Unser tägliches Brot – für wie lange noch ?

Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Konflikt: Biokraftstoffe contra Nahrungsmittel zu sozialen Protesten führen würde. Freie Tribüne von Dr.-Ing. Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter

In Mexiko haben die Menschen wegen der Erhöhung des Preises für ihr Grundnahrungsmittel protestiert, um ihren Unwillen angesichts des Exportes von Mais nach den USA kundzutun. Bestrebt nach mehr Unabhängigkeit von der OPEC haben die USA die Biokraftstoffe entdeckt und importieren u.a. Mais aus Mexiko zur Herstellung von Ethanol. Die Europäische Union möchte den Anteil an Biokraftstoffen im Verkehrsbereich auf 10 Prozent bis 2020 anheben. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn immer mehr Ackerflächen zur Deckung der wachsenden Nachfrage nach Biokraftstoffen verwendet werden. Betrachtet man jedoch die Ökobilanz der Biotreibstoffe der ersten Generation, so fällt diese negativ aus, werden diese Kraftstoffe doch sehr energieintensiv produziert. Außerdem belasten die Monokulturen die Umwelt auf eine nicht nachhaltige Weise.

Der Drang nach mehr Biokraftstoffen ruft in einem verstärkten Maß Angst und Unmut bei den Kleinbauern in den Entwicklungsländern hervor. Anstatt Nahrungsmittel für die wachsende einheimische Bevölkerung zu produzieren, wird nun zunehmend „ihre Biomasse“ an die Industrieländer und die aufstrebenden Schwellenländer verfrachtet. Im Gegenzug werden die überschüssigen Mengen an Nahrungsmitteln aus den Industrieländern in die Entwicklungsländer verfrachtet und behindern dort die Entwicklung der Landwirtschaft.

Der Mangel an Grundnahrungsmittel lässt den bereits grassierenden Hunger noch weiter wachsen und die Chancen zur Erfüllung der Milleniumziele werden immer geringer. Allein die Tatsache, dass heute 15 Prozent der Weltbevölkerung unterernährt sind, dass jeden Tag 25.000 Menschen an Hunger oder den Folgen von Unterernährung sterben, müsste doch das Weltgewissen erschüttern. Der Zugang zu bezahlbaren Lebensmitteln für alle Menschen ist ein Menschenrecht, jedoch, wenn der derzeitige Trend beibehalten wird, dann werden etwa 1,2 der 7,5 Milliarden Menschen im Jahr 2025 an chronischem Hunger leiden.

Auf Kosten der Umwelt
Eine der Ursachen für die Erhöhung der Nahrungsmittelpreise ist u.a. die Konkurrenz zwischen dem Anbau von Nahrungsmitteln und Biokraftstoffen auf den Agrarflächen. Außerdem boomen die Wirtschaften in China und Indien, deren Bevölkerung nun auch Nahrungsmittel in erhöhtem Maß auf dem Weltmarkt einkauft. Es mag daran erinnert werden, dass insgesamt 606 Millionen t Weizen im Agrarjahr 2007-2008 produziert werden und die derzeitigen weltweiten Vorräte auf 112, 4 Millionen t gesunken sind, der niedrigste Wert seit 1973/74.

In Indonesien wird Palmöl auf riesigen Flächen gewonnen, die zuvor gerodet wurden, um anschließend nach Europa in Blockheizkraftwerken zu Wärme und Elektrizität umgewandelt zu werden. Hat man auch die Ökobilanz dieser Handlung hinterfragt? Der ausufernde und nicht nachhaltige Anbau von Biokraftstoffen durch Nahrungsmittel u.a. Mais, Raps und Soja, führt zu einer massiven Bodenerosion. Durch den Klimawandel wird die landwirtschaftlich genutzte Fläche weltweit abnehmen und der Druck auf die Preise wird sich weiter erhöhen. Angesichts der Knappheit bezüglich der Nahrungsmittel hat die Europäische Kommission die Losung herausgegeben, im kommenden Agrarjahr die brachliegenden Flächen zu beackern. 3,8 Millionen ha könnten wieder zur Nahrungsmittelproduktion eingesetzt werden. Mittlerweile sind aber einige 100.000 ha anderweitig für die Bereitstellung von Biokraftstoffen im Einsatz und weitere 380.000 ha längs den Flussläufen dürfen aus Umweltauflagen nicht beackert werden. Ob diese Maßnahme aber ausreichen wird, den Druck von den Grundnahrungsmitteln zu nehmen, ist äußerst fragwürdig, denn die Ärmsten der Welt geben heute 50 bis 80 Prozent ihres gesamten Haushaltseinkommens für Nahrungsmittel aus.

Es sind aber sie wiederum, die die Leidtragenden sind, wenn steigende Kraftstoffpreise die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben. Da die Nahrungsmittelpflanzen und die Pflanzen für die Gewinnung von Kraftstoffen um dieselben Anbauflächen konkurrieren, kann nur ein konsequentes Umdenken, den richtigen Weg aufzeigen. Wenn wir den freien Markt hier walten lassen, dann wird das Elend der Erde und ihrer Bürger noch erhöht.

Hoffnung auf die Politik setzen
Die Biokraftstoffe der ersten Generation fördern die Verbreitung von Monokulturen und die einen ungehemmten Einsatz von Pestiziden. Die direkten Folgen bestehen in der großflächigen Abholzung der artenreichen Regenwälder sowie der ungebremste Verlust an Biodiversität. Die Biokraftstoffe der zweiten Generation (Biomass to Liquids BtL) hingegen, werden nicht mehr aus den Nahrungsmitteln gewonnen, sondern aus u.a. Holz, Pflanzen und Stroh. Nur bedarf es noch viel Forschung und Zeit, bis die Industrie diese Biokraftstoffe in ausreichenden Mengen bereitstellen kann. Es muss jedoch untermauert werden, dass nur die gesteigerte Energieeffizienz, die Hinwendung zu einer „anderen“ Mobilität und die konsequente Nutzung aller erneuerbarer Energien den nachhaltigen Weg zeigen.

Es ist gewusst, dass die Biokraftstoffe nachhaltige Gewinne einfahren, wenn sie nicht als das Kernstück der Landwirtschaft, sondern als Ergänzung der nachhaltigen ländlichen Entwicklung angesehen werden.

Die Ertragssteigerungen sind weltweit, insbesondere in den Entwicklungsländern, durch eine leistungsfähige und nachhaltige Agrarwirtschaft, durch eine bessere Bearbeitung der Böden, durch die Anwendung einer modernen Düngung, von Pflanzenschutzmethoden sowie einer durchdachten Bewässerung möglich. Wenn es uns aber nur daran gelegen ist, Biokraftstoffe auf dem Acker zu erzeugen und dies auf Kosten der Grundnahrungsmittel, dann werden wir es nicht schaffen, die wachsende Weltbevölkerung erfolgreich zu ernähren und wir werden Abschied von den Milleniumzielen nehmen müssen.

Die Landwirtschaftspolitik Luxemburg wird sich diesen Herausforderungen annehmen, denn die vorgestellten Überlegungen reihen sich ein in die Forderungen der Lissabonstrategie, des Kyoto-Protokolls sowie dem Nationalen Plan für die ländliche Raumentwicklung.

Dr.-Ing. Marcel Oberweis, 27. September 2007