Aufbau einer gerechten und solidarischen Welt

Bis in die 1990er Jahre hinein zweifelte man am Phänomen der globalen Erwärmung, zwischen 1945 und 1975 hatten sich die globalen Temperaturen nicht erhöht. Die Wissenschaft verfügte noch nicht über die Rechner, mit denen sie die recht komplexen Zusammenhänge im Klimageschehen analysieren konnten. Freie Tribüne von Dr.-Ing. Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter

Es waren die IPCC-Wissenschaftler, die durch ihre Aufsehen erregenden Berichte die Welt aus dem Dämmerschlaf rissen, sie hatten eindeutig bewiesen, die globale Erwärmung greift in einem erschreckenden Maß in den Naturhaushalt ein. Dieser Tatbestand wird kaum noch auf wissenschaftlicher Grundlage angezweifelt, es gibt leider immer noch Skeptiker, die nicht müde werden, der Menschheit das Gegenteil vorzugaukeln. Seit dem Beginn der Klimadatenaufzeichnungen hat sich die Temperatur der Atmosphäre um etwa 0,8 °C erhöht. 

Der permanent steigende Verbrauch an fossilen Energieträgern: Erdöl, Erdgas und Kohle erhöht die Emissionen an Treibhausgasen, die aufstrebenden Schwellenländer u.a. China, Indien, Mexiko und Indonesien beteiligen sich mittlerweile auch an dieser Spirale. Ist es nicht erschreckend, festzustellen, dass die Menschheit jährlich der Erde die fossilen Energieträger entreißt, für deren Entstehen sie aber 600.000 Jahre benötigt hat. 

Während der im Kreislauf verlaufende Kohlendioxidhaushalt der Erde sich auf etwa 770 Milliarden t CO2 beziffert, betrugen die vom Menschen verursachten Emissionen 21 Milliarden t CO2 im Jahr 2000 und bereits 28 Milliarden t CO2 im Jahr 2007, Tendenz steigend, alle Treibhausgase zusammen etwa 42 Milliarden t CO2äq. Die Klimawissenschaftler haben durch ihre Messungen festgestellt, dass sich der CO2-Gehalt auf 380 ppm hochgeschaukelt hat, gegenüber dem vorindustriellen Wert von 280 ppm; der CO2-Gehalt war seit mindestens 650.000 Jahren nicht so hoch wie heute. Und hatten nicht bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Wissenschaftler, insbesondere der Schwede Svante Arrhenius, auf die Erhöhung der globalen Temperatur als Folge der CO2-Konzentration hingewiesen. 

Als direkte Folge des ungebremsten nicht nachhaltigen Energieverbrauchs wird die Temperatur bis Ende des Jahrhunderts, je nach Region, um 1,4 bis 5,8 ° C ansteigen. Die Arktis, Sibirien, Nordkanada, das Mittelmeergebiet, das Himalaya-Gebirge und insbesondere Afrika werden von dieser Erhöhung schwer getroffen. Die Schmelzvorgänge der Gletscher, der Anstieg des Meeresspiegels, die geringeren Ernteerträge, der wachsender Hunger, die Ausbreitung der Wüsten und die damit einhergehenden Migrationsbewegungen lassen aufhorchen. Für die Menschen, welche längs der Küsten und auf den Inseln leben, werden schwierige Zeiten anbrechen. 

Das Ziel unser klimawirksamen Handlungen ist es, den Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts auf höchstens zwei Grad zu begrenzen. Deshalb müssen die CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu den Werten aus 1990, sogar um 60 bis 80 Prozent bis 2050 verringert werden. Die Lösung des anstehenden Problems kann nur lauten:« Entweder wir ändern heute unser Energieverbrauchsverhalten oder das Klima wird sich morgen noch schneller ändern, wir werden dann den Veränderungen nicht mehr gewachsen sein.“ 

Hat nicht auch Papst Benedikt XVI. anlässlich seiner Predigt an Epiphanie die Gier nach Energie- und Wasserressourcen sowie Rohstoffen angeprangert, behindert diese doch den Aufbau einer solidarischen und gerechten Welt. Bei nüchterner Betrachtung der aktuellen Lage ist man über die aufkommende Bedrohung durch den Klimawandel und das Handeln der Klimadiplomatie im Schneckentempo erschreckt.

Das Unbeherrschbare zu vermeiden und das Unvermeidbare zu beherrschen 

Es leuchtet angesichts der Erkenntnisse ein, dass wir uns, ob wir es nun wollen oder nicht, in ein Jahrhundert der Umwelt begeben. Wenn die derzeitige Plünderung unseres Planeten noch zwei oder drei Jahrzehnte wie bisher anhält, werden wir die Lebensgrundlagen so verändert haben, dass ein Zurückrudern keinen Sinn mehr ergibt. Was wir deshalb brauchen, ist die Vision eines ausgewogenen und verantwortungsvollen Fortschritts. Allein 1,8 Milliarden Menschen werden in den nächsten 20 Jahren unter Wasserknappheit leiden und 60 Prozent der globalen Ökosysteme sind bereits zerstört. 

Wir können es uns auf Dauer nicht erlauben, dass 30 % der reichsten Länder 86 % des „allumfassenden Verbrauchs“ für sich beanspruchen, derweil 20 % der ärmsten Länder mit 1,3 % abgespeist werden. Müssten wir nicht endlich zur Einsicht gelangen, dass es Zeit wird, diese „brennenden“ Probleme resolut anzugehen, besonders angesichts der traurigen Tatsache, dass noch immer 1,5 Milliarden Menschen nur über ein Einkommen von 1$ pro Tag verfügen. „Es geht jetzt darum, das Unbeherrschbare zu vermeiden und das Unvermeidbare zu beherrschen" so Hans-Joachim Schellnhuber, der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimaforschung. 

Diese Aufgabe gelingt nur, wenn die industrialisierten Länder ihren Energiekonsum verringern, die Energie mit höherer Effizienz einsetzen und die Nutzung der erneuerbaren Energien vorantreiben. Wenn die externen Kosten z.B. die Umweltschäden in die Berechnung der Energiepreise miteingerechnet werden, dann wird das Pendel zu Gunsten der erneuerbaren Energien ausschlagen, Die Wirtschaft spricht von der Internalisierung dieser Kosten und im Gefolge werden die Energieträger auf fossiler Basis immer weniger preiswert. Die Europäische Union ist federführend in der Energieeffizienz und der Nutzung der erneuerbaren Energien, dies hat sie anlässlich des EU-Gipfels im März 2007 bewiesen. 

Nichtsdestotrotz wird der weltweite Energiebedarf, bedingt durch die aufstrebenden Schwellenländer, während der kommenden Jahre bis 2030 um 60 Prozent ansteigen. Und hier sind die reichen Länder gefordert, sie werden ihren Energieverbrauch drastisch vermindern, die Kohlenstoffgerechtigkeit verlangt dies. Den derzeitigen „Energiewohlstand“ der reichen westlichen Länder seitens der Entwicklungsländer und Schwellenländer jedoch anstreben, heißt den Planeten an den Abgrund bringen. Dieser Tatbestand wird durch den ökologischen Fußabdruck hervorgehoben, eine Rechengröße, der die Ressourcen in ha Landfläche berechnet, die der einzelne Mensch benötigt, um sein Leben auf der Erde zu gestalten. Im Jahr 2001 benötigte die Weltbevölkerung durchschnittlich 2,2 ha produktiver Fläche pro Person, die Erde kann jedoch nur 1,8 ha zur Verfügung stellen, für Luxemburg als Wohlstandsland beläuft sich dieser Wert auf 8 ha; wir merken demzufolge, das System Erde kollabiert. 

Das an sich größte Problem bei der Umsetzung des nachhaltigen Konzeptes liegt allerdings in der mangelnden Bereitschaft der Industrieländer, ihre Produktions- und Konsummuster so zu verändern, dass der weltweite Raubbau an der Natur verringert wird. Die Bedeutung der Kontroverse um die globale Erwärmung ergibt sich vor allem aus den politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen, die aus den unterschiedlichen Positionen abgeleitet werden. 

Sicher, die vor uns liegenden wachsenden Umwelt- und Energieprobleme können nicht national, sondern nur auf dem Fundament einer international und langfristig angelegten Zusammenarbeit der Staaten, Wirtschaft, Bevölkerung und Politik bewältigt werden. Langfristig brauchen wir einen energiepolitischen Strukturwandel. Umweltverträgliches Wirtschaftswachstum verlangt demzufolge den Abschied von Verhaltensweisen, welche die Belange von Mensch und Umwelt außer Acht lassen. 

Den Menschen überzeugen, den sofortigen Umbau in Richtung der langfristig umweltverträglichen Ressourcennutzung und Schutz der Lebensgrundlagen einzuleiten, stellt die Herausforderung von globaler Dimension dar. All denen, die noch am Klimawandel und seinen schleichenden Folgen zweifeln, sei ins Stammbuch geschrieben, die Erde kann nur ein beschränktes Ausmaß an Umweltbelastungen aufnehmen, bevor die globalen Ökosysteme kippen. Es bedarf weniger Naturverbrauch und weniger Umweltbelastung. 

Nur ein tief greifendes Umdenken kann Abhilfe schaffen. Wenn wir das nicht schaffen, dann dürfte sich die Aussage von Werner Wirtsch bewahrheiten:„Früher hatten die Menschen Angst vor der Zukunft, heute muss die Zukunft Angst vor den Menschen haben.“ Dies mögen all diejenigen bedenken, die nicht einsehen wollen, dass es mittlerweile schon längst nach zwölf ist.

Dr.- Ing. Marcel Oberweis, 15. Januar 2008