„Integration lässt sich nicht verordnen“

Ministerin Marie-Josée Jacobs im LW-Gespräch
Immigration und Integration sind zwei Seiten einer selben Medaille. Dies betonte der delegierte Immigrationsminister Nicolas Schmit (LSAP), als er Ende Juni den Vorentwurf eines neuen Zuwanderungsgesetzes vorstellte. Umso bedauerlicher sei es, dass in eben dieser Novelle die Eingliederung der Ausländer eine so geringe Rolle spiele. Dafür zuständig ist die CSV-Ministerin Marie-Josée Jacobs, die sich dem “Wort” gegenüber zur Novellierung des Integrationsgesetzes von 1993 äußert.

d’Wort: Frau Jacobs, haben Sie Nicolas Schmits Worte über die vernachlässigte Integrationspolitik als Kritik empfunden?

Marie-Josée Jacobs: Aussagen von Regierungskollegen will ich nicht weiter kommentieren. Ich möchte allerdings darauf verweisen, dass das Integrationsgesetz um einige Jahre jünger als das Immigrationsgesetz von 1972 ist. Meine Mitarbeiter, die derzeit an einer Reform arbeiten, müssen das Rad also nicht völlig neu erfinden. Ob am Ende lediglich Ergänzungsvorschläge oder ein völlig neues Projekt im Parlament eingereicht werden, ist derzeit offen. Um den Zusammenhang zwischen Integration und Immigration zu verdeutlichen, sollten beide Reformvorhaben zwar nicht in einem Entwurf vereint, aber gemeinsam den Abgeordneten unterbreitet werden.

d’Wort: Sollte man der engen Verbindung zwischen Immigration und Integration nicht beim Zuschnitt der Regierungsressorts Rechnung tragen?

M-J Jacobs: Das könnte ich mir durchaus vorstellen. Konzentriert man aber die Zuständigkeiten auf ein Ressort, dann fühlen sich die anderen nicht mehr verantwortlich. Denn eigentlich sind fast alle Regierungsstellen für eine geglückte Integration zuständig, vom Innenministerium über das Bildungsressort, das Arbeitsministerium bis hin zu den Gesundheitsbehörden. Zwei Minister können gegenüber ihren Kollegen schon mehr Überzeugungsarbeit leisten.

d’Wort: Wo sollte ein neues Integrationsgesetz denn zuerst ansetzen?

M-J Jacobs: Ein Gesetz kann lediglich den Rahmen vorgeben, nicht aber die Integration an sich verordnen. Diese kann nicht in einem Anlauf, sondern über eine Vielzahl von kleinen Schritten und an vielen verschiedenen Orten vollzogen werden, sei es in den Schulen, am Arbeitsplatz, in den Dorfvereinen. Eine wichtige Rolle spielen in meinen Augen die Gemeinden. Dem Syvicol will ich daher einen Meinungsaustausch anbieten. Im Rahmen einer nationalen Konferenz sollen Vertreter der Kommunen ihre Erfahrungen bei der Eingliederung der Zuwanderer austauschen können, wobei meine Behörde mit Rat und Tat zur Seite stehen wird.

d’Wort: Wie haben sich in Ihren Augen die kommunalen Ausländerkommissionen bewährt?

M-J Jacobs: Einige arbeiten sehr gut, andere tun sich schwer. Weil es landesweit nur noch sechs Gemeinden mit weniger als 15 Prozent Ausländeranteil gibt, wollen wir auch die Mindestgrenze von 20 Prozent abschaffen, die bislang als Voraussetzung für die Schaffung einer Ausländerkommission galt.

d’Wort: Allein können die Gemeinden die Integration der Ausländer wohl kaum gewährleisten, zumal davon auszugehen ist, dass Luxemburg in der nahen Zukunft vermehrt auf Zuwanderer aus Afrika und Asien angewiesen sein wird.


M-J Jacobs:
Wollen wir unseren Lebensstandard in den nächsten Jahrzehnten aufrechterhalten, sind wir in der Tat auf massive Zuwanderung angewiesen, die sich nicht mehr aus Europa allein speisen lassen wird. Leider wird diese Notwendigkeit von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen, obwohl es sich dabei um eine der wichtigsten Zukunftsfragen handelt.

d’Wort: Gilt für Zuwanderer aus völlig fremden Kulturkreisen eine andere Integrationspolitik als für Europäer?

M-J Jacobs: EU-Bürger kann man nicht zum Absolvieren von Sprach- oder Bürgerkundekursen zwingen. Sie für die einheimischen Gepflogenheiten zu interessieren, ist also ungemein schwieriger, insbesondere, wenn es sich dabei um Grenzgänger handelt. Die Bürger aus Drittstaaten kann man durch Auflagen einbinden. Ihnen wollen wir daher Integrationsabkommen anbieten, die sie zum Besuch von Sprach- und Bürgerkundekursen verpflichten.

d’Wort: Und wer an diesen Anforderungen scheitert, wird des Landes verwiesen?

M-J Jacobs: Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich wiederhole noch einmal: Wir sind auf die Arbeitskraft dieser Menschen angewiesen, damit unser Sozialsystem in naher Zukunft überlebt. Zuviel Strenge wäre kontraproduktiv.

d’Wort: Die Sprachkurse haben Sie bereits erwähnt. Arbeitsminister Biltgen erwägt eine Freistellung von 80 Stunden während der Arbeitszeit. Reicht das aus, um eine Sprache zu lernen?


M-J Jacobs:
Das hängt vom Kenntnisstand des Schülers ab. Immerhin können in diesen 80 Stunden die Grundlagen der Sprache erlernt werden. Wer sein Wissen vertiefen will, kann dies ja in Abendkursen oder während seiner Freizeit nachholen.

d’Wort, 13. August 2007, Joëlle MERGES