Die Energieversorgung – die Achillesferse vor dem Zerreißen

Angesichts der prekären Energieversorgung mit permanent steigenden Energiepreisen blicken die Menschen mit Sorgen in die Zukunft, es wird aber immer stärker bewusst, dass durch den wachsenden Energieverbrauch das Klima unserer Erde in einem hohen Maß verändert wird. Eine freie Tribüne von Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter

Das Problem der Begrenztheit der fossilen Energievorräte sowie die massive Erhöhung der Preise für Erdgas und Erdöl stehen im Mittelpunkt der energiepolitischen Diskussionen. Die prekäre Erdöl- und Erdgasversorgung lässt sich schwer einschätzen, da die Ursachen vielschichtig und komplex sind. Bedingt durch den Energieverbrauch der boomenden Wirtschaften in den Schwellenländern u.a. China, Indien, Brasilien und Indonesien sowie einigen aufstrebenden Entwicklungsländern, müssen die Industrieländer den „Energiekuchen“ mit immer mehr Menschen teilen. 

Aber nicht nur an der Front der Energieversorgung blicken die Menschen mit Sorgen in die Zukunft, vielmehr werden sie sich bewusst, dass durch den hohen Energieverbrauch das Klima der Erde in einem hohen Maß verändert wird. Auch wenn die Menschen in den Industrieländern sich dem Gedanken zuwenden müssen, dass die Zeit der billigen Energie vorbei ist, so hat die rezente Studie des US-Geheimdienstes eindeutig bewiesen, dass der Klimawandel in einem erschreckenden Maß zur Destabilisierung von Ländern führen kann. Einer erhöhten Gefahr sind die Länder in der Sahel-Zone, im Nahen und Mittleren Osten sowie in Südostasien ausgesetzt. Die Dürren und die im Gefolge aufkommenden Hungersnöten treiben die Menschen in die schiere Verzweiflung und lassen nur noch den Weg der Emigration zu den reichen Ländern offen. 

Der weltweite Energieverbrauch wird laut den jüngsten Prognosen der Internationalen Energieagentur um 55 Prozent bis 2030 höher liegen als heute. Die treibenden Faktoren sind die Zunahme der Weltbevölkerung von heute 6,6 Milliarden auf 10 Milliarden Menschen sowie der wirtschaftliche Nachholbedarf der Schwellen- und Entwicklungsländer. Im Jahr 2030 werden Erdöl, Erdgas und Kohle dann noch immer 83 Prozent des weltweiten Energiehungers decken. Eingedenk der Schlussfolgerungen der Klimakonferenzen der letzten Jahre muss die Deckung des wachsenden Energiebedarfs verstärkt mit ökologischen und wirtschaftlichen Zielen in Einklang gebracht werden. 

Wenn die Industrieländer die Achillesferse – sichere Energieversorgung – nicht überstrapazieren möchten und sich nicht vollends in die gefährliche Abhängigkeit der Erdöl- und Erdgaslieferanten begeben möchten, dann müssen umgehend neue Energietechnologien entwickelt sowie die Nutzung der erneuerbaren Energiequellen erhöht werden. Die Abhängigkeit der Europäischen Union von Erdgas- und Erdölimporten wird sich von heute 50 auf 80 Prozent im Jahr 2030 erhöhen. Gegenüber Russland weist die Europäische Union heute bereits eine Abhängigkeit von 40 Prozent beim Erdöl und 30 Prozent beim Erdgas auf. Sie ist deshalb gut beraten, das Wirtschaftswachstum vom Energieverbrauch zu entkoppeln und so langfristig ihre Energieversorgungssicherheit zu erhöhen. 

Dieses Umdenken braucht Zeit, dies wird durch den Bau der neuen Erdgaspipelines durch die Ostsee (North Stream), durch die Türkei und über den Balkan (South Stream und Nabucco) unter Beweis gestellt, die EU-Abhängigkeit wächst derzeit noch. Und trotzdem ist die EU gewillt, den Energieverbrauch um 20 Prozent und die CO2-Emissionen um 20 Prozent bis 2020 zu verringern. Bedingt durch den Höhenflug der Energiepreise werden die Wirtschaftssektoren gezwungen, die Energie noch effizienter einzusetzen, werden sparsamere Heizungen und Autos auf den Markt gesetzt, wird in die Forschung der erneuerbaren Energien investiert und dies nach dem Motto:„Je teurer das Erdöl und das Erdgas werden, desto lohnender wird jede Investition, die unsere Abhängigkeit verringert.“ 

Die EU hat die Nutzung der erneuerbaren Energiequellen auf ihre Fahne geschrieben und möchte deren Anteil am Endenergieverbrauch im Jahr 2020 auf 20 Prozent anheben. Theoretisch können diese Energiequellen eine sichere, umweltfreundliche und erschwingliche Energie aus einheimischen Quellen liefern, die nicht durch Versorgungsunterbrechungen gefährdet ist und darüber hinaus steigert die technologische Entwicklung die Wettbewerbsfähigkeit und bietet bereits Hunderttausenden Menschen eine dauerhafte Arbeit. Bei hohen Investitionen in die Forschung und die Entwicklung im Hinblick auf eine wirtschaftliche Nutzung können diese Ressourcen einen umweltfreundlichen und wirtschaftlich akzeptablen Beitrag zur Lösung zahlreicher Fragen im Zusammenhang mit der langfristigen Energieversorgung Europas leisten.

Die Konferenz von Dschidda und ihr offenes Ende 

Die vor kurzem von Saudi-Arabien nach Dschidda einberufene Erdölkonferenz hatte wohl große Hoffnung auf fallende Energiepreise geweckt, aber diese sollte sich als Illusion entpuppen; nur eine belanglose Erklärung wurde abgegeben. Die Ankündigung, dass Saudi-Arabien und Kuwait ihre Produktion um einige 100.000 Barrel pro Tag erhöhen wollen, kann den Markt nicht beruhigen, allein das erstgenannte Land wird seine Förderung von 9,0 auf 9,7 Millionen Barrel pro Tag erhöhen. Angesichts des weltweit wachsenden Erdölverbrauchs ist dies zuwenig um Stabilität herbeizuführen. Die globale Erdölproduktion stagniert seit drei Jahren bei etwa 85 Millionen Barrel pro Tag. Nur das Versprechen, Saudi-Arabien werde hohe Investitionen tätigen, um die Fördermenge auf 12,5 Millionen Barrel pro Tag bis Ende 2009 anzuheben, stellt den einzigen Lichtblick dar. 

Der Krisengipfel der „global player“ in Sachen Erdöl ist gescheitert und die Preisspirale dreht sich nun unentwegt weiter nach oben. Das düstere Szenario der Investmentbank Goldmann Sachs, wonach sich die Erdölverbraucher auf ein Niveau von 200 $ pro Barrel einstellen müssen, hatte den Erdölmarkt in Panik versetzt. Die Verlautbarung auf der in Leipzig stattgefundenen Konferenz von Alexei Miller, Chef des russischen Erdöl- und Erdgaslieferanten Gazprom, er erwarte für 2009 einen Erdölpreis von 250 $ pro Barrel hat den Markt sicher nicht beruhigt. Aber warum musste es zu dieser verheerenden Abhängigkeit kommen und wie sollen sich die Industrieländer aufstellen, um ihre Achillesferse zu schützen? 

Sieht man sich die endlosen Blechlawinen auf unseren Strassen an, die mit den Erdölderivaten bewegt werden, sowie die Verschleuderung der thermischen Energie in den Gebäuden und Häusern, so dürfte die Abhängigkeit eher wachsen als verringert werden. Ein umweltverträgliches und ausgeglichenes Wirtschaftswachstum verlangt den Abschied vom Konsumverhalten, welches die Belange von Menschen und Umwelt außer Acht lässt. Es muss die gemeinsame Aufgabe aller 27 EU-Mitgliedstaaten werden, das wirtschaftliche Handeln so zu gestalten, dass die natürlichen Grundlagen, denen wir unser Überleben verdanken, so beansprucht werden, dass die langfristigen Umweltinteressen Vorrang vor den kurzfristigen Wirtschaftsinteressen haben. Das Bewusstsein muss wachsen, dass die Zeit der Verschwendung von natürlichen Ressourcen sich dem Ende zuneigen muss. 

In der Klima- und Energiepolitik hat die Europäische Union wichtige Weichen gestellt, wir befinden sich einer Aufbruchstimmung. Wir wollen die Vorreiterrolle bei der Bewältigung des Klimawandels übernehmen und die wettbewerbsfähige Energieversorgung aufbauen. Die erhöhte Innovation in die Energieeffizienz und die breite Nutzung der erneuerbaren Energien sowie die Umwandlung der europäischen Wirtschaft zu einem Vorbild für nachhaltige Entwicklung im 21. Jahrhundert stellen die Eckwerte dieser ambitiösen Politik dar. Die Frage ist nicht, ob sich unsere Energiesysteme ändern werden, das tun sie bereits, sondern ob wir mit dem Resultat leben können. Es sei jedoch auch auf die Möglichkeit hingewiesen, die sich durch eine verstärkte Zusammenarbeit Im Bereich der Nutzung der überschüssigen elektrischen Energie aus den sonnenreichen Ländern u.a. Marokko, Mauretanien und Algerien durch die Errichtung eines Stromverbundsystems. 

Um die wichtigen Veränderungen bezüglich der nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft einzuleiten, bedarf es der Diskussion mit den Bürgern und der Wirtschaftpartner. Die Zeit ist nun reif, durch den eigenen Mentalitätswandel dem Klimawandel zu begegnen. Wenn dieses Unterfangen scheitern wird, dann dürfte die Achillesferse reißen.

Dr.-Ing. Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter

Weiterführende Literatur

http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/maerkte/:Energieversorgung
http://www.welt.de/finanzen/article2132742/Glos_befuerchtet_weiter_steigende_Oelpreise.html