Eine moderne Primärschule für mehr Bildungschancen

“Die Schule von 1912 ist nicht die Schule von 2007”. Beitrag von Michel Wolter im “Soziale Fortschrëtt”

Das Schulgesetz von 1912 wird reformiert. Es muss einer der ältesten Texte sein, die noch in der heutigen Zeit eine derart wichtige gesellschaftliche Institution wie die Grundschule regeln. Fast ein Jahrhundert hatte das alte Gesetz Bestand. Nun wird, im Verlauf der kommenden Monate, erneuert.

Die Schule von 1912 ist nicht die Schule von 2007. Die rigiden Unterrichtsformen von damals passen nicht mehr in die heutige Zeit. Die Schulkinder von damals hatten andere familiäre und soziale Hintergründe als die Schüler von heute. Die Schule muss sich ihrer Zeit und der gesellschaftlichen Wirklichkeit anpassen, wenn sie das Ziel, optimale Bildungschancen für jeden Schüler zu erschließen, erreichen will.

Optimale Bildungschancen für jeden bedeutet nicht, dass alle Schüler im gleichen Rhythmus die gleichen Resultate erzielen können. Es heißt vielmehr, jeden Schüler gemäß seinen respektiven Fähigkeiten, Lernstärken und –schwächen optimal in die nächsthöhere Schulstufe zu bringen. Mit anderen Worten: niemand soll in unserer Zeit nach der Grundausbildung keine Schulchancen mehr besitzen. Die Anforderungen der Gesellschaft und des Arbeitsmarktes verlangen nach weiter gehender Bildung, die auf dem bestmöglichen Fundament erlangt werden muss.

Die geplante Reform des Schulgesetzes soll genau dies ermöglichen. In Zukunft sollen die Schüler flexibler lernen und betreut werden können. Es werden Unterrichtszyklen geschaffen, die von lernstarken Schülern schneller absolviert werden können, während lernschwächere Schüler auf eine ihnen angepasste Art zum Erreichen der Bildungsziele geführt werden. Dies ist ein großer Schritt in Richtung Individualisierung des Lernens.

Durch verstärkte soziale und psychologische Aufsicht der Schüler wird es ebenfalls möglich, Defizite bei ihrer Sozialisierung auszugleichen. Die Schule muss zukünftig viel entschiedener dafür Sorge tragen, dass soziale und familiäre Probleme, mit denen die Schüler konfrontiert sind, nicht zu ihrem frühzeitigen Ausscheiden aus dem Lernprozess führen. Auch deshalb wird die Schulpflicht bis zum Alter von 16 Jahren verlängert. Die Schule wird ein wesentliches Instrument der Sozialisierung aller Schüler – auch und vor allem jener, die aus verschiedenartigen Gründen aus weniger privilegierten Verhältnissen kommen.

Der klassische Frontalunterricht durch einen Lehrer/eine Lehrerin ist überlebt. Der Reformplan sieht vor, dass zukünftig eine Gruppe von Lehrern, Erziehern und anderen Fachleuten die Primärschulklassen so betreuen, dass das Ziel des besten individuellen Lernfortschritts erreicht werden kann. Die Schüler werden ebenfalls verstärkt in Gruppen lernen und das Gelernte verarbeiten.

Schließlich werden die Schulen selbst mit mehr Autonomie ausgestattet. Sie werden selbst, über ihre Führungsgremien, bestimmte pädagogische Vorgehensweisen und Erfolgsziele definieren. Die Schulgemeinschaft an sich wird so stärker in die Verantwortung für den Erfolg des Unterrichts genommen. Das entspricht dem Wunsch vieler motivierter Lehrerinnen und Lehrer, die den Unterricht an ihren Schulen aktiver mitgestalten wollen.

Diese Reform ist notwendig und kommt zur rechten Zeit. Unsere Schüler brauchen eine Grundschule, die ihre Zukunftschancen vergrößert und sie optimal auf weiter führendes Lernen vorbereitet. Die CSV und ihre Fraktion sind überzeugt, dass wir so einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten.

Michel Wolter
Quelle: Soziale Fortschrëtt 07/2007