Tageblatt-Gespräch mit Laurent Mosar (CSV) über die Befindlichkeiten am Luxemburger Finanzplatz, dem noch das dritte Standbein fehlt
Der Jurist Laurent Mosar, der an der renommierten Pariser Sorbonne ein Studium der politischen Wissenschaften, den bekannten “sciences po”, absolvierte, ist auch in Fragen der Telekommunikations- und Kabelnetzbetreiber bestens auf dem Laufenden.
Entgegen seinem Parteikollegen Lucien Thiel, den wir letzte Woche an dieser Stelle zu Wort kommen ließen, war die politische Karriere des Laurent Mosar durch die seines Vaters, dem früheren EG-Energiekommissar Nic Mosar, in dessen Kanzlei er auch seinen Stage zum Anwalt absolvierte, sozusagen vorgezeichnet.
“Am Krautmarkt gilt er als engagierter Finanz- und Medienfachmann, was ihm nicht zuletzt bei der Novellierung des Pressegesetzes zugute kam. Öffentliche Sicherheit ist eine weitere seiner Prioritäten, bei der er sein juristisches Fachwissen einzubringen vermag”, mit diesen Worten beschreibt ihn jedenfalls seine Partei.
Da sich unser Fragenkatalog zum Luxemburger Finanzplatz nicht unendlich lang ergänzen lässt, werden wir wohl oder übel unserem heutigen Gesprächspartner ähnliche und gleich gelagerte Fragen stellen wie schon seinem Parteikollegen vor einer Woche.
Tageblatt: Vorweg eine schon im Vorspann angeschnittene Frage zu Ihrer politischen Prädisposition durch die Karriere Ihres Vaters: Hätten Sie sich auch eine rein private Aktivität vorstellen können? Oder anders ausgedrückt: Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie in der Politik landen würden?
“Schon recht früh. Sicher gibt es noch viele interessante Berufe, doch bin ich sehr zufrieden mit der Aufgabe, mich für die Belange meiner Mitbürger einzusetzen, was ich ja sowohl als Anwalt wie auch als Politiker tue.”
Tageblatt: Sie haben längst die Wichtigkeit der Medien entdeckt und trotzdem haben Sie schon mehrmals bedauert, dass die meisten Journalisten keine Sensibilität für Wirtschafts- und Finanzfragen entwickeln …
“Nicht unbedingt, obwohl die meisten Themen, die in den Medien behandelt werden, aus dem gesellschaftspolitischen Bereich stammen.”
Tageblatt: Vielleicht weil die Leute eher am Alltag interessiert sind und den Rahmen ihrer Lebensbedingungen anderen überlassen?
“Das ist durchaus verständlich. Auch ich bin nicht nur als Privatmann und Vater an der Familienpolitik interessiert, doch sollte man nicht vergessen, welchem Wirtschaftssektor wir seit der Stahlkrise in den 70er Jahren unseren Wohlstand verdanken. Mir kommen manchmal die Tränen, wenn ich die Begeisterung sehe, mit der diese Themen in unserer Gesellschaft behandelt werden. Das gilt aber nicht exklusiv für meine Kolleginnen und Kollegen auf Krautmarkt, auch in den Reihen der Medienvertreter scheint der Finanzplatz kein attraktives Thema zu sein.”
Tageblatt: Warum auch? Es funktioniert ja alles bestens. Der Journalist wird ja als Wachhund der Demokratie erst gefordert, wenn es Probleme gibt. Sie wissen ja, dass ein Hund, der einen Menschen beißt, unseren englischen Kollegen keine Nachricht wert ist. Erst die umgekehrte Situation wird zum Knüller …
” … in der Londoner City wird aber auch seitenweise über die Ereignisse des Börsen- und Finanzplatzes an der Themse berichtet.”
Tageblatt:Ein Punkt für Sie. Die sehr wichtige MIFID-Direktive, die am frühen Morgen des 11. Juli das nur spärlich gefüllte Parlament wie ein Brief bei der Post passierte, wurde im Vorfeld von den Medien nur knapp behandelt. Erst die anfänglichen Schwierigkeiten beim Umsetzen bis Allerheiligen scheinen das mediale Interesse geweckt zu haben. Doch ist kritischer Journalismus überhaupt noch gefragt?
“Ich bin einfach nur enttäuscht darüber, dass so wenig Leute sich überhaupt Gedanken über unseren Finanzplatz machen, wie er funktioniert und wie wir ihn noch verbessern könnten.”
Tageblatt: Was können wir denn tun, um ihn zu verbessern?
“Wir haben in letzter Zeit eine Reihe von legislativen Instrumenten geschaffen, wie das Gesetz über die Spezialfonds, das Gesetz der neuen SPF (Societe de gestion de patrimoine familial), das die durch Direktiven aus Brüssel bis 2010 obsolet gewordene Regelung über die Holdings jetzt schon ersetzt.”
Tageblatt:Das betrifft ja nun die privaten Anleger, wie verhält es sich denn mit den institutionellen?
L. M.: “Genau das ist der Knackpunkt. Hier muss noch ein drittes Instrument her, um den großen internationalen Wirtschafts- und Finanzgruppen einen juristisch einwandfrei abgesteckten Rahmen für ihre Aktivitäten in Luxemburg zu bieten.” ”
Tageblatt: Hier ist also Ihr Parteikollege Luc Frieden gefordert.
“Der für den Finanzplatz zuständige Budgetminister hat schon mehrmals durchblicken lassen, dass er sich dieser Problematik bewusst ist und hat einen dementsprechenden Gesetzes- Vorschlag in Aussicht gestellt, der noch in diesem Jahr deponiert werden soll.”
Tageblatt: Der wie gewohnt die parlamentarische Hürde mit Abstand nehmen wird. Werden wir, wie einst unsere Festung zum Gibraltar des Nordens, denn nun definitiv zum Monaco des Wälderdepartements?
Allein bei der Geldwäsche, auch wenn das von unseren Nachbarn oft bezweifelt wird, haben wir eine der striktesten Gesetzgebungen überhaupt. Auch bei der gerichtlichen Zusammenarbeit in Sachen internationales Strafrecht oder beim europäischen Haftbefehl brauchen wir uns keineswegs zu verstecken.”
Tageblatt: Wir haben schon im Gespräch mit Ihrem Parteikollegen Lucien Thiel die Bestandsaufnahme zurückbehalten, dass wir uns schlecht im Ausland verkaufen und unbedingt eine Promotionsagentur brauchten, um diesen Missstand zu beheben. Was meinen Sie dazu?
“Es ist nicht der einzige Bereich, in dem wir nachbessern müssen. Auch unsere wirtschaftliche und politische Lobbyarbeit in Brüssel und auf anderen EU-Entscheidungsplätzen muss unbedingt performanter werden, wenn wir auch in Zukunft prosperieren wollen.”
Tageblatt: Doch kurz zur Geldwäsche: Bei den Übernahmen oder Fusionen von Firmen, hauptsächlich im Kommunikations- und IT-Bereich, werden oft astronomische Summen gezahlt, die keineswegs der bis dahin erwirtschafteten Erträge entsprechen. Bei diesen Deals mit sogenannten “futures” kommen sogar wohlwollende Experten auf den Gedanken, es könnte sich um Geldwäsche handeln. Müssten wir unsere Gesetzgebung in diesem Punkt nicht vielleicht nachbessern?
“Wissen Sie, es gibt keine 100-prozentige Sicherheit. Auch mit einer noch so performanten Gesetzgebung lassen sich nicht alle Schlupfwinkel für kriminelle Energie komplett schließen. Das gilt für alle Finanzplätze dieser Welt. Wir haben zurzeit gute Gesetze, wir müssen sie nur richtig auslegen und konsequent anwenden.”
Tageblatt: Schaut man sich die Personaldecke unserer richterlichen und polizeilichen Instanzen an, drängt sich die Frage auf, ob nicht vielleicht hier der Hase im Pfeffer liegt?
“Obwohl unsere wirtschaftliche Staatsanwaltschaft auf dem letzten Stand gehalten werden muss, bin ich der Meinung, dass in dieser Frage in letzter Zeit doch sehr viel geschehen ist. Der Personalbestand wurde aufgestockt …”
Tageblatt: … auf zweieinhalb Richterposten und einen Wirtschaftsexperten!?
“Man kann natürlich stets behaupten, das würde nicht genügen. Man darf aber bei dieser Kontrollaufgabe die Bankenaufsicht (CSSF) nicht vergessen, die für die Entdeckung und Meldung von möglichen Geldwäscheaktionen zuständig ist, während die Staatsanwaltschaft diese Dossiers weiter verfolgt.”
Tageblatt: Könnte man diese beiden Akteure nicht enger aneinanderbinden und eine übergeordnete Kontrolfinstanz schaffen?
“Diese Idee einer einzigen Kontollinstanz, für die ich eindeutig plädiere, kommt bei den Insidern des Finanzplatzes regelmäßig zur Sprache. Für einen kleinen und überschaubaren Finanzplatz wie Luxemburg wäre es eine gute Gelegenheit, Kompetenzen zu bündeln, um schneller auf verschiedenen Dossiers zu arbeiten und schon in der Anfangsphase mögliche Turbulenzen vom Standort fernzuhalten.”
Tageblatt: Doch hat ein kleiner und überschaubarer Finanzplatz wie Luxemburg auch seine liebgewonnenen Gewohnheiten, und seine Akteure lieben es nicht, wenn sie aus ihrem gewohnten Alltagstrott herausgerissen werden.
“Sicher werden viele zu Recht behaupten, dass unsere aktuellen Institutionen mit ihren jeweiligen Kompetenzen bestens funktionieren. Die Frage stellt sich, ob der politische und finanztechnische Wille besteht, all diese Kapazitäten, auch die des Versicherungssektors, in einer neu zu schaffenden Kontrollinstanz zu bündeln.”
Tageblatt: Wer soll diese Kontrollinstanz im Sinne der Gewaltentrennung denn kontrollieren?
“Natürlich kommt es nicht in Frage, diese Instanz, die unbedingt unabhängig arbeiten muss, im Finanzministerium anzusiedeln. Allein schon aus Gründen der angesprochenen Gewaltentrennung. Für mich persönlich gibt es jedenfalls mittel- und langfristig keinen anderen Weg, die Kräfte dieser drei Instanzen zu bündeln.”
Tageblatt:Nach dem Motto “Kontrolliere dich selbst, damit kein anderer dich kontrolliert”. Apropos Kontrolle: Was halten Sie als Abgeordneter von der Verwaltung des Staatshaushaltes, bei dem die Projekte regelmäßig sowohl zeitlich wie finanziell überzogen werden?
“Nun, ich meine, dass wir, außer einigen “cas de force majeure” wie dem Bau der Tunnels an der Nordautobahn, diese Situation langsam, aber sicher in den Griff bekommen. Sie müssen aber auch bedenken, dass Projekte wie der Umbau des früheren ‘Tramsschapp’ auf Limpertsberg wegen eines Einspruchs aus der Bevölkerung rund vier Millionen Euro teurer werden als ursprünglich geplant.”
Tageblatt:Einige Worte noch zur MiFID-Direktive, die wir ja mit der Umsetzung in nationales Recht in trockenen Tüchern haben …
” … nicht ganz, es fehlt noch der Bereich der institutionellen Anleger. Hier plädiere ich für einen Ausbau der 1990 gesetzlich verankerten Finanzbeteiligungsgesellschaften (Soparfi), die, wie schon vorher angeklungen, eine gute Alternative zu den früheren Holdings bieten. Außerdem sollte das bei unseren belgischen Nachbarn bestens funktionierende System der “interets notionnelles” eingeführt werden, das nicht spekulative, also mehr als sechsmonatige Geldanlagen von der Besteuerung des Mehrwertes befreit; und die Kapitalsteuer, die eh bis 2010 in der EU abgeschafft werden soll, könnte schon etwas eher auslaufen.”
Tageblatt:Doch nun zum Arbeits- markt in Luxemburg, der mit steigender Arbeitslosigkeit bei ständiger Schaffung von Arbeitsplätzen durchwegs als untypisch bezeichnet werden kann. Was machen wir, pardon die Politiker hier falsch?
“Nun, was die Arbeitsplätze auf dem Finanzplatz anbelangt, so muss man feststellen, dass sie den Qualifikationen der in Luxemburg gemeldeten Arbeitslosen nicht entsprechen, um es einmal anders zu beleuchten.”
Tageblatt: Sogar die Großregion, die von den Headhunters auf der Suche nach qualifiziertem Personal schon abgegrast wurde, kommt als Reservoir nicht mehr in Frage. Wenn wir die neuen EU-Staaten mit unserer egoistischen Rekrutierungspolitik also nicht weiter aussaugen und trotzdem unser Problem lösen wollen, dann müssen wir notgedrungen unser Ausbildungssystem den Gegebenheiten anpassen?
“Die Situation beginnt in der Tat, dramatisch zu werden. Erst kürzlich las ich in der belgischen Presse, dass zwei private Luxemburger Steuerbüros allen Abgängern der Sekretärinnenschulen der Provinz Luxemburg automatisch eine Beschäftigung garantieren.”
Tageblatt:Und die fehlen dann an den Orten, die für ihre Ausbildung bezahlten.
“Das ist natürlich die andere Seite der Medaille. Ich sprach kürzlich auf einer internationalen Konferenz mit dem bulgarischen Vertreter, der darüber klagte, dass in den letzten Jahren 1,5 Millionen meist gut ausgebildete Leute den Weg ins besser bezahlende Ausland angetreten haben.”
Tageblatt:Und dann bleiben in diesen Ländern meist nur Leute zurück, die peinliche Eliten wählen, wie wir sie zurzeit in Polen erleben …
Und das genau ist ja auch die Ursache, warum die Entwicklung im Ausbildungswesen der Situation auf dem Arbeitsmarkt nie richtig nachkommt. Heute verändern sich die Bedürfnisse der Privatindustrie mit einer Geschwindigkeit, der die öffentlichen und vielfach auch die privaten Schulen nicht gewachsen sind.”
Tageblatt:Welche gesellschaftspolitischen Bereiche findet der Politiker Mosar wichtig, um die Wirtschaft voranzutreiben?
“Allgemein würde ich sagen die von mir eingebrachten Gesetzesvorschläge zur Handhabung des Familiennamens und die Novelle zur “autoritc parentale conjointe”, die beide der modernen Lebensweise in unserer Gesellschaft entsprechen. Wenn Sie nun aber nach dem Nutzen für die Wirtschaft fragen, dann vor allem das Gesetz über die doppelte Nationalität, damit endlich die bei uns lebenden ausländischen Gäste, die dieses Land wirtschaftlich voranbringen, während wir Luxemburger teilweise nur den von ihnen erbrachten Wohlstand verwalten, endlich ein politisches Mitsprache- und ein gesellschaftliches Gestaltungsrecht bekommen.”
Tageblatt:Da werden heilige Kühe in Staatsdiensten am Grasen gehindert.- Wir hörten diesen Vorwurf schon des Öfteren aus den Reihen der bei uns in den Chefetagen arbeitenden ausländischen Bevölkerung, es von einem Luxemburger Politiker zu vernehmen, lässt Hoffnung aufkommen. Oder?
Man kann also davon ausgehen, dass zurzeit im Großherzogtum zwei Gesellschaften nebeneinander existieren und drei Viertel der hier arbeitenden Menschen kein Mitbestimmungsrecht haben. Das muss aufhören. Deshalb hat das Gesetz über die doppelte Nationalität für mich absolute Priorität.” –
Das Gespräch führte Carlo Kass
QUELLE: Tageblatt vom 23. Juli 2007