Dem Vergessen entreißen

Nach seinem Besuch in Uganda zieht Kooperationsminister Jean-Louis Schiltz ein positives Fazit der Zusammenarbeit mit dem UNHCR und betont die Entschlossenheit, im Rahmen der Luxemburger Kooperationspolitik ebenfalls den „vergessenen“ Krisen in der Welt eine besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

Herr Minister, bei der humanitären Hilfe legt Luxemburg auch einen Schwerpunkt auf die Flüchtlinge in Uganda. Warum gerade Uganda? 

Weil in Uganda eine jener vergessenen Krisen sich ausbreitet, die wir wieder ins Licht der Öffentlichkeit holen wollen und denen in der internationalen Kooperationspolitik leider nur ungenügend Rechnung getragen wird. Uganda wird von mehreren Flüchtlingskrisen gleichzeitig heimgesucht: nach einem seit 1986 wütenden Bürgerkrieg wurden bis heute 1,8 Millionen Menschen aus ihrem gewohnten Lebensgebiet in Uganda vertrieben; gleichzeitig kommen hunderttausende von Flüchtlingen aus dem Sudan, Kenia, Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo hinzu. Uganda wollen wir helfen, weil dieses Land mit seinen enormen Problemen in der öffentlichen Wahrnehmung leider nur allzu wenig, wenn überhaupt zur Kenntnis genommen wird.

Sie haben gerade, mit dem UN-Hochkommissar für Flüchtlingsfragen, Antonio Guterres, Uganda bereist und dort die Situation der Flüchtlinge hautnah erlebt. Welche Eindrücke haben Sie mit nach Luxemburg genommen?

Mein Fazit ist ein global positives, auch wenn man natürlich, angesichts der Situation dieser unglücklichen Menschen, nur sehr bedingt von positiven Eindrücken sprechen kann. Optimistisch hat mich vor allem die Tatsache gestimmt, dass mittlerweile die Rückkehr von tausenden von Flüchtlingen in den Südsudan begonnen hat, was vor einigen Jahren noch nicht in diesem Maße absehbar war. Auch die Zustände in den Auffangstrukturen haben sich maßgeblich, wenn auch auf einem weiterhin niedrigen Niveau verbessert. Ich denke, dass die Rückkehr der südsudanesischen Flüchtlinge in ihre Heimat zu einem idealen Zeitpunkt vonstatten geht, in Anbetracht auch der Tatsache, dass für 2011 ein Referendum über die eventuelle Unabhängigkeit des Südsudans ansteht. Die Menschen wollen und können so am Aufbau ihrer Heimat mitwirken. Mein Einblick in die Flüchtlingslager hat mir aber auch die Erkenntnis gebracht, dass von einer kurzfristigen Rückkehr der kenianischen Flüchtlinge noch keine Rede sein kann. 

Exzellente und professionelle Arbeit des UNHCR

Wie beurteilen Sie die Arbeit des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge in Uganda, mit dem Luxemburg prioritär auf diesem Gebiet zusammenarbeitet?

Ich bin beeindruckt von der exzellenten und professionellen Arbeit, die das UNHCR bei der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik in Uganda Tag für Tag unter schwierigen Bedingungen leistet, und ich fühle mich bestätigt in der Wahl dieser UN-Agentur als einer unserer Hauptpartner. Ich verstehe es auch als ein Zeichen von Anerkennung des luxemburgischen Engagements, dass UN-Hochkommissar Antonio Guterres diese Reise gemeinsam mit dem Kooperationsminister unseres Landes unternahm. Unsere Partnerschaft ist von gegenseitiger Anerkennung geprägt.

Welchen Eindruck haben Sie von der Kooperationsbereitschaft der Regierung Ugandas bekommen?

Das Verhalten der ugandischen Autoritäten im Ungang mit dem vielen Flüchtlingen aus den direkten Nachbarländern ist vorbildlich. Sie zeigen sich in jeder Hinsicht offen für das Schicksal dieser armen vertriebenen Menschen und drängen in keiner Hinsicht auf deren Rückkehr. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass sie ehrlich bestrebt sind, alles zu unternehmen, um deren Aufnahme optimal zu gestalten. Dieses Vorgehen hebt sich angenehm von dem ab, was ich z.B. in Flüchtlingslagern im Sudan beobachten konnte. Es ist dies ein Grund mehr, Uganda in dieser Krise aus der Vergessenheit herauszuhelfen und im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unterstützen.

Die Friedensverhandlungen zur Beendigung des Bürgerkrieges zwischen der ugandischen Regierung und den Rebellen der Lord Resistance Army (LRA) unter Führung von Joseph Kony ziehen sich weiter hin. Eine Streitfrage bleiben noch die 2005 vom Internationalen Strafgerichtshof ausgestellten Haftbefehle u.a. gegen Kony. Wie ist Ihre Meinung in dieser Frage?

Ich bin froh darüber, dass mittlerweile nicht mehr, wie es noch vor kurzem der Fall war, tausende von Flüchtlingskindern nachts von der ugandischen Armee in Schulen bewacht und vor den Horden der LRA-Rebellen geschützt werden müssen. In dieser Hinsicht ist vieles besser geworden, doch Kony bleibt ein evidenter Fall für eine internationale Gerichtsbarkeit.

Luxemburg hat sich sowohl beim UNHCR als auch in den betroffenen Regionen vor Ort eine hohe Anerkennung durch ein beispielhaftes finanzielles Engagement in der Flüchtlingsproblematik erworben. Das ist eine Bestätigung auch Ihrer Politik…

Nun, es freut mich vor allem – und davon konnte ich mich in diesen Tagen überzeugen – dass das Geld, das wir geben, hier wirklich dank des UNHCR und aller beteiligten Stellen eine optimale Verwendung findet. Wir können hier vielen Menschen wirklich helfen, und das ist das Wichtigste. Dabei muss man bedenken, dass wir in fünf Jahren das Zehnfache dessen geben müssten, das wir heute geben, hätten wir uns nicht entschlossen, jetzt schon konsequent zu helfen. 

Quelle: Wort, 10. März 2008, Marcel Kieffer