Welche Schule braucht unser Land?

Marc Spautz über die Reformen im Schulwesen

Bereits seit Jahren wird in Luxemburg über Reformen im Schulwesen diskutiert. Nun liegen denn auch endlich die dazu benötigten Gesetzesvorhaben dem Parlament vor. Aber gehen die dort aufgezeichneten Wege auch in die “richtige” Richtung?

Werden nach der Reform unsere Kinder jene Ausbildung erhalten haben, die sie brauchen, um sich in unserer sich ständig wandelnden Welt zurechtzufinden? Erhalten sie dort jene Kompetenzen und jenes Wissen, das später dann in der Arbeitswelt benötigt wird? Je mehr man sich informiert und je mehr man sich in die Reformvorhaben einliest, um so größer werden aber auch die Zweifel an der Ausrichtung respektive der Umsetzung der Reformvorhaben.

In Luxemburg liegt im Bereich Bildung manches im Argen, und dies ist nicht nur seit den PISA- Untersuchungen gewusst! Was aber ist seither geschehen? Nicht viel – zumindest nicht in der Praxis.

Stichwort: Kinder mit Migrationshintergrund

Wie kann sich ein Land, dessen Wirtschaftswachstum darauf beruht, dass seine Einwohner fachlich gut ausgebildete Leute sind, es sich munter weiter erlauben, Kinder und Jugendlichen, die nicht unser Schulsystem besucht haben, also unsere Sprachenvielfalt nicht beherrschen, schon nach kurzer Zeit in unser Schulsystem zu integrieren? Hier ist das Scheitern vorprogrammiert. Man kann nicht der fachlichen Schulmaterie gewachsen sein, wenn man jene Sprachen, in denen unterrichtet wird, nicht beherrscht! Warum werden diese Kinder und Jugendliche nicht wie in andern Ländern erst mit unseren Sprachen vertraut gemacht, ehe sie in unser Ausbildungssystem entlassen werden?

Konsequenz dieser Politik ist auch, dass Jugendliche, die einen Beruf erlernen wollen, dies oft nicht können, da ihnen die schulische Grundvorausetzungen fehlen, respektive die Berufsausbildung in einer Sprache stattfindet, die sie nicht oder nur ungenügend beherrschen. Dies ist eine Bankrotterklärung unseres Schul- und Ausbildungssystems!

Auch die alarmierenden Zahlen vom Arbeitsamt betreffend die Anzahl der arbeitssuchenden Jugendlichen, die steigende Zahl der Schulabbrecher usw. sind ein Resultat dieser seit Jahren verfehlten Schulpolitik! Dies gilt aber nicht nur für Jugendliche mit Migrationshintergrund, sondern für alle!

Stichwort: Lehrstellen

Immer mehr Arbeitgeber stellen fest, dass jenes Wissen, was die Schüler in der Schule vermittelt bekommen, nicht mehr oder nur noch mit Abstrichen dem entspricht, was erforderlich ist. Wie kann es sein, dass immer mehr Jugendliche einen Schulabschluss besitzen, der Arbeitgeber aber auch immer mehr Zeit und Geld investieren muss, um eben diesen Schulabgängern überspitzt formuliert “Lesen und Schreiben” beibringen zu müssen.

Immer mehr Jugendliche suchen Lehrstellen mit der Qualifikation CCM oder CITP, also unter dem Gesellenbrief! Die Wirtschaft aber sieht keinen Bedarf, und dementsprechend stellt sie auch keine Lehrstellen zur Verfügung. Was aber geschieht mit diesen Jugendlichen? Wie sieht deren berufliche Zukunft, aber nicht nur diese aus?

Alleine diese Überlegungen führen uns vor Auge, dass die seit Jahren im Schulbereich unterlassenen Reformen nicht nur notwendig und nötig sind, sondern dass sie unabdingbar sind, und dass sie vor allem schnell kommen müssen. Nicht zu unterschätzen ist dabei auch der soziale Sprengstoff, der entsteht, wenn immer mehr Jugendliche sehen und verstehen, dass sie eben wegen ihrer nicht vorhandenen Ausbildung vom Wirtschaftswachstum abgehängt sind.

Marc Spautz, Schifflingen

Quelle: Wort, 22. August 2007