„Warum tun wir uns so schwer?“

Parlamentsarbeiten, Öffentliche Finanzen, IVL … CSV-Fraktionspräsident Michel Wolter im Wort-Interview

Stille Tage auf Krautmarkt? Nichts da, meint CSV-Fraktionspräsident Michel Wolter. Die CSV/LSAP-Koalition macht ihre Arbeit und wird das Regierungsprogramm fristgerecht in die Tat umsetzen. Da ist sich Wolter sicher. Die Landesplanung müsste Chefsache werden, findet der frühere Innenminister und die Entscheidung, ob Roude Léiw oder Trikolore, solle nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.

Herr Wolter, in letzter Zeit scheint es auf Krautmarkt etwas ruhig geworden zu sein?

Den Eindruck habe ich nicht. Die Funktionsweise des Parlaments hat sich eben geändert. Man darf sich nicht allein auf die öffentlichen Sitzungen fokussieren. Die Kommissionen arbeiten sehr intensiv an Gesetzvorlagen und einer Reihe von Orientierungsdebatten. Dort findet die eigentliche Arbeit statt.

Dennoch ist keines der gesetzlichen Flaggschiffe der Koalition spruchreif. Pacte Logement, doppelte Staatsbürgerschaft…

Eine Gesetzvorlage hat einen langen Weg vor sich. Das Parlament ist nicht immer Herr über die eigene Agenda. Das Verfahren sieht viele Teilnehmer vor, vom Staatsrat bis zu den Berufskammern.

Sie könnten ja das Verfahren ändern, wenn es so schwerfällig ist.

Das dürfte sehr schwer werden.

Läuft der Koalition nicht so langsam die Zeit davon?

Es ist ja nun wirklich nicht so, als ob in den letzten drei Jahren nichts passiert sei. Man darf nicht vergessen, dass die Ratspräsidentschaft die innenpolitische Agenda während gut einem Jahr blockierte. Das Referendum über die EU-Verfassung nahm Zeit in Anspruch. Die Tripartite-Beschlüsse mussten in die Tat umgesetzt werden. Ich glaube nicht, dass die Koalition eine wesentliche Kreuzung in den letzten Jahren verpasste. Zudem haben wir noch eine ganze Reihe von Vorlagen in der Pipeline. Ich gehe zum Beispiel davon aus, dass das Gesetz über die Sterbebegleitung, das neue Scheidungsgesetz und die doppelte Staatsbürgerschaft noch in diesem Jahr verabschiedet werden können.

Ende 2005 forderte die CSV-Fraktion lautstark einen strengeren Sparkurs. Inzwischen steigen die Einnahmen des Staates wieder. Alles Schall und Rauch?

Mitnichten. Der Zentralstaat hatte 2006 immer noch ein Defizit von rund 500 Millionen Euro, trotz Mehreinnahmen. Nur durch den Überschuss bei den Sozialversicherungen kriegen wir gesamtstaatlich gesehen die Kurve. Das ist übrigens eine große Gefahr für die Stabilität der öffentlichen Finanzen in den kommenden Jahren. Seien wir froh, dass die finanzielle Lage jetzt besser ist als erwartet. Bedenken wir trotzdem, dass die Mehreinnahmen 2006 – wie vom Börsengeschäft und dem ArcelorMittal-Deal – auf wackligen Füßen stehen oder einmalig waren.

Öffentliche Finanzen: Die Marschroute der Koalition ist klar

Vor allem der Koalitionspartner LSAP und deren Präsident Alex Bodry warfen Ihnen vor, viel Aufregung um nichts verursacht zu haben.

Ich habe den Eindruck, dass es in diesem Punkt bei der LSAP zwei Stimmen gibt. Jene der sozialistischen Regierungsmitglieder und die ihres Parteipräsidenten. Aber das soll die CSV nicht weiter beschäftigen. Die Marschroute der Koalition ist klar. Der Haushalt des Zentralstaats muss mittelfristig ins Gleichgewicht gebracht werden.

Mit Herrn Bodry sitzen Sie der Spezialkommission zur Territorialreform vor. Dieser Ausschuss sollte die Strukturen des Landes den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anpassen. Wie kommen diese Arbeiten voran?

Bei der Bewältigung dieser Aufgabe ist nicht nur die Kommission gefordert. Auch die Regierung muss sich einbringen. Die Kommission hat der Regierung kürzlich einen Fragekatalog übermittelt. 40 wesentliche Optionen, zu denen wir nun eine Stellungnahme der Regierung erwarten. Wissen Sie, ich habe nach wie vor den Eindruck, dass die Landesplanung immer noch nicht als übergreifende Politik von der Regierung angesehen wird. Der Landesplanungsminster wird ziemlich allein gelassen. Dabei wäre ein Ruck nötig, um die ressortübergreifende Funktion der Landesplanung zu unterstreichen. Vielleicht sollte man die Landesplanung beim Premierminister ansiedeln, um ihr den nötigen Respekt zu verschaffen. Menschen, die wie Dieter Ewringmann, von außen einen Blick auf uns werfen, bestätigen, dass das IVL-Konzept angewendet werden muss. Warum tun wir uns nur so schwer?

Der Finanzwissenschaftler Ewringmann mahnt doch auch dazu, in erster Linie die 39 IVL-Gemeinden zu unterstützen und nicht mit der Gießkanne alle Gemeinden zu fördern, wie es im Pacte Logement angestrebt wird.

Ich teile die Meinung, dass die IVL-Gemeinden prioritär gefördert werden sollen. Dieter Ewringmann bestätigt auf der ganzen Linie die Ansichten des früheren Landesplanungsministers.

Wenn die Spezialkommission sich nicht einigen kann, wieso setzen sich die Koalitionspartner nicht zusammen und handeln?

Wir suchen einen größtmöglichen Konsens. Diesen zu erreichen ist schwer, weil Politiker ihre Gewohnheiten ändern müssten. Schließlich muss man bei diesem Thema weit über den Horizont der nächsten Wahlen hinausblicken. Deshalb hält sich die Begeisterung in Grenzen. Dabei hat sich kürzlich in einer LW-Umfrage eine breite Mehrheit für die Fusionen von Gemeinden ausgesprochen.

Sie haben mit dem Vorschlag, die Trikolore gegen den Roude Léiw einzutauschen, eine leidenschaftliche Diskussion im Land ausgelöst.

Den Wechsel haben die Leute doch längst in der Praxis vollzogen. Überall, wo man hinkommt, wenn es darum geht, Luxemburg darzustellen, hat der Löwe die Trikolore bereits abgelöst. Eine Mehrheit der Bevölkerung will sich nicht damit abfinden, ständig mit den Niederländern verwechselt zu werden.

Sind Sie nicht der Meinung, dass die Fahnendebatte demnächst ein Ende finden müsste?

30 000 Bürger haben sich über Internet geäußert. Eine Umfrage ergab, dass 70 Prozent, die eine Meinung zu dieser Frage haben, für den Roude Léiw sind. Das ist beachtlich. Die Menschen haben ein Recht auf eine Antwort der Politik.

Quelle: Wort, 9. Juni 2007, Laurent Zeimet