek für das angebrochene 21. Jahrhundert eingestuft wird. Fortschritte in Afrika können aber erreicht werden, wenn massiv in die Wirtschaft investiert wird, wenn finanzielle Mittel für die Bildung, die sozialen Bereiche und die Ernährung eingebracht werden. Durch die entschlossene Entwicklungshilfe an die Bedürftigen, immerhin hat sich die Weltgemeinschaft in New York aufgerafft, trotz der Finanzkrise etwa 11 Milliarden Euro im Kampf gegen die Armut zu investieren, kann uns dies gelingen. 

Das gemeinsame Ziel muss es werden, die Lebensbedingungen der Menschen nachhaltig zu verbessern und eine gerechtere Welt aufzubauen. Die Verwirklichung einer sozial- und umweltgerechten Lebens- und Wirtschaftsweise in den Entwicklungsländern, so lange und schwierig auch dieser Prozess sein mag, eröffnet ungeahnte Gestaltungsspielräume, die wir im Sinne einer gemeinsamen Welt durchführen müssen. Darf ich hier anführen, dass auch die Menschen in den armen Ländern das Recht auf ein Minimum an Ressourcen zum Überleben einklagen können.
Wenn wir es schaffen, dass die Armen ihren Fuß auf die unterste Sprosse der Entwicklungsleiter setzen dürfen, dann werden sie die Kraft entwickeln, auch die folgenden Sprossen zu erklimmen, der erste Schritt ist der schwierigste. Der demokratische Aufbau muss zum zentralen Anliegen der Entwicklungshilfe für die Länder Afrikas erkoren werden, denn die Entwicklungspolitik ist auch Friedenspolitik. Alle können den Frieden erst dann genießen, wenn die bittere Armut in allen Teilen der Welt abgeschafft ist. Die Finanzprobleme mögen wohl die heutigen Schlagzeilen darstellen, aber die Ungerechtigkeit und die negativen ökologischen Aspekte werden das Leben und das der kommenden Generationen viel stärker belasten. 

Den Kampf gegen die Armut werden wir nur dann gewinnen, auch wenn dies beschwerlich sein wird, wenn die globale Solidarität zwischen allen Menschen vorherrschen wird.

Dr.-Ing. Marcel Oberweis, 30. September 2008