Ein Stadtkind: Die CSV Abgeordnete Martine Stein-Mergen möchte “ihre” Hauptstadt nicht missen
Wort Serie über die luxemburgischen Abgeordneten
Sie ist Ärztin in der Notaufnahme des Centre hospitalier, CSV-Bezirkspräsidentin, Ehrenvorsitzende der Initative Rëm Schaffen, Präsidentin des Yacht Clubs Luxemburg und seit kurzem auch Vorsitzende einer frisch ins Leben gerufenen Sudoku-Vereinigung: Martine Stein-Mergens Interessen sind weit gestreut.
Und das spiegelt sich auch in den parlamentarischen Fragen wider, die die CSV-Abgeordnete seit ihrem Einzug in die Abgeordnetenkammer am 3. August 2004 eingereicht hat. So will sie zum Beispiel wissen, wie es um den Bevölkerungsstamm der Hmong in Laos bestellt ist. Oder welche Auswüchse virtuelle Welten wie “Second Life” annehmen. Viele dieser Fragen würden sich ihr bei der Zeitungslektüre oder bei Gesprächen mit Freunden aufdrängen, erklärt Stein-Mergen. Andere hingen schlichtweg mit ihrem Beruf zusammen.
Als Ärztin in der Notaufnahme des Centre hospitalier erlebt die christlich-soziale Politikerin die Stärken und Schwächen der Gesundheitsversorgung hautnah. Und kommt nicht umhin, von den modernen Strukturen, niedrigen Krankenkassenbeiträgen und dem Interesse des Staats an hochwertigen medizinischen Standards zu schwärmen. Auch dem amtierenden Gesundheitsminister bescheinigt Stein-Mergen gute Noten.
Einige Schwachstellen fallen Stein-Mergen dennoch ein: Zum Beispiel die Tatsache, dass die Wächter über die Krankenkassen gleichzeitig diejenigen sind, die über mehr oder weniger Lohn für das Klinikpersonal verhandeln. Oder dass sich viele Patienten nicht ausreichend über den Stand ihrer Krankenakte informiert fühlen. Nicht zu vergessen die medizinische Versorgung in der Justizvollzugsanstalt Schrassig, deren Koordinierung Martine Stein-Mergen seit kurzem übernommen hat. Auch wenn sie die Gesundheitslage im Gefängnis als “explosives Gemisch” bezeichnet (Krankheitsbilder wie Aids, Hepatitis- und Tuberkulose-Anfälligkeit konzentrieren sich auf engstem Raum, dazu kommt noch die Drogenproblematik), hat sich die Ärztin ein hehres Ziel gesetzt: Die Insassen sollen nämlich die gleichen Dienste beanspruchen können, wie sie der breiten Öffentlichkeit zustehen. Deswegen sollen die Sprechstunden der Fachärzte innerhalb der Gefängnismauern wie auch die medizinisch-technische Ausstattung konsequent ausgebaut werden. Während die psychiatrische Betreuung derzeit noch zu wünschen übrig lasse, sind Stein-Mergen zufolge große Fortschritte bei den Drogenersatzprogrammen erzielt worden, deren Notwendigkeit von niemandem mehr in Frage gestellt werde. Apropos Rauschgift in Schrassig: Politische Forderungen nach einem drogenfreien Gefängnis kann die Medizinerin nur mit einem Kopfschütteln kommentieren. Spreche sie dieses Thema auf internationalen Konferenzen an, ernte sie von erfahrenen Kollegen nur ein müdes Lächeln. Überhaupt findet sie die Aussagen, die im Rahmen der parlamentarischen Debatten über die Lage in Schrassig gemacht werden, zeitweise schon “sehr naiv”. Und sie selbst käme nie auf die Idee, aus ihrem Insiderwissen als Gefängnisärztin politischen Profit zu schlagen.
Nicht nur in Schrassig greift Martine Stein-Mergen den sozial Schwachen unter die Arme. Auch als langjährige Präsidentin der Initiative Rëm Schaffen (das Amt trat sie am 3. Juli an Claudine Konsbrück ab) galt ihr Augenmerk insbesondere Härtefällen wie geschiedenen Mütter, die sich schwer mit der Suche nach einem Arbeitsplatz tun. Dabei stellen gerade diese Frauen ein unheimliches Reservoir für den Arbeitsmarkt dar: Wer Jahre lang einen Haushalt geführt und die Familie versorgt habe, verstehe etwas vom flexiblen Berufsleben. Doch leider fehle diesen Frauen häufig das nötige Selbstvertrauen, um sich am Arbeitsmarkt zu behaupten. Eine individuelle Betreuung, wie sie etwa Rëm Schaffen anbiete, sei in solchen Fällen zweckdienlicher als ein Gang zum Arbeitsamt. Von der Sozial- zur Gesellschaftspolitik ist es für Stein-Mergen nur ein kurzer Weg. Jedenfalls findet sie, dass ihre Partei in so manch gesellschaftspolitischen Frage keine ganz zeitgemäße Position einnimmt. Seien es Themen wie die Abtreibung, die Sterbehilfe oder die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Personen: Die CSV dürfe vor der Wirklichkeit die Augen nicht verschließen. Deswegen will sie in den kommenden Monaten innerhalb der Partei zur gesellschaftspolitischen Offensive ansetzen.
Apropos CSV: Was ihre Karriereaussichten in der Partei angeht, so gibt sich Stein-Mergen wenig ehrgeizig. Dass sie bislang Claude Wiseler auf dem Posten des Schulschöffen in der Hauptstadt und des CSV-Bezirksvorsitzenden abgelöst hat, dürfe jedenfalls nicht so interpretiert werden, dass sie eines Tages wie Wiseler in die Regierung berufen werden sollte. Obwohl sie dieses Amt bestimmt nicht ablehnen würde.
Steckbrief: Martine Stein-Mergen
Im Parlament seit dem: 3. August 2004.
Geboren am: 30. August 1956 in Luxemburg.
Wahlbezirk: Zentrum.
Andere politische Mandate: Gemeinderätin in der Hauptstadt, CSV-Bezirkspräsidentin.
Andere Aufgaben: Ehrenpräsidentin des CSV-Frauenverbands, Ehrenpräsidentin der Initiative Rëm Schaffen, Vorsitzende des Yacht Club Luxembourg und Vorsitzende der Vereinigung Sudoku Luxembourg.
Wohnt in: Luxemburg.
Beruf: Ärztin.
Familienstand: verheiratet, ein Sohn und eine Tochter.
Parlamentarische Kommissionen: Gesundheit und Soziales (Vizepräsidentin), Umwelt; Hochschule, Forschung und Kultur; parlamentarische Versammlung Euromed.
Themen: Als Ärztin interessiert sich Martine Stein-Mergen naturgemäß für die Gesundheitspolitik. Aber auch Umweltfragen haben es ihr angetan. Der Öffentlichkeit müsse klargemacht werden, dass der Klimawandel nicht herbeigeredet und dass ein verantwortungsbewusster Umgang mit den natürlichen Ressourcen im Interesse der Menschheit sei.
Quelle: Wort, 18. September 2007, Joëlle Merges