Die Wort Sommerserie: Schwarz-Rot unter der Lupe. Justiz und Polizei: Mehr Mittel, mehr Europa und einige Reformen. Freiheit und Sicherheit sind zwei Seiten einer Medaille, wird Justizminister Luc Frieden nicht müde zu betonen. Seit zehn Jahren führt er das Justizressort und hat sein Legislaturprogramm so gut wie erledigt.
VON LAURENT ZEIMET
Als "Superminister" startete Luc Frieden (CSV) im August 2004 in die neue Legislaturperiode. Neben dem Staatsbudget sollte er sich um die Justiz, die Armee und die Polizei kümmern. Frieden soll sich diesen Zuschnitt der Ressorts selbst gewünscht haben. Diese geballte Zuständigkeit für Justiz und Ordnungskräfte stieß nicht überall auf Zustimmung. Manche sahen die Gewaltentrennung nicht mehr gewahrt. Luc Frieden wollte als "Sicherheitsminister" neue Synergien schaffen.
"Meiner Meinung nach macht es Sinn, dass jene, die eng in der Kriminalitätsbekämpfung zusammenarbeiten müssen, nämlich Staatsanwaltschaft und Polizei, zusammengestrickt werden und eine einzige politische Verantwortung für sie vorgesehen wird", erklärte er im Herbst 2004 im "Luxemburger Wort". Die Zuständigkeit für die Armee sei nur folgerichtig, "Stabilität draußen ist die Bedingung, um daheim Sicherheit zu schaffen. Daher ist es wesentlich, die interne und externe Sicherheit miteinander zu verbinden." Anfang 2006 kam es allerdings zu einer Regierungsumbildung und Luc Frieden gab die Verantwortung für die Armee an seinen CSV-Kollegen Jean-Louis Schiltz ab. Die Polizei blieb Frieden unterstellt. Wenn man den Erfolg eines "Sicherheitsministers" an der Kriminalitätsrate messen will, kann sich die Frieden-Bilanz zeigen lassen. Zwar stieg die absolute Zahl an Gesetzverstößen im Jahr 2007 auf 28 252 gegenüber 25 913 im Vorjahr. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl liege die Rate aber sogar unter jener von 2004, seit 2003 habe sich zudem die Aufklärungsrate von 33,9 auf 46 gelöste Fälle verbessert, wurde im Mai bei der Bilanzpressekonferenz festgestellt. Die rund 1 500 Polizeibeamten werden in den kommenden Jahren weitere Verstärkung erhalten. Bis 2015 soll die Polizei auf rund 2 000 Beamte zurückgreifen können. 60 Rekruten sollen pro Jahr den Dienst antreten, so der Plan. Eine zusätzliche Verstärkung wurde vor allem für die Dienststellen vor Ort vorgesehen. "Die Politik muss für die idealen Rahmenbedingungen sorgen", erklärt Luc Frieden immer wieder. So hat er in seiner Amtszeit die Magistratur schrittweise erweitert. Seit 1998 wurden 50 neue Richterstellen geschaffen. Dieser Tage bezieht die Justiz ihre neuen Räumlichkeiten auf dem Heilig-Geist-Plateau, Wie eine große Konditor-Piece montee thront der neue Justizpalast auf dem Altstadt-Felsen. Mit prozeduralen Reformen tut sich das Justizwesen dagegen etwas schwerer. Eine eigens einberufene Justizkonferenz setzte eine Reihe von fachübergreifenden Arbeitsgruppen ein. Handfeste Ergebnisse lassen aber bis dato auf sich warten.
Sorgenkind Strafanstalt
Kopfzerbrechen bereitete dem Minister auch in dieser Legislaturperiode die Justizvollzugsanstalt in Sehrassig. Todesfälle und Ausbrecher sorgten für Schlagzeilen. Die Zwischenfälle brachten den Minister bisweilen arg in Bedrängnis. Die lange Suche nach einem geeigneten Standort zum Bau einer zweiten Strafanstalt fand dagegen ein vorläufiges Ende. In der Gemeinde Sanem soll mittelfristig ein Sicherheitstrakt für Untersuchungshäftlinge entstehen.
Flaggschiff der legislativen Reformen des Justizministeriums in dieser Legislaturperiode dürfte die Novellierung des Einbürgerungsrechts werden. Bei der letzten Reform 2001 war die prinzipielle Anerkennung von doppelten Staatsbürgerschaften nicht mehrheitsfähig, nun scheint der Weg frei. Im Herbst soll das Parlament abstimmen. Geht es nach Luc Frieden, sollen die neuen Bestimmungen zum 1. Januar 2009 in Kraft treten. Die Reform des Scheidungsrechts will die CSV/LSAP-Koalition nach eigenem Bekunden noch vor den Wahlen unter Dach und Fach bringen. Die parlamentarische Feinarbeit sei so weit erledigt, heißt es.
Es stört Frieden nicht wesentlich, dass die Abgeordneten die Vorlage der konservativ-liberalen Vorgängerregierung ziemlich zerpflückt und umgeschrieben haben. "Ich lege die Ziele fest, auf dem Weg, diese Ziele zu erreichen, bin ich zum Kompromiss bereit", beschreibt er seine Methode. Im Fall des Scheidungsrecht besteht das erklärte Ziel darin, den Streit vor Gericht auf "ein Minimum" zu reduzieren.
Als kleines Land ist Luxemburg auch im Justiz- und Polizeibereich auf die Zusammenarbeit mit den Nachbarn angewiesen. Luc Frieden darf sich inzwischen Doyen der EU-Justizminister nennen. Die Kollegen schätzen seinen Rat. "Es ist wichtig, dass wir so erfahrene, erfolgreiche und kluge Kollegen haben wie Luc Frieden", lobte der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble im Gespräch mit dem LW. Die europäische Dimension seiner Zuständigkeiten ist dem Minister sehr wichtig. Während der Luxemburger Ratspräsidentschaft konnte der Vertrag von Prüm unterschrieben werden. Die Idee einer engen europäischen Polizeizusammenarbeit wurde beim Essen in einem Luxemburger Restaurant geboren. "Aus Frust", erinnerte sich Frieden, da die vorgeschriebene Einstimmigkeit im Rat jeden Fortschritt verzögerte oder verhinderte.
Frieden konnte seine ehemaligen Amtskollegen Otto Schily und Dominique de Villepin für eine intensive Polizeikooperation und einen Datenaustausch gewinnen. Unter deutscher EU-Presidence wurde beschlossen, den Prüm-Vertrag ins Gemeinschaftsrecht zu überführen. "Reform über Umwege", nannte Frieden diesen Vorgang. Mit seiner neuen französischen Amtskollegin macht er sich nun für eine europäische Ausrichtung der Richterausbildung stark. Der Grundgedanke seiner Bemühungen ist simpel: Die Kriminalität macht an den Grenzen nicht halt. Polizei und Richter müssen also Mittel und Wege erhalten, um die Sicherheit zu gewährleisten. Luc Frieden will die Bürger mit solchen konkreten Ergebnissen vom Sinn und Nutzen einer weiteren europäischen Zusammenarbeit überzeugen.
Die Hausaufgaben
Erledigt:
– DNA-Datenbank
– Namensgesetzgebung
– Neue Methoden des Strafvollzugs
In der Prozedur:
-Reform des Einbürgerungsrecht
-Reform des Scheidungsrechts
-Opferschutz
-Nachbesserung am Partenariatsgesetz
Quelle: Luxemburger Wort, 26. August 2008, Laurent Zeimet