Der Hochschulminister ist mit der Entwicklung der Uni Lëtzebuerg zufrieden und setzt grosse Hoffnungen auf die “Maison du savoir” in Esch-Belval. Interview mit Hochschulminister François Biltgen
Tageblatt: In welche Richtung soll die Uni Lëtzebuerg sich entwickeln?
François Biltgen: Die Uni Lëtzebuerg soll sich auf die Forschung und die Ausbildung konzentrieren. Es soll jedoch keine Allgernein-Universität werden, die alle Studien anbietet. Wir wollen uns auf verschiedene Bereiche beschränken und da zu Exzellenzzentren werden. Die luxemburgische Universität muss sich auch weiter durch ihre Mobilität und ihre Mehrsprachigkeit auszeichnen.
Die Betreuung der Studenten ist auch sehr wichtig. Ich begrüße in diesem Zusammenhang die Gründung der ersten Studentenvereinigung der Universität.
Tageblatt: Die Maison du savoir in Esch-Belval soll das Kernstück der Uni werden. Wie sieht die Zukunft dieses Wissenszentrums aus?
François Biltgen: Die Maison du savoir wird erst 2012 oder 2013 fertiggestellt sein. Die Struktur soll eine zentrale Rolle spielen. Sie wird unter anderem viele Hörsaale und die Verwaltung der Universität beherbergen. Wir wollen jedoch eine Überfüllung vermeiden. Darum haben wir etwas größer geplant, um genug Spielraum für eine zukünftige Entwicklung zu haben.
Tageblatt: Werden die hauptstädtischen Standorte der Universität weiter existieren?
François Biltgen: Nein, nicht alle. Nur der Campus Limpertsberg wird wahrscheinlich überleben.
Es werden jedoch Verhandlungen geführt über die Zukunft der Rechtsfakultät sowie der Wirtschafts- und Finanzfakultät. Eine Entscheidung wird voraussichtlich nächstes Jahr fallen. Ich möchte in dieser schwierigen Frage einen politischen Konsens erreichen. Das Interesse der Universität ist für mich aber ausschlaggebend.
Tageblatt: Wegen des Erfolges der Universität in Luxemburg findet eine Selektion der Studenten statt. Auf welcher Basis werden sie gewählt?
François Biltgen: Es ist nicht die Aufgabe des Ministeriums, die Studenten auszuwählen. Dies ist klar eine Aufgabe der Lehranstalt. Sie kann die Studenten aufgrund ihres Bewerbungsdossiers, durch ein Examen oder einen Numerus Klausus aufnehmen. Im Augenblick findet zum Beispiel eine Selektion bei den Psychologen, den Erziehern und den Lehrern statt. Eine Hochschulanstalt soll Jugendliche aufs Leben vorbereiten. Die Qualität der Ausbildung ist sehr wichtig. Ich bin mit der Aussage des Rektors einverstanden, dass es nicht die Aufgabe der Universität ist, Arbeitslose auszubilden.
Tageblatt: Eine lebendige Universität braucht Sport- und Freizeitinfrastrukturen. Welche Anstrengungen werden in diesem Bereich unternommen?
François Biltgen: Der Bau eines regionalen Sportzentrums in Esch-Belval sowie eines großen Kinos sind beschlossene Sache. Die Kooperation mit der Kulturfabrik wird verbessert. Wir arbeiten auch eng mit der Gemeinde Esch/Alzette zusammen. Private Initiativen werden von der Regierung gefördert. Jeder Anfang ist schwer, aber ich bin überzeugt, dass Esch zu einer lebendigen, dynamischen Universitätsstadt werden wird.
Tageblatt: Der Rektor ist sehr besorgt über den Mangel an Forschern und an Wissenschaftsstudenten. Welche Hilfe kann die Politik da bieten?
François Biltgen: Richtige Forschung gibt es in Luxemburg erst seit ungefähr 20 Jahren. Wir wollen diesen Bereich jedoch massiv fördern, da er eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Diversifizierung spielt. Ein neues Gesetz ist am 1. Oktober in Kraft getreten. Es sieht unter anderem eine Erhöhung der staatlichen Hilfen für Forscher vor. Die zukünftigen und schon diplomierten Doktoren erhalten des Weiteren zeitlich begrenzte Arbeitsverträge und sind so bei der Sozialversicherung angemeldet.
Die Zusammenarbeit mit den privaten und den öffentlichen Forschungsinstituten wird ebenfalls verstärkt.
Was den Mangel an Wissenschaftsstudenten anbelangt, werden Kampagnen in den Primärschulen und den Lyzeen organisiert, die als Ziel haben, die Wissenschaft den jungen Leuten schmackhaft zu machen.
Tageblatt: Welche Rolle spielen die Studien im Ausland für die jungen Luxemburger?
François Biltgen: Die Uni Lëtzebuerg ist nicht nur für die Luxemburger. Wir wollen mobile Studenten. Luxemburger sollen weiterhin im Ausland studieren und so unter anderem ihre Sprachkenntnisse erweitern. Aber ausländische Studenten sollen auch nach Luxemburg kommen.
Eine der Voraussetzungen, um einen Master an der Uni Lëtzebuerg machen zu können, ist das Absolvieren von mindestens sechs Monaten an einer ausländischen Universität während den Bachelor-Studien. Wir haben schon über 20 Verträge mit anderen Universitäten ausgehandelt.
Ein Beispiel: Warum zum Beispiel nicht zukünftige Lehrer, die viele Portugiesen in ihrer Klasse haben werden, sechs Monate nach Portugal schicken?
Tageblatt: Welche Aus- und Weiterbildungschancen haben Berufstätige im post-universitären Bereich?
François Biltgen: Hier existiert noch Nachholbedarf. Wir setzen in diesem Zusammenhang auf Zusammenarbeit mit Lehrinstituten im Ausland. Die Fernstudenten erhalten des Weiteren staatliche Hilfen. Die Open University in Luxemburg erfreut sich steigender Beliebtheit. Aber Fern-Universitäten in Frankreich und Deutschland sind ebenfalls sehr beliebt um Psychologie-, Handels oder Buchhaltungsstudien zu absolvieren.
Tageblatt: Gibt es Neuerungen bei den staatlichen Studenten-Hilfen?
François Biltgen: Nein, es gibt keine größeren Neuerungen außer die erfolgreiche Einführung der elektronischen Anfragen und Einschreibungen. Über die Hälfte der Studenten kontaktieren inzwischen die Verwaltungen per Internet.
Quelle: Tageblatt, 25. September 2008, René Hoffmann