Minister Luc Frieden im Wort Interview. Im Grunde war 2007 wieder ein Rekordjahr für den Finanzplatz. Allerdings führten hohe Wertberichtigungen in Folge der Auswirkungen der internationalen Finanzkrise dazu, dass das Nettoresultat schwächer als im Vorjahr ausfiel. Für Budgetminister Luc Frieden, der auch zuständiger Minister für den Finanzplatz ist, wird 2008 ein von Unsicherheiten geprägtes Jahr. Mit tiefen Erschütterungen rechnet er zwar nicht, dafür aber mit geringeren Steuereinnahmen. Für den Minister ist der gesetzliche Rahmen die Basis für einen erfolgreichen und vielseitigen Finanzplatz, der neue Märkte wie China, Indien oder die Golfstaaten hinzugewinnen muss
Luxemburger Wort: Luxemburgs Finanzplatz blickte trotz Turbulenzen auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Getrübt wird das Ergebnis jedoch durch hohe Provisions-Rückstellungen, womit das Nettoergebnis der Banken unter dem Niveau des Vorjahres liegt. Hat die Krise den Finanzplatz doch stärker erwischt als zunächst angenommen?
Luc Frieden: Richtig ist eher, dass es nicht die Krise selbst, wohl aber deren Ausläufer sind, welche sich in den Bilanzdaten der hiesigen Banken widerspiegeln. Die Banken in Luxemburg waren nur in geringem Ausmaß in den direkt betroffenen Marktsegmenten, insbesondere an den "Subprime"-Aktiva, beteiligt. Die allgemeine Vertrauenskrise im Finanzsektor hat jedoch dazu geführt, dass das Interbankengeschäft stark geschrumpft ist, obwohl die erhöhten Zinsmargen dies zum Teil wieder ausgleichen können. Darüber hinaus hat der allgemeine und zum Teil sicher übertriebene Werteverfall zahlreicher Finanzinstrumente die Banken gezwungen, erhebliche Wertberichtigungen in ihren Bilanzen vorzunehmen, welche oft fälschlicherweise mit Abschreibungen oder Verlusten verwechselt werden. Konkret bedeutet dies, dass trotz eines erfolgreichen Geschäftsjahres 2007 mit einem starken Ergebnis vor Rückstellungen und Wertberichtigungen das Nettoresultat schwächer aussieht.
Luxemburger Wort: Kann man wirklich davon sprechen, dass Luxemburgs Finanzplatz bisher glimpflich davon gekommen ist, wenn bei Glitnir oder der American Express Bank massiv Stellen gestrichen werden müssen?
Luc Frieden: Sie zitieren zwei Ausnahmefälle, welche weder massiv noch repräsentativ für die Entwicklung am Platz sind. Die neuesten Zahlen zeigen, dass in den letzten zwölf Monaten netto 1.300 neue Arbeitsplätze im Finanzsektor geschaffen wurden. Das ist ein Zuwachs von sage und schreibe fünf Prozent. Qualifiziertes Personal bleibt nach wie vor gesucht.
Luxemburger Wort: Nach den ersten drei Monaten liegt das Ergebnis der Banken laut Schätzungen der CSSF um 20 Prozent unter dem Vorjahr. Wird 2008 ein schwieriges Jahr?
Luc Frieden: Natürlich wird wegen der internationalen Lage auf den Finanzmärkten 2008 ein Jahr mit großen Unsicherheiten. Das Ergebnis der Banken kann man nicht mit einer Momentaufnahme bewerten, sondern erst im Herbst oder Winter 2008.
Luxemburger Wort: Was bedeutet ein Jahr mit großen Unsicherheiten für die Budgetplanungen?
Luc Frieden: Ich denke, dass wir 2008 weniger Körperschaftssteuer und weniger "Taxe d’abonnement" einnehmen werden. Ich plädiere für eine vorsichtige Budgetpolitik auch für 2009 und 2010 wegen der möglichen Auswirkungen der aktuellen Situation auf die Staatseinahmen der Zukunft.
Luxemburger Wort: Auf die internationalen Rahmenbedingungen hat Luxemburg nur wenig Einfluss. Was kann die Regierung unternehmen, um die Auswirkungen der aktuellen Situation in Grenzen zu halten?
Luc Frieden: Wir müssen den Finanzplatz weiter ausbauen, unter anderem indem wir neue Märkte wie China, Indien oder die Golfstaaten hinzugewinnen.
Luxemburger Wort: Ist die Abhängigkeit der Luxemburger Töchter von großen Mutterkonzernen in der Krise eher ein Vor- oder Nachteil?
Luc Frieden: Diese Frage kann man nur schwer mit einem allzeit gültigen "Ja" oder "Nein" beantworten. Abhängigkeit von einer starken Mutter bedeutet selbstverständlich einen größeren Schutz in schwierigen Lagen. Abhängigkeit von einer angeschlagenen Mutter bedeutet ebenso, dass man Gefahr läuft, deren Schicksal zu teilen. Dass die meisten in Luxemburg ansässigen Banken in große, starke Konzerne eingebunden sind, darf man getrost als Vorteil für die Standfestigkeit des Platzes werten.
Luxemburger Wort: Anscheinend sind vor allem die deutschen Landesbanken tief in die Krise geraten. Erwarten Sie konkrete Auswirkungen auf die deutschen Landesbankentöchter in Luxemburg?
Luc Frieden: Einige Landesbanken hatten in der Tat in Deutschland mit Problemen zu kämpfen, welche aber – auch durch das Einschreiten der öffentlichen Hand – gelöst werden konnten. Sollte es in der Folge zu Veränderungen in der Landesbankenstruktur kommen, würden diese, wie bereits in der Vergangenheit, auch bei den Töchtern nachvollzogen werden. Im Endeffekt findet sich der Platz dann meist mit weniger, aber stärkeren Instituten, mit erhöhtem Geschäfts- und Gewinnpotenzial, wieder.
Luxemburger Wort: Im Zuge der Krise sind die Diskussionen über eine zentrale Finanzaufsicht wieder aufgeflammt. Was halten Sie von solchen Plänen?
Luc Frieden: Im Gegenteil, man könnte eher behaupten, diese Diskussionen sind – zumindest für die voraussehbare Zukunft – "ad acta" gelegt worden. Von 27 EU-Mitgliedsstaaten konnten sich nur sehr wenige für die Idee einer zentralen Finanzaufsicht erwärmen. Deshalb hat man sich beim informellen Ecofin-Rat im April darauf geeinigt, bei grenzüberschreitend tätigen Finanzgruppen verstärkt auf die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden im Rahmen sogenannter "Colleges" zu setzen. Dieser Ansatz, welcher sowohl die Oberaufsichtspflicht des Heimatlandes als auch die lokale Kompetenz der Gastländer respektiert, entspricht vollauf den luxemburgischen Vorstellungen.
Luxemburger Wort: Außerdem wurde von der Aufstellung neuer Rahmenbedingungen gesprochen, mit deren Hilfe das Finanzgeschäft wieder weltweit auf solide Füße gestellt werden soll. Was ist darunter zu verstehen?
Luc Frieden: Bereits im Oktober 2007 haben sich die Finanzminister der EU auf einen Arbeitsplan geeinigt, um angesichts der Marktturbulenzen die Rahmenbedingungen des Finanzsystems zu stärken. Dieser Plan verfolgt vier Ziele: eine Verbesserung der Datentransparenz zugunsten der Investoren, Märkte und Aufsichtsbehörden, eine Verbesserung der Bewertungsregeln, eine Stärkung der Aufsichtsregeln und des Risikomanagements sowie eine Verbesserung der Marktfunktionen, insbesondere betreffend die "Rating"-Agenturen. Diese Ziele entsprechen durchgehend den Empfehlungen des "Financial Stability Forum", welche inzwischen auch von den G-7 Staaten angenommen wurden. Die EU hat sich zur Erreichung dieser Ziele einen präzisen Arbeitskalender gegeben, welcher zügig und pünktlich bis 2009 aufgearbeitet wird. Der Ecofin-Rat vom 14. Mai hat dieses ehrgeizige Programm bestätigt.
Luxemburger Wort: Beim Ecofin-Rat am 14. Mai stand auch das Thema Zinsbesteuerung auf der Tagesordnung. Eigentlich sollte Bilanz der letzten fünf Jahre gezogen werden. Wie sind die Erfahrungen Luxemburgs?
Luc Frieden: Die EU-Kommission wird im Herbst eine erste Bilanzierung der Richtlinie vorlegen. Ich kann aus Luxemburger Sicht nur sagen, dass das System der Quellensteuer in den letzten zwei Jahren gut funktioniert hat und zu einer effizienten Besteuerung der Zinserträge der Nichtansässigen geführt hat.
Luxemburger Wort: Im Zuge der Liechtenstein-Affäre wurde viel über das Bankgeheimnis diskutiert. Wie lange noch kann sich Luxemburg dem Druck großer Staaten wie Deutschland oder Frankreich wehren, die auf eine Abschaffung des Bankgeheimnisses drängen?
Luc Frieden: Alle 15 EU-Staaten haben 2003 zugestimmt, dass die Kombination Bankgeheimnis und Quellensteuer gleichwertig mit dem System des Informationsaustausches ist. Was 2003 richtig war, auch in Kombination mit Drittstaatenregelung in diesem Zusammenhang, scheint mir 2008 nicht falsch. Der Schutz der Privatsphäre bleibt für uns wichtig.
Luxemburger Wort: In schwierigen Zeiten wird verstärkt auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Standortes geblickt. Wie steht es um die Wettbewerbsfähigkeit des Luxemburger Finanzplatzes?
Luc Frieden: Gut, wie das kontinuierliche Wachstum des Finanzplatzes in den letzten Jahren beweist. Aber wir werden weiter an der Kompetitivität des Finanzplatzes arbeiten. Der gesetzliche Rahmen ist die Basis für einen erfolgreichen und vielseitigen Finanzplatz.
Luxemburger Wort: Der Finanzplatz hat auch im vergangenen Jahr wieder mehr Stellen geschaffen. Allerdings nur in geringem Maße mit Arbeitskräften vom nationalen Arbeitsmarkt. Wie kann man dieses Ungleichgewicht ausgleichen?
Luc Frieden: Wir müssen den Jugendlichen in Luxemburg immer wieder zeigen, dass der Finanzplatz viele Chancen und Möglichkeiten für sie bietet.
Luxemburger Wort: Letzte Frage: Die von Ihnen maßgeblich mitgestaltete Agentur zur Promotion des Finanzplatzes – "LuxembourgforFinance" – nahm am 1. Januar ihre Tätigkeit auf. Wie fällt die bisherige Bilanz aus?
Luc Frieden: Positiv. Es wurde viel gearbeitet, aber es ist sicherlich noch zu früh, um wirklich Bilanz zu ziehen. Eine professionelle Kommunikation über den internationalen Finanzplatz Luxemburg im Ausland, an der ich mich öfters beteilige, scheint mir in einer globalen Wirtschaft wesentlich.
Wort, 23. Mai 2008, Andreas Holpert