Ein Mann für heiße Eisen

Von heiklen Aufgaben und unpopulären Entscheidungen, CSV Fraktionspräsident Michel Wolter

Wort Serie über die luxemburgischen Abgeordneten 

Sein Platz in der Geschichte des Parlaments war Michel Wolter schon fast sicher. Im zarten Alter von 21 Jahren hielt Wolter 1984 auf Krautmarkt Einzug. Der bisher „jüngste Abgeordnete aller Zeiten“. Doch seit das passive Wahlrecht auf 18 Jahre gesenkt wurde, ist zumindest dieser Ehrenplatz in Gefahr.

Michel Wolter fand nicht zufällig zur Politik. Sein Vater Jean Wolter, politischer Journalist, CSV-Abgeordneter und Innenminister hatte den Familiennamen Wolter bekannt gemacht. Doch Minister Jean Wolter verstarb nach kurzer Krankheit im Februar 1980.

Sein eigenes politisches Interesse führt Michel Wolter jedoch nicht auf das Vorbild seines Vaters zurück. Das kam von alleine. Früh stieß er zur Jugendorganisation der CSV. Die Partei des Vaters entsprach auch seiner eigenen Weltanschauung. Die Christlich-Sozialen vertrauten dem jungen Wolter 1984 einen Listenplatz im Süden an. Die Erwartungen sollten nicht enttäuscht werden. Der Student, Tischtennisnationalspieler und Träger eines großen Namens, wurde ins hohe Haus gewählt. Doch der Aktionsradius des Benjamin in der CSV-Fraktion war ziemlich eingeengt. Die Platzhirsche wollten an den Neuankömmling keine Verantwortung abgeben. Wolter beendet sein Wirtschaftsstudium und beerbt 1985 einen gewissen Jean-Claude Juncker an der Spitze der Christlich-Sozialen Jugend. Das politische Schattendasein des Michel Wolter sollte erst während der Auseinandersetzung um die Industriemülldeponie auf Haebicht ein Ende finden. In der CSV-Fraktion fand sich niemand, der bereit war, das unpopuläre Vorhaben auf der Kammertribüne zu verteidigen. Wolter ergriff die Gelegenheit und meldete sich freiwillig. „Wie kann man nur so töricht sein und sich wissentlich unbeliebt machen“, flüsterte ihm ein älterer Kollege nach der Sitzung ins Ohr. Eine Frage, die man Michel Wolter auf seinem weiteren politischen Lebensweg noch öfters stellen könnte. Wolter scheut sich nicht, heiße Eisen anzupacken. Wohlwissend, dass er sich eine Menge Ärger einhandelt und ohne Rücksicht auf seine Popularitätswerte zu nehmen. Der Haebicht-Auftritt sollte Wolter politisch aber noch nicht schaden. Im Gegenteil. Die hitzige Debatte wurde im Fernsehen übertragen und bescherte dem jungen Abgeordneten mehr Aufmerksamkeit, als seine Kollegen ihm gegönnt hätten. Diese Episode sollte seinen weiteren politischen Aufstieg beflügeln.

In der CSV-Fraktion wurde ihm ab jetzt mehr zugetraut. Gleich zweimal hintereinander wurde Wolter zum Berichterstatter für den Staatshaushalt bestimmt.

Im Januar 1995 begann die Ära Jean-Claude Juncker. Der neue Regierungschef hatte eine heikle Mission zu vergeben. Die Pensionen im Öffentlichen Dienst sollten den Renten im Privatsektor angeglichen werden. Juncker setzte auf Wolter. Was folgte, war eine harte politische Auseinandersetzung, die nicht selten in persönliche Attacken gegen den zuständigen Minister ausuferte. Wolter wurde zum Sündenbock. Manche Verletzungen wirken bis heute nach.

Die Pensionsreform hält er trotz allem weiter für richtig. „Das musste gemacht werden.“ Die Beziehung zu seinem damaligen Kontrahenten Jos Daleiden von der CGFP sei bei weitem nicht so schlecht gewesen wie oft dargestellt. „Ich respektiere Jos Daleiden sehr. Er hat seine Sache ausgezeichnet verteidigt.“ Nur deckte sich die Sache Daleidens nicht immer mit dem nationalen Interesse, wie Michel Wolter und die Regierung es empfanden.

Auch als Innenminister, dem Regierungsressort seines Vaters, geht der Politiker keiner Auseinandersetzung aus dem Weg, wagt sich an Reformen und stellt alte Denkmuster in Frage. Die Polizeireform wird umgesetzt, eine neue gesetzliche Grundlage für die Protection civile geschaffen. Das Kommunalwahlrecht wird entstaubt, ein Wasserwirtschaftsamt ins Leben gerufen. Entschieden setzt sich Wolter für eine neue Zukunft der Industriebrachen von Esch-Belval ein. Auf dem Gelände soll mehr entstehen als eine Industriezone mit Kino. Die „Revalorisierung“ der Brachen setzte am Anfang des Jahrzehnts viel Überzeugungsarbeit voraus. Gemeinsam mit seinen Regierungskollegen Erna Hennicot-Schoepges und Henri Grethen und mit der Unterstützung von Sanem-Bürgermeister Fred Sunnen entwirft Wolter das Belval-Konzept, das jetzt Gestalt annimmt. Mit dem Integrativen Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept, kurz IVL, zog Michel Wolter in die Wahlauseinandersetzung 2004. Das IVL sollte einem neuen Denken und Handeln in der Politik die Bahn brechen. „IVL-konform“ oder nicht? Der Wolter-Maßstab gilt für viele Bauvorhaben auch heute noch. Die IVL-Philosophie haben aber noch nicht alle Entscheidungsträger verinnerlicht. Nach den Wahlen zog Wolter sich allerdings aus der Regierung zurück. Nach zehn Jahren wollte er sich einer anderen Aufgabe widmen. Wolter übernimmt den Fraktionsvorsitz der CSV. Die 24 Abgeordneten sollen gegenüber der Regierungsmannschaft selbstbewusst auftreten und ein eigenes Profil entwickeln, so sieht es der neue Vorsitzende. Die CSV-Minister mussten sich an die neue Forschheit aus den eigenen Reihen erst einmal gewöhnen.

Steckbrief: Michel Wolter
Im Parlament: vom 16. Juli 1984 bis zum 25. Januar 1995 und wiederum seit dem 3. August 2004.

Geboren: am 13. September 1962 in Esch/Alzette.

Wahlbezirk: Süden.

Andere politische Mandate: Gemeinderat in Bascharage (von 1994-1995 und ab 2004), von 1988 bis 1992 im Gemeinderat von Esch/Alzette. Minister für den Öffentlichen Dienst und die Verwaltungsreform von 1995 bis 1999, Innenminister von 1995 bis 2004.

Wohnt in: Hautcharage.

Beruf: Ökonom.

Familienstand: verheiratet, Vater von drei Kindern.

Parlamentarische Kommissionen: Kammerbüro, Kammerpräsidium, Finanzen, Transport, Geheimdienst-Kontrolle, Spezialkommission zur Territorialreform (Präsident), Budgetkontrollkommission (Vizepräsident).

Themen: Michel Wolter ist seit Juli 2004 Vorsitzender der christlich-sozialen Fraktion auf Krautmarkt. Der frühere Innen- und Landesplanungsminister leitet die Arbeiten der Spezialkommission, die sich Gedanken über eine Modernisierung des Zusammenspiels von Staat und Kommunen machen soll.

Quelle: Wort, 22. September 2007, Laurent Zeimet