Die Mahnung an die eigene Partei folgte zum Schluss. „Es ist höchste Zeit, dass wir uns wieder mit den Problemen der Menschen, statt mit uns selbst beschäftigen“, ermahnte Premier Jean-Claude Juncker die Delegierten des CSV-Nationalkongresses am Ende seiner Rede.
Zuvor hatte Premier Juncker seiner Partei während einer Stunde erklärt, dass man die Welt nicht alleine durch die „rosarote Brille“ Luxemburgs betrachten kann. Um den Blick über den Tellerrand zu verdeutlichen, bemühte Premier Juncker das Bild vom „globalen Dorf“, das er in seiner Kolumne im „Rheinischen Merkur“ bereits einmal ausführlich beschrieben hatte. Stellt man sich die Welt nämlich als ein Dorf mit nur hundert Einwohnern vor, leben in diesem „globalen Dorf“ nur 21 Europäer mit 79 Nicht-Europäern zusammen.
„Wir sollten es also unterlassen, so zu tun, als müsste sich alles nach uns richten.“ Solidarität sei nicht nur nach innen, sondern auch nach außen gefragt. Daher sei die Entwicklungshilfe Luxemburgs vorbildlich. Wenn die großen Staaten es dem Großherzogtum gleich täten und 0,91 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Kooperationshilfe ausgeben würden, wäre der Hunger in der Welt rasch bekämpft, so Juncker. Die stetige Erhöhung der staatlichen Entwicklungshilfe sei aber nicht selbstverständlich gewesen. „Dafür muss man in den jeweiligen Regierungen kämpfen.“ Die Globalisierung biete die Chance, bisher vernachlässigte Regionen des Planeten am Wohlstand zu beteiligen.
Kein Verständnis hat der Regierungschef für eine aufkommende Verdrossenheit mit der Europäischen Union. „Europa kostet jeden Luxemburger 1,5 Euro am Tag. Das ist ein geringer Preis für Frieden und Stabilität, den ich gerne zahle.“
„Wir leben in unsicheren Zeiten“, gab der Premier zu bedenken. Der Verdacht erhärte sich, dass die amerikanische Immobilienkrise Auswirkungen auf den Finanzplatz in Luxemburg haben werde. Der Finanzsektor mache aber heute 38,5 Prozent des BIP aus. Der Stellenwert des Finanzplatzes für die hiesige Wirtschaft sei größer als es jener der Stahlindustrie je war. Obwohl der starke Euro vor steigenden Energiepreisen schütze, müsse man den Ölpreis im Hinterkopf behalten. Aus all diesen Erwägungen ergebe sich das Gebot einer vorsichtigen Haushaltspolitik. Durch gemeinsame Anstrengungen mit den Sozialpartnern seien die öffentlichen Finanzen in Ordnung gebracht worden. Das Sorgenkind Zentralstaat soll demnächst „aus seinem negativen Fahrwasser“ herausgenommen werden. Weiteren Steuererleichterungen erteilte der Premier Juncker eine Absage. „Ich bin nicht der heilige Nikolaus.“ Durch die vorgeschlagene Anpassung der Steuertabellen an die Inflation um sechs Prozent würden die Bürger ab Januar so besteuert, als würden sie sechs Prozent weniger verdienen, erklärte Juncker. Eine volle Inflationsbereinigung hätte die Staatskasse aber 520 Millionen Euro gekostet. Ein Steuerausfall, den die Regierung nicht verantworten wolle. Finanzierungsengpässe seien schließlich eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Für Christlich-Soziale gelte immer noch der Grundsatz, dass Wohlhabende mehr Steuern zahlen müssen und Geringverdiener unterstützt werden sollen. Diese Politik verfolge Juncker „mit gutem Gewissen“.
Quelle: d’Wort, 19. November 2007