Premierminister Jean-Claude Juncker im Wort-Interview über sein Treffen mit dem US-Präsidenten George W. Bush.
Luxemburger Wort: Herr Premierminister, das Treffen mit US-Präsident George W. Bush wurde relativ kurzfristig anberaumt. Wie kam es zu diesem Spitzengespräch im Weißen Haus?
Jean-Claude Juncker: Der Präsident der Vereinigten Staaten hat mich am Rande des Nato-Gipfels Anfang des Monats in Bukarest spontan eingeladen. Wissend, dass ich im Rahmen des G-7 ohnehin nach Washington reisen würde. Die Einladung entspricht der sympathischen Art und Weise von Präsident Bush, der ein sehr einnehmender Mensch ist, den ich deshalb auch schätze.
Luxemburger Wort: Dabei ist der US-Präsident aber auch ein Staatsmann, mit dessen konkreter Politik Sie nicht immer einverstanden waren, oder?
Jean-Claude Juncker: Das stimmt. Es gab natürlich harte und teils heftige Auseinandersetzungen auf der internationalen Bühne. Ich denke da zum Beispiel an den Irak-Krieg, oder an andere Teilelemente der Politik von George W. Bush. Er war vor diesem Hintergrund kein einfacher Partner für Europa. Doch ich denke, er hat auch diejenigen, die andere Positionen vertreten haben als er selbst stets respektiert. Und sehen Sie, eins ist für uns besonders wichtig. Bush hat Luxemburg auf seinem Radar. Wir zählen für den Präsidenten.
Luxemburger Wort: Sie sprechen ganz klar von einem schwierigen Partner. Hat die Bush-Administration nicht dazu beigetragen, dass sich das transatlantische Klima zusehends verschlechtert hat?
Jean-Claude Juncker: Wie gesagt: Bush war für Europa ein schwieriger, aber berechenbarer Partner. Für ihn war aber stets die Qualität des transatlantischen Miteinanders wichtig. An dieser Grundhaltung hat sich nichts geändert. Erlauben Sie mir, an dieser Stelle auf das Engagegemt des luxemburgischen EU-Ratsvorsitzes im ersten Halbjahr 2005 zu erinnern. Da galt es, eine Aufgabe mit einem gewissen Schwierigkeitsgrad zu lösen. Fakt ist, dass auf beiden Seiten das Verständnis für die Positionen des anderen geschärft werden konnte. Das allgemeine Klima wurde besser. Nicht zuletzt durch die Visite des US-Präsidenten bei den EU-Spitzen am 22. Februar 2005.
Luxemburger Wort: Und was ist das politische Erbe von Präsident Bush, der vor dem Ende seines zweiten und letzten Mandats steht?
Jean-Claude Juncker: Noch ist es zu früh, eine endgültige Bilanz zu ziehen. Man kann allerdings jetzt schon sagen, dass die Präsidentschaft Bush wie kaum eine andere von Höhen und Tiefen geprägt war. Auch in der Außenwirkung dessen, was passierte. Erinnern Sie sich nur an Aussagen europäischer Spitzenpolitiker nach dem 11. September. Uneingeschränkte Solidarität, hieß es damals. Beim Irak-Konflikt kam danach die Wende. Meines Erachtens, aus der Sicht des luxemburgischen Premierministers ebenso wie aus dem Blickwinkel eines Europäers, war und ist es immer noch richtig, für ein gutes Verhältnis mit den Vereinigten Staaten zu plädieren.
Luxemburger Wort: Bei Ihrem Treffen mit George Bush zogen Sie am Mittwochabend auch Bilanz des jüngsten Nato-Gipfels. Sie unterhielten sich ferner über die bilaterale Runde von Putin und Bush in Sotschi. Kam es dort tatsächlich zu einer amerikanisch-russischen Annäherung?
Jean-Claude Juncker: Der amerikanische Präsident geht davon aus, dass es zu einer Annäherung kam. Dadurch, dass die USA sich bewegt und einen Schritt in Richtung Russland gemacht haben. Genau das entspricht dem, was die Europäische Union wollte. Was das Thema Georgien und Ukraine anbelangt, so begrüßt der US-Präsident die Perspektive, die beide Länder in die Strukturen der Allianz führen soll.
Luxemburger Wort: Die Tibet-Frage ist zurzeit von höchster politischer Brisanz. Haben Sie sich auch mit dem US-Präsidenten über einen möglichen Boykott der Olympischen Spiele oder der Eröffnungsfeier in Tibet unterhalten?
Jean-Claude Juncker: Ja, das haben wir. Wir haben bei unserem 80-minütigen Treffen quasi sämtliche aktuellen Themen erörtert. Was nun die Tibet-Frage angeht, so ist George W. Bush gewillt, an der Eröffnungsfeier teilzunehmen. Das hat er klar zum Ausdruck gebracht. Und das ungeachtet möglicher innenpolitischer Folgen. Der Präsident geht davon aus, dass ein ordentliches Arbeitsklima zwischen dem US-Präsidenten und der chinesischen Führung im Interesse aller interessierten Parteien ist.
Luxemburger Wort: Nun könnte man annehmen, Ihr Treffen mit Präsident Bush sei eine Art Empfehlungsvisite für höhere europäische Aufgaben gewesen. Hat Ihr Gastgeber das Thema permanente Ratspräsidentschaft angesprochen?
Jean-Claude Juncker: George W. Bush hat mich gefragt ob ich noch einmal als Regierungschef in Luxemburg antreten werde.
Luxemburger Wort: Die aktuelle Finanzkrise und der schwache Dollar werden zentrale Themen beim G-7 in Washington sein. Für die Finanzminister und Notenbankchefs der führenden Industriestaaten stehen schwierige Beratungen an. Was war Ihre Botschaft an Präsident Bush?
Jean-Claude Juncker: Es war wichtig, dem Präsidenten die europäischen Einschätzungen darzulegen. Der schwache Dollar wird Europa Wachstumsprobleme bescheren. Binnen 24 Monaten verzeichnete der Dollar gegenüber dem Euro ein Minus von 30 Prozent. Allein seit der letzten G7-Runde im Februar verlor die US-Währung sieben Prozent. Unseren exportorientierten Industrien bereitet das Probleme. In der Öffentlichkeit verstärkt sich der Druck, diese Entwicklung zu beenden. Bekommen wir die exzessive Volatilität der Wechselkurse nicht in den Griff, kann es zu protektionistischen Eingriffen kommen. Ich habe bei Präsident Bush dafür plädiert, dass die US-amerikanische Politik für einen starken Dollar sorgen muss.
Quelle: Luxemburger Wort, 11. 4 2008, Marc Glesener