Herausforderung Nordstad

Der Ettelbrücker Bürgermeister im Spagat zwischen Landesplanung, Sozial- und Familienpolitik

Als Bürgermeister von Ettelbrück liegt ihm die Entwicklung der Nordstad besonders am Herzen. Die Kommunalpolitik sei konkreter, meint Jean-Paul Schaaf, da könne man sofort etwas bewirken. Auf nationaler Ebene setzt sich der ehemalige Sozialarbeiter vor allem für die sozialen Belange und für die Familienpolitik ein.

Sein Weg in die Politik war nicht unbedingt vorgezeichnet. “Als mich der damalige Bürgermeister von Ettelbrück, Ed Juncker, 1993 fragte, ob ich nicht als Jugendkandidat für die CSV bei den Kommunalwahlen antreten wolle, hatte ich nicht einmal eine Parteikarte“, gerinnert sich Jean-Paul Schaaf. Er bat sich etwas Bedenkzeit aus, dann nahm er die Herausforderung an. Dass er gewählt werden könnte, daran glaubte der junge Sozialarbeiter allerdings nicht. Aber er sollte sich irren: Am 1. Januar 1994 hielt er Einzug in den Ettelbrücker Gemeinderat. Neun Jahre lang sammelte er Erfahrungen auf kommunalpolitischer Ebene, dann, im Mai 2003 übernimmt er das Amt des Bürgermeisters, als Pierre Kraus sich aus Altersgründen zurückzieht. Schöffe war er nie. Ein Jahr später nimmt Jean-Paul Schaaf die nächste Hürde: bei den Nationalwahlen 2004 gelingt ihm der Sprung ins Parlament.

Bislang hat er seinen Entschluss nicht bereut: “Es ist schön, Verantwortung zu übernehmen“, meint Schaaf rückblickend. In seinem Beruf als Sozialarbeiter habe er oft mit den Sozialstrukturen gehadert, nun könne er selber etwas bewegen. Seinen Beruf gibt er übrigens erst nach dem Einzug ins Parlament definitiv auf: Bürgermeister, Abgeordneter und Sozialarbeiter ist dann doch nicht mehr unter einen Hut zu bringen.

Doch auch das Doppelmandat des Député-maire hält Schaaf nur bedingt für vereinbar: “Vor allem in größeren Kommunen sollte man den Arbeitsaufwand nicht unterschätzen. Rechnet man dann noch die regionalen Aufgaben hinzu, wie sie etwa bei der Planung die Nordstad anfallen, so kommt schon ein gewaltiges Pensum zusammen.” Der hauptamtliche Bürgermeister ist für Schaaf vor allem für größere Gemeinden eine Alternative, über die man nachdenken sollte. Auch der finanziellen Absicherung wegen. Das Doppelmandat habe allerdings den Vorteil, dass der Député-maire die Sorgen und Nöte der Gemeinden genau kenne, und somit die Gesetzgebung auf nationalem Plan besser beeinflussen könne, gibt Schaaf zu bedenken.

Die regionale Entwicklung beschäftigt den Ettelbrücker Bürgermeister zunehmend. Je konkreter das Projekt Nordstad werde, desto größer werde die Verantwortung für die zuständigen Gemeinden. Vor allem der Finanzbereich stellt eine gewaltige Herausforderung dar. Denn die angebotenen Dienstleistungen werden längst nicht mehr ausschließlich von den Bürgern der Gemeinden genutzt. Schaaf verweist in diesem Kontext auf das Musikkonservatorium, das unlängst wegen der Gebührenerhöhung in die Schlagzeilen geraten war.

Neben der Landesplanung, die ihn vor allem als Bürgermeister von Ettelbrück direkt betrifft, setzt sich der Nord-Abgeordnete auf nationaler Ebene für die sozialen Belange ein – hier wirkt sein Beruf nach. Die soziale Sicherheit und die Absicherung der Renten beschäftigen ihn ganz besonders: “Wir müssen uns in Luxemburg stärker mit der Absicherung der Renten auseinandersetzen. Die demografische Entwicklung macht nicht an unseren Grenzen Halt”, so Jean-Paul Schaaf.

In Sachen Familienpolitik geht es ihm u.a. darum, optimale Strukturen zu schaffen, damit die modernen Familien ihren Pflichten bei der Kinderbetreuung möglichst gerecht werden können. Dabei will er sein Engagement aber nicht auf die Familienpolitik allein beschränkt wissen, Jean-Paul Schaaf hat vielmehr die gesamte Gesellschaftspolitik im Visier. Allerdings bedauert der Abgeordnete, dass die Dossiers zunehmend technischer werden. Für Nicht-Juristen werde die Materie immer komplizierter: “Gesetze dürfen aber nicht nur juristisch einwandfrei sein, sie müssen auch menschlich ihre Ziele erfüllen“, meint der ehemalige Sozialarbeiter. Deshalb sei es wichtig, dass in der Abgeordnetenkammer neben den Juristen ein guter Mix an Berufen vertreten sei.

Von der parlamentarischen Arbeit zeigt sich der Abgeordnete denn auch sehr begeistert. Als Neuling habe er anfangs nur staunen können, wie intensiv in den einzelnen Ausschüssen gearbeitet wird. Als Mitglied des Landwirtschaftsausschusses zeigt sich Schaaf vor allem erstaunt über die äußerst komplizierte Materie der Agrarpolitik. Als Bürgermeister der “Bauernstadt” Ettelbrück genießen die Bauern ohnehin seine besondere Sympathie. Demnächst kommt auf ihn eine besondere Aufgabe zu: Als Berichterstatter über das Gesetzesprojekt zu den genetisch veränderten Organismen hat er mittlerweile stapelweise Unterlagen gesammelt, die nun im Detail studiert werden müssen.

Steckbrief: Jean-Paul Schaaf

Im Parlament: seit dem 3. August 2004.

Wahlbezirk: Norden.

Geboren: am 4. Dezember 1965 in Ettelbrück.

Wohnt in: Ettelbrück.

Beruf: Sozialarbeiter.

Familienstand: verheiratet, drei Kinder.

Andere politische Mandate: Bürgermeister von Ettelbrück seit dem 22. Mai 2003, Mitglied im Gemeinderat vom 1. Januar 1994 bis zum 21. Mai 2003, Vizepräsident CSV-Norden.

Sonstige Funktionen: Präsident des Syndicat du conservatoire de musique du Nord Diekirch-Ettelbrück, Mitglied im Verwaltungsrat des Ettelbrücker Klinikums, Mitglied im Comité politique Nordstad.

Parlamentarische Kommissionen: Landwirtschaft, Weinbau und Entwicklung des ländlichen Raumes, Umwelt, Familie, Chancengleichheit und Jugend, Transport.

Themen: Vorbelastet durch seinen Beruf als Sozialarbeiter setzt sich Jean-Paul Schaaf vorrangig mit sozialen Themen auseinander. Die Familienpolitik bildet ein weiteres Aktionsfeld: Beim Gesetzesprojekt zum Elternurlaub war er Berichterstatter. Als député-maire liegt ihm auch die Landesplanung am Herzen.

Quelle: Wort, 8. September 2007, Dani Schumacher