CSV Fraktionspräsident Michel Wolter: “Der “Geist von Berlin” hat es möglich gemacht, dass alle Mitgliedstaaten sich in dem Beschluss wieder finden, die Verfassungskrise zu überwinden und den Weg zu neuen europäischen Erfolgen zu beschreiten
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben am 25. März in der deutschen Hauptstadt feierlich die “Berliner Erklärung” unterschrieben – ein gemeinsames Engagement, um die Union wieder auf die Fortschrittsschiene zu bringen.
Dass fünfzig Jahre nach dem Abschluss der Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und EURATOM 27 Mitglieder der Union zusammen feiern können, ist an sich schon Zeugnis genug für den Erfolg des europäischen Einigungsprojektes. Dass im März 2007 die Bürger des unabhängigen Slowenien mit Euros zahlen, während ihr Staat vor 17 Jahren noch Teil des kommunistischen Jugoslawiens war, beweist die Anziehungskraft des europäischen Integrationsmodells. Die EU erstreckt sich heute bis auf das Territorium der ehemaligen Sowjetunion, deren drei baltische Teilstaaten der der Europäischen Union vor drei Jahren freiwillig und mit Begeisterung beigetreten sind.
Trotzdem steckt die EU heute in einer Krise, ausgelöst durch die Unmöglichkeit, unionsweit den Verfassungsvertrag zu ratifizieren und in Kraft zu setzen. Ohne einen solchen Grundlagenvertrag wird die EU jedoch nicht dauerhaft mit 27, 30 oder gar noch ein paar weiteren Mitgliedsstaaten funktionieren können. Ihr institutioneller Aufbau, ihre Entscheidungsmechanismen, ihre Zuständigkeiten und die Wirksamkeit ihrer Politiken bedürfen einer vertraglichen Basis, die auf die Wirklichkeit von heute zugeschnitten ist. Was mit 6 Ländern möglich war, läuft in einer Union von 27 Ländern eben nicht mehr rund.
Die alte EGKS steckte vor den römischen Verträgen ebenfalls in einer Krise. Knapp drei Jahre vor dem Erfolgsmoment auf dem Kapitol hatte Frankreich die Ratifizierung des Vertrags über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft abgelehnt. Dieser Vertrag hätte eine europäische Armee mit Beteiligung von deutschen Soldaten geschaffen, eingebettet in eine politische Union mit föderalen Institutionen. Dazu sollte es allerdings nicht kommen: das französische Nein von 1954, genau wie jenes von 2005, stellte plötzlich die Zukunft der europäischen Einigung infrage – gerade mal drei Jahre, nachdem die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl gegründet worden war.
Der Weg aus der Krise führte damals über die Konferenz von Messina, wo sich die sechs Außenminister von 1955 unter dem Vorsitz von Staatsminister Joseph Bech darauf einigen konnten, die militärische und politische Integration einstweilen durch eine wirtschaftliche zu ersetzen. Und so begann die Ausarbeitung der Verträge von Rom, die im Frühjahr 1957 unterschrieben werden konnten. Der neue Anlauf Europas wurde damals dem “Geist von Messina” zugeschrieben – dem Willen der sechs Gründerstaaten, in ihrem Streben nach europäischer Einigung trotz eines herben Rückschlags fortzufahren.
Nun haben sich 27 Regierungschefs in Berlin darauf geeinigt, dass die Union bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 auf eine erneuerte Grundlage gestellt werden soll. Der “Geist von Berlin” hat es möglich gemacht, dass alle Mitgliedstaaten sich in dem Beschluss wieder finden, die Verfassungskrise zu überwinden und den Weg zu neuen europäischen Erfolgen zu beschreiten. Das ist eigentlich auch ein Grund zum Feiern.
Michel Wolter
Fraktionspräsident der CSV