Der talentierte Neuling

Am 24. April 2007 wurde Gilles Roth als Abgeordneter vereidigt und ist damit “jüngstes” Mitglied der Chamber. Der Einzug ins Parlament stellt den vorläufigen Höhepunkt in der noch jungen politischen Karriere des 40-jährigen Député-maire aus Mamer dar.
So richtig begonnen hat die Politikerlaufbahn des Gilles Roth vor 15 Jahren. Am 31. Juli 1992 beschließt die damalige CSV/LSAP-Regierung den Bau einer Industriemülldeponie in Haebicht. Aus Protest ziehen sich die CSV- und LSAP-Mitglieder daraufhin aus dem Gemeinderat zurück. Auch wenn Haebicht nicht gebaut wurde, löste die nationalpolitische Entscheidung ein kommunalpolitisches Erdbeben aus. Henri Hosch gelangte an der Spitze der Haebicht-Gegner zu Bürgermeisterehren; Gilles Roth baute mit CSV-Urgestein Roger Jacqué die Lokalsektion wieder auf.

Im Oktober 1993 verbuchten beide einen ersten Teilerfolg mit der Wahl in den Mamer Gemeinderat. “Viele, auch in der Partei selbst, haben den Alten und den Jungen damals belächelt”, erinnert sich Roth. Mit den Kommunalwahlen von 1999 sollte ihnen das Lachen vergehen. Die CSV konnte ihre Sitzzahl auf vier verdoppeln und Gilles Roth fand sich am Wahlabend – “dank der geschickten Verhandlungsführung von Roger Jacqué” – auf dem Bürgermeisterstuhl wieder. Mit 32 Jahren war er damals das jüngste Gemeindeoberhaupt im Großherzogtum. Es sei eine große Herausforderung gewesen, so Roth rückblickend. 2005 folgte die beeindruckende Bestätigung; aus den Gemeinderatswahlen gingen der Bürgermeister und seine Partei mit 42 Prozent der Wählerstimmen als eindeutiger Wahlsieger hervor.

In der Zwischenzeit hatte Gilles Roth auch nationalpolitische Luft schnuppern dürfen. Bei den Landeswahlen belegte er im Juni 2004 Platz 14 auf der Südliste der CSV. “Ein achtbares Ergebnis”, so seine Einschätzung – wohlwissend, dass man es als Kandidat aus dem Landeswesten schwer hat, um in der Minetteregion Fuß zu fassen. Sein Wahlergebnis ließ berechtigte Hoffnungen zu, im Laufe der Legislaturperiode nachzurücken. Dass es letztlich so schnell gehen würde, habe ihn etwas überrascht, gesteht Roth ein. Seine Arbeit im Finanzministerium habe er zwar mit schwerem Herzen aufgegeben. “Es war aber reizvoll, die Politik mit knapp 40 Jahren aus Sicht der Legislative kennenzulernen.”

Und wie sieht sein Bild der Chamber nach einem halben Jahr Zugehörigkeit aus? Positiv bewertet er die Arbeit in den Ausschüssen und die Vielseitigkeit des Meinungsaustausches. Roth befürwortet den inhaltlichen Tiefgang. Manchmal gibt die Art der Mediatisierung dem Jungdeputierten zu denken.

Als ehemaliger Mitarbeiter der Ständigen Vertretung Luxemburgs bei der EU in Brüssel weiß Gilles Roth um die Bedeutung der Europapolitik für die Nationalpolitik. Demnach sei es auch wichtig, dass sich die Chamber europäischen Dossiers widme. “Wir müssen uns ähnlich wie im Ausland stärker und früher in die Entscheidungsprozesse einbringen.”

Roth muss, wie manche seiner Parlamentarierkollegen, kommunale und nationale Aufgaben vereinbaren – und hat kein Problem mit der Doppelbelastung. “Ich fühle mich motiviert genug”, betont der Député-maire und spricht sich gegen eine Mandatstrennung aus. “Beides sind politische Ämter, in die man gewählt wurde. Wer sich dabei überfordert fühlt, kann ohne weiteres auf ein Mandat verzichten, ohne dass es eine gesetzliche Trennung geben muss.” Und eine Professionalisierung schade letztlich der Unabhängigkeit. Als Vizevorsitzender des Syvicol und als Präsident der “Chrëschtlech Sozial Gemengeréit” kann Roth seinen Ideen Nachdruck verleihen.

Als Bürgermeister liegt ihm der direkte Draht zum Bürger am Herzen. Nur so könne man etwas über dessen Alltagssorgen erfahren. Gilles Roth weist auf zwei große Sorgen hin: die Wohnungssuche und die Vereinbarkeit Beruf/Familie. Hier plädiert er dafür, dass jede Gemeinde in den nächsten fünf Jahren für jedes schulpflichtige Kind einen Platz in einer “Maison relais” anbieten müsse. Das Miteinander Beruf/Familie sei im Interesse der Wirtschaft. “Niemand soll aufgrund seiner familiären Situation auf einen Arbeitsplatz verzichten müssen.” Seine Gemeinde geht mit gutem Beispiel voran; dieser Tage wird die Schul- und Betreuungsstruktur “Koenigsbund” fertiggestellt.

Den von Parteikollege Fernand Boden initiierten “Pacte logement” wertet Roth als Schritt in die richtige Richtung. “Zusätzlich müssen aber die gesetzlichen Prozeduren vereinfacht werden”, analysiert er die Lage und meint: “Der Spuk der übertriebenen Grundstückspreise wäre schnell vorbei, wenn jede Randgemeinde um Luxemburg und Esch/Alzette binnen sechs Monaten zehn Hektar erschließen würde. Doch ich befürchte, dass dies nicht gewollt ist.” Als alternativer Preisbrecher kommt für ihn auch der verstärkte Rückgriff auf Mietwohnen in Frage.

VON MARC SCHLAMMES
Quelle: d’Wort, 6. September 2007