Gemeindefusionen und kommunale Zusammenarbeit: Gut möglich, dass die politische Karte Luxemburgs in den kommenden Jahren mehr als eine Veränderung erfährt. Fragen an Innen- und Landesplanungsminister Jean-Marie Halsdorf, der früher selbst an der Spitze einer Gemeinde stand
Innen- und Landesplanungsminister Jean-Marie Halsdorf im Gespräch mit Wort-Journalist Luc Marteling, 4. April 2007
Herr Minister, wie viele Gemeinden befassen sich zurzeit – mehr oder weniger konkret – mit dem Thema Fusion?
In neun Gegenden des Landes wird über eine engere Zusammenarbeit oder Fusion nachgedacht. Ich plädiere aber für eine nuancierte Sicht der Dinge, denn nicht überall sind die Ziele identisch und nicht überall befinden sich die Gespräche in dem gleichen Stadium.
Um welche Gemeinden handelt es sich genau?
Der Reihe nach: Erstens: Clerf, Heinerscheid und Munshausen halten im Herbst ein Referendum zum Thema Fusion ab. Nach den Gemeindewahlen 2011 wäre sie dann Realität. Zweitens: Zwischen Hosingen und Consthum laufen seit kurzem Gespräche. Drittens: Esch/Sauer und Heiderscheid bewegen sich ganz konkret in Richtung Fusion. Viertens: Die Gemeinde Neunhausen lotet zurzeit drei Pisten aus. Sie steht in Kontakt zu den Gemeinden Wahl und Rambrouch sowie zu den fusionswilligen Nachbarn Esch/Sauer und Heiderscheid. Fünftens: Gespräche laufen auch zwischen Eschweiler und der Fusionsgemeinde Kiischpelt. Sechstens: Die Gemeinden Fischbach, Heffingen, Nommern und Fels bereiten sich zurzeit auf eine intensive Zusammenarbeit vor, einige haben sich auch schon zu einer Fusion bekannt. Siebtens: Simmern und Tüntingen wollen fusionieren. Achtens: Böwingen/Attert und Saeul streben eine enge Zusammenarbeit vor allem in den Bereichen Schule und Sport an. Neuntens: Enger zusammenarbeiten wollen auch die Gemeinden Bürmeringen, Schengen und Wellenstein.
“Die Bevölkerung muss gefragt werden”
Wie begleiten Sie als Innenminister diese Prozesse?
Gemeinden, die eine engere Zusammenarbeit anstreben, können sich an den zuständigen Distriktskommissar oder direkt an mich wenden. Dann kommt es zu einem ersten Gedankenaustausch, in dem wir vor allem den Gemeindevertretern zuhören. Wir erläutern die einzuhaltenden Prozeduren und die Vorteile einer Fusion. Dann liegt der Ball bei den Gemeinden. An einem Referendum führt aber kein Weg vorbei, denn die Bevölkerung muss gefragt werden, wenn es zu einer Veränderung der Gemeindegrenzen kommt. Zuvor stehe ich der Bevölkerung Rede und Antwort. Das Fusionsgesetz arbeiten Innenministerium, Gemeinden und Distriktskommissar gemeinsam aus.
Wie macht die Regierung den Gemeinden Fusionen schmackhaft?
Die Regierung honoriert Fusionen mit einem finanziellen Sonderbeitrag von 2 500 Euro pro Einwohner. Sollte aber eine Gemeinde mit einer Fusionsgemeinde zusammengehen, dann wird der Betrag nur für die Einwohner der noch nicht fusionierten Gemeinde gezahlt. Das Geld, das es zusätzlich zu den gängigen staatlichen Unterstützungen gibt, ist für Projekte bestimmt, die in einem Zehnjahreszeitraum umzusetzen sind. In Konventionen können darüber hinaus besondere Unterstützungen von Ministerien für Projekte festgelegt werden.
Fordern Sie noch andere Gemeinden auf, den Weg einer Fusion einzuschlagen?
Jede Form von Zusammenarbeit muss freiwillig erfolgen! Ich stehe zu der “Autonomie communale”. Das heißt aber auch, dass die Gemeindepolitiker entscheiden müssen. Meine Rolle ist eher die eines Beraters. Ich nehme sie mit Freude an und fülle sie aktiv aus. Aber es bleibt bei der Beratung.
Wie bewerten Sie Ihren Handlungsspielraum in puncto Fusionen?
Ich kann mich eigentlich nur durch Aufklärungsarbeit nützlich machen. Ich habe also gar nicht die Absicht, jemandem etwas zu diktieren oder aufzuzwingen. Mat Knëppele fänkt ee keng Vullen!
Welche Entwicklung erwarten Sie bei der Zahl der Gemeinden?
Als kritische Masse für eine moderne Gemeinde gelten 3 000 Einwohner. Zum 1. Januar 2006 hatten wir 76 Gemeinden, die davon weit entfernt waren. 22 hatten sogar weniger als 1 000 Einwohner. In meinen Augen sind also viele Fusionen unumgänglich. Aber die Gemeindeväter müssen selbst entscheiden, wie sie den Bürgern die Basisdienste anbieten wollen – Stichwort Gemeindeautonomie. Ich bin aber der Überzeugung, dass eine große, starke Gemeinde sich besser selbst verwalten und von einem höheren Autonomiegrad profitieren kann als eine kleine.
Quelle: D’Wort, 4. April 2007, Luc Marteling