Die Armut des „adr“

Seitdem der „adr“-Generalsekretär Roy Reding sich und seine Partei ins Gespräch brachte, als er forderte, man müsse das „RMG radikal kürzen“, gab es viel Getue im „adr“, um die Wogen wieder zu glätten…

Seitdem der „adr“-Generalsekretär Roy Reding sich und seine Partei ins Gespräch brachte, als er forderte, man müsse das „RMG radikal kürzen“, gab es viel Getue im „adr“, um die Wogen wieder zu glätten.

Dem Zurückgepfiffenen ging es laut eigenem Wortlaut darum, „einen Stein ins Rollen zu bringen“ und zu verhindern, dass sich der RMG-Bezug zum „Lifestyle“ entwickelt.

Traurig an dieser Angelegenheit ist weniger, dass der Generalsekretär weder Gesetz noch Kontrollmechanismen der seit 21 Jahren bestehenden RMG-Gesetzgebung kennt. Traurig ist, dass hier so getan wird, als wenn alle Personen, die einen RMG-Zuschuss beziehen, ein gemütliches Leben auf Staatskosten führen würden.

Im Augenblick wird in Luxemburg an 7 510 Haushalte eine Leistung im Rahmen des RMG ausbezahlt. Die Höhe dieser Leistung reicht von geringen Zuschüssen bis hin zu ganzen RMG-Zahlungen. Die Bedingungen zum Erhalt dieser Sozialleistung sind streng und werden vom nationalen Solidaritätsfonds pedantisch geprüft.

In diesen Haushalten wohnen 14 252 Personen. Nur 1 200 Personen sind als arbeitsfähig eingestuft. Von diesen sind 950 (6,7 %) auch beim Arbeitsamt gemeldet. Alle anderen (30 % Kinder, 15 % Invalide, 10 % Rentner, 9% in regulärer Arbeit, 14 % ohne Recht auf Eigenleistung aber Mitbewohner in einem RMG-Haushalt, usw.) sind nach eingehender Prüfung von den Sozialarbeitern des „Service national d’action sociale“, ärztlichen Kontrollstellen und Arbeitsamt als nicht zur Verfügung stehend für den Arbeitsmarkt eingestuft. Die heile Welt, in der alle RMG-Bezieher arbeiten könnten, gibt es so nicht. Wie in jeder Gesellschaft leben auch in Luxemburg Menschen, die sich zeitweilig oder definitiv nicht durch eine eigene geregelte Arbeit über Wasser halten können.

Das RMG hilft diesen Menschen nicht über die Armut hinweg, aber es ermöglicht Sicherheit und verhindert die soziale Ausgrenzung.

Der als vermittelbar eingestufte RMG-Bezieher muss sich beim Arbeitsamt eintragen und jede Arbeit annehmen. Hinzu kommen soziale Eingliederungsmaßnahmen. Ein Verstoß gegen diese Bedingungen führt zum Entzug des Mindesteinkommens.

Die Personen, die an den gesetzlichen Wiedereingliederungsmaßnahmen teilnehmen, erhalten übrigens keinen RMG-Betrag mehr für ihre Arbeitsleistung (bei öffentlichen oder privaten Trägern), sondern einen Mindestlohn, der gleichermaßen gepfändet werden kann wie jeglicher Lohn hierzulande. Der Vorwurf, RMG wäre ein „Lifestyle“ für jene, die nicht arbeiten wollten und sich einer Pfändung entziehen wollten, entspricht polemischen Denkens ohne den geringsten Wahrheitsbezug.

Richtig ist, dass man über die gesetzlichen Pfändungsbestimmungen nachdenken muss. Eine Abstimmung mit den Mindesteinkommensgrenzen des RMG könnte sich rechtfertigen. Auch eine, wenngleich sehr geringe Pfändung des RMG ist denkbar, um auch hier die Verantwortlichkeit gegenüber seinen Gläubigern zu untermauern.

Armut in unserer Gesellschaft bleibt ein Sorgenkind. Die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert sich. Die höheren Einkommen wachsen schneller als die niedrigen, woraus sich eine Erhöhung der statistischen Armutsgrenze und somit der Zahl der potenziell von Armut betroffenen Menschen ergibt. Die Anzahl der Personen, die unter die Armutsgrenze fallen, ist auf 14 % (!) gestiegen. Der sogenannte „Kinderbonus“ ab nächstem Jahr ist eine zielorientierte Maßnahme für alle Eltern und ein wichtiger Schritt zu mehr Verteilungsgerechtigkeit.

Es gibt keine einfachen Lösungen, der Armut entgegenzuwirken. Jeder sollte in seinem Lebensumfeld mit dafür Sorge tragen, dass Ausgrenzungen verhindert werden und Solidarität gelebt wird. Und wir sollten die Regierung unterstützen in ihren Bemühungen. Es reicht nicht, auf einer Internetseite zu schreiben: „Mir mussen eng Äquidistanz fannen tëschent dem Erhéngeren an dem Schmarotzen“. So sehen keine Lösungen aus. So sieht die Armut des „adr“ aus.

Wer die Armut bekämpfen will, sollte nicht die Armen bekämpfen.

Jean-Paul Schaaf
CSV- Abgeordneter