Armut in Luxemburg – alles nur eine Sache der Definition ?

Mit dem Anstieg des Erdölpreises und der Grundnahrungsmittel in den letzten Monaten, wurde auch die Diskussion über Armut in Luxemburg neu belebt. So steht außer Frage, dass die hohe Inflationsrate vor allem jene belastet, die ein niedriges Einkommen haben. Mehr Geld für Lebensmittel, Heizung und Benzin ausgeben zu müssen, belastet überdurchschnittlich all jene, die „gerade so“ über die Runden kommen. Eine Freie Tribüne von Marc Spautz im “Soziale Fortschrëtt”

Zwar kann man in Luxemburg nicht von absoluter Armut sprechen, da im internationalen Sprachgebrauch an den Bergriff „Armut“ andere Maßstäbe angelegt werden – so werden dort alle, die pro Tag weniger als 1 Dollar zur Verfügung haben, als arm bezeichnet. In den Industriestaaten hingegen, so auch in Luxemburg wird deshalb von relativer Armut gesprochen. Dies ist dann der Fall, wenn man mit weniger als 60% des durchschnittlichen Einkommens auskommen muss. 14% der Haushalte in Luxemburg sind davon betroffen.

Dabei muss beachtet werden, dass Armut ein sehr heterogenes Phänomen darstellt und je nach Gesellschaftsform, sozialer Rolle und Geschlecht funktioniert. Ohne staatliche Zuwendungen – die so genannten Transferts- und Sozialleistungen wie Kindergeld, Erziehungszulage, RMG, Arbeitslosengeld, wären noch viel mehr Leute in Luxemburg von Armut betroffen. Und zwar nicht 14 sondern 23,8% der Haushalte. Zwar ist nicht belegt, dass in den letzten Jahren die Armut angestiegen sei, aber weniger sei sie auch nicht geworden. Dies sollte uns alle zu denken geben, vor allem, wenn man sich bewusst macht, dass Luxemburg in den letzten Jahren ein überdurchschnittliches Wachstum verzeichnete.

Der Schlüssel zur Armutsvermeidung ist die sozial abgesicherte Beschäftigung. Aber was tun, wenn dies nicht möglich ist? Wenn Mütter nicht arbeiten gehen können, da einerseits Kinderversorgungsinfrastrukturen nicht in dem Umfang bestehen, wie sie gebraucht werden, andererseits sie auch zu teuer sind? Wenn Jugendliche an unserem Schulsystem scheitern, da sie die geforderten Sprachkompetenzen nicht haben? Wie sieht deren berufliche und auch familiäre Zukunft aus? Wie soll man sich in Luxemburg eine Wohnung, eine Familie leisten können, wenn man mit dem Mindestlohn auskommen muss?

Luxemburg hat noch lange nicht all seine Hausaufgaben gemacht!

Es ist richtig, dass im Bereich des Inflationsanstieges der Einfluss von außen dominant ist, was aber nicht heißt, dass nicht auch im Land selbst reagiert werden könnte. Wie sieht es denn mit der Anhebung der Elternbeiträge im Bereich der Kinderbetreuung aus? Oder auch mit den Kosten und Gebühren, die die Gemeinden auf die Einwohner umlegen? Und was die steigenden Kosten betrifft, um im alltäglichen Leben überleben zu können, so ist leider das Ende der Fahnenstange nicht absehbar. Hier ist vor allem die Regierung gefordert, die Maßnahmen die Staatsminister Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage der Nation angekündigt hatte, sind ein Schritt in die richtige Richtung.

Gefordert ist auch der Bereich Schule. Vorraussetzung für gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt ist eine gute Bildung. Hier aber ist in Luxemburg die Chancengleichheit nicht garantiert: Kinder mit Migrationshintergrund respektive Kinder von Mindestlohnbeziehern haben nur selten höhere Schulabschlüsse. Und genau hier müsste angesetzt werden. Wie können wir bereits in der Primärschule Chancengleichheit gewährleisten? Die vorliegende Reform des Schulgesetzes von 1912 weist zumindest in die richtige Richtung und es ist zu hoffen, dass über die Diskussion der Gehälter der Lehrer dieser Ansatz nicht verloren geht!

Armut ist in Luxemburg leider eine Realität. Aber keine, die nicht verändert werden könnte. Erforderlich sind unter anderem Reformen in der Bildung, in der Ausbildung – Schlüssel für die Erlangung einer Qualifikation, die es jedem ermöglichen sollte eine Arbeit zu erhalten, die einem ein Gehalt garantiert, was einem ein Leben über der definierten Armutsgrenze ermöglicht.

Marc Spautz, LCGB Generalsekretär, CSV Abgeordneter

Quelle: Soziale Fortschrëtt, Juni 2008