Vorsicht als erste Tugend

Die Wort-Sommerserie: Schwarz-Rot unter der Lupe. Konservative Kontinuität in der Budgetpolitik. Ohne das nötige Geld ist auch in der Politik fast alles Nichts. Gesunde und stabile öffentliche Finanzen sind die Grundlage jedes Regierungsprogramms. Die CSV/LSAP-Koalition hatte sich zum Ziel gesetzt, bis 2009 wieder einen ausgeglichenen Haushalt für die gesamte öffentliche Hand vorzulegen. Rückgrat der Staatseinnahmen bildet weiterhin der Finanzplatz.

Von Laurent Zeimet

Koalitionen mögen ändern, die Ausrichtung der Haushaltspolitik zeichnet sich dagegen durch Kontinuität aus. Im Oktober 2007 stellte Minister Luc Frieden (CSV) bereits seine zehnte Haushaltsvorlage vor. Die Maximen seiner Budgetführung haben sich in dieser Dekade kaum verändert: Möglichst niedrige Steuern, eine vorsichtige Steueraufkommensschätzung, vornehme Zurückhaltung auf der Ausgabenseite, Mehreinnahmen werden zur Seite gelegt. Man nenne es konservativ oder orthodox, für Experimente war Frieden bisweilen nicht zu haben. 

Premier- und Finanzminister Jean-Claude Juncker hatte den Ton in seiner Rede zum Regierungsantritt angegeben. "Die Finanz-, Budget- und Steuerpolitik wird keinen drastischen Umschwung erleben. Die würde sie auch nicht überleben. Sie muss überlegt und vorsichtig bleiben."

"berlegt und vorsichtig", da wären also wieder die beiden Adjektive, die bei keiner Budgetvorstellung unausgesprochen bleiben dürfen. Die Budgetpolitik der Regierung sollte sich am mittelfristigen Wirtschaftswachstum ausrichten und sich dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt anpassen. Allerdings kündigte Juncker im August 2004 eine gewisse Neuasrichtung der Haushaltspolitik an: "Wir müssen lernen, dass wir nicht mehr alles und nicht mehr alles alleine finanzieren können." Trotz aller Vorsicht war der "Apfel gegen den Durst" Mitte des Jahrzehnts aufgegessen. Die Ausgaben des Zentralstaats wuchsen schneller als die Einnahmen. 

Der zweite Haushalt der CSV/ LSAP-Koalition sah ein Defizit von 3,8 Prozent des BIP vor. Die christlich-soziale Fraktion probte den Aufstand und verlangte mehr Einsparungen. Mindestens 150 Millionen wollten Wolter und seine Kollegen kürzen. Am Ende versprach die Regierung einen eisernen Sparwillen und eine strikte Ausführung des Haushalts. Die damals laufenden Tripartite Verhandlungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit konzentrierten sich zunehmend auf die Schieflage der öffentichen Finanzen. Die Indexierung der Sozialleistungen brachte das staatliche Budget in Bedrängnis. Die Sozialpartner einigten sich auf die sogenannten Index-Modulierungen, die bis zum 1. Januar 2010 in Kraft sein sollen. Dazu zählten die Desindexierung verschiedener Sozialleistungen und die zeitliche Verschiebung von Index-Tranchen. Das Investitionsprogramm der Regierung fiel bescheidener aus. Eine Reihe von Großprojekten, wie der dreispurige Ausbau der Autobahn wurden auf die lange Bank geschoben. 

Das Haushaltsjahr 2006 sah am Ende besser als im "Winter der Unzufriedenheit" 2005 befürchtet. Statt eines Defizits des Zentralstaats von 3,8 Prozent des BIP pendelte sich das Finanzierungsloch bei zwei Prozent ein. Der Regierung kamen die positive konjunkturelle Entwicklung und die unverhofften Erlöse aus der Fusion der Stahlkonzerne Arcelor und Mittal zu Hilfe. Schließlich zahlte sich die strikte Ausführung des Budgets aus, sollte Luc Frieden im März 2007 rückblickend erklären. 

2007 konnte der Zentralstaat wieder schwarze Zahlen schreiben. Ging die Haushaltsvorlage noch von einem fast symbolischen Defizit von 187 Millionen Euro aus, so berichten die Konten von einem Nettoüberschuss von rund 451 Millionen Euro. Wohl gemerkt des Zentralstaats. Wenn die Regierung im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion in Brüssel Rechenschaft über die öffentlichen Finanzen ablegen muss, gilt das Interesse dem Zustand der Finanzen der gesamten öffentlichen Hand. 

Hier werden neben dem Zentralstaat die Finanzen der Kommunen und der Sozialversicherungen berücksichtigt. Doch selbst bei dieser europäischen Betrachtungsweise konnte die CSV/LSAP-Koalition Positives vermeldenDie Regierung ging im Februar 2008 davon, aus, dass die gesamte öffentliche Hand im Vorjahr einen Überschuss von 2,5 Prozent des BIP erwirtschaften konnte, rund 954 Millionen Euro. 

Ein leichtes Defizit in Höhe von 42 Millionen Euro wurde nur noch dem kommunalen Sektor zugeschrieben. 2008 blieb es bei einer vorsichtigen Haushaltsplanung. Trotz Steuererleichterung wie der Anpassung der Tabellen an die Inflation und der Einführung des Kinderbonus sah die Regierung unterm Strich einen leichten Überschuss der gesamten öffentlichen Hand vor. 

Die Finanzpolitiker beobachten mit sorgenvoller Miene die Entwicklung am Finanzplatz. Es ist kein Geheimnis, dass vor allem die Steuereinnahmen des Finanz- und Dienstleistungssektors mit all seinen Verästelungen die Staatskasse füllen und den Politikern Wohltaten erlauben. Die Regierung hatte sich folgerichtig vorgenommen, den Finanzplatz Luxemburg abzusichern und seine Entwicklung weiter zu fördern. Luc Frieden ist soweit zuversichtlich: "Wir haben unsere Mission erfüllt". Trotz widriger Umstände habe sich das Finanzwesen im Großherzogtum auch in den vergangenen vier Jahren gut enwickelt. Mit der Agentur LuxembourgforFinance soll zudem die Vermarktung der hiesigen Dienstleistungen im Ausland verbessert werden. Alles also in bester Ordnung? Kurfristig vielleicht. Aber mittel- und langfristig wird weiter vor der Rentenmauer gewarnt. Die "versteckte Schuld" bereitet Kopfzerbrechen und dürfte in der kommenden Legislaturperiode die Gemüter wieder heftiger erregen. Spätestens 2025 sollen die Sozialversicherungen rote Zahlen schreiben und sich die Reserven rasch leeren. Die EU-Kommission rechnete schon mal vor, dass sich die Verschuldung Luxemburgs zur Finanzierung von Renten- und Pensionsansprüchen um 2050 auf 200 Prozent des BIP belaufen könnte. 

Die Hausaufgaben

Erledigt:

Das mittelfristige Ziel eines ausgeglichenen Haushalts der gesamten öffentlichen Hand bis 2009 dürfte erreicht werden. 

– Die Schuld der öffentlichen Hand blieb über die vier Jahre niedrig: unter sieben Prozent des BIP. 

– Das Haushaltsverfahren wurde überarbeitet und seit 2007 erscheint ein dritter Band des Haushalts laut EU-Vorgaben. 

Quelle: Luxemburger Wort, 19. August 2008. Laurent Zeimet