Europa hat gefeiert! Was nun?

Astrid Lulling, Europaabgeordnete: “Weil es in den 50 Jahren nach jedem Misserfolg dennoch wieder genug Mut und Vorstellungskraft gab, unser Europa weiterzubringen, dürfen wir auch heute nicht verzagen”

Das Wochenende vom 23. bis 25. März stand in der Europäischen Union ganz im Zeichen der Feiern zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Verträge von Rom zur Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Euratom.

Die Luxemburger wissen bestens dass der Prozess zur europäischen Integration eigentlich 1950 mit der Erklärung Schumans begann, die zum Pariser Vertrag zur Schaffung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl führte, die 1952 ihre Arbeiten in Luxemburg aufnahm, begann.

Für uns und auch für mich ist die Geburtsstunde der europäischen Integration eigentlich 1950, konkretisiert ab 1952, mit der Aufnahme der Arbeiten der EGKS und aller ihrer Organe: Hohe Behörde, Ministerrat, Gemeinsame Versammlung, Beratender Ausschuss, in Luxemburg.

Den Pariser Vertrag gibt es heute nicht mehr. Vom Euratom-Vertrag, den es noch gibt und der seine Daseinsberechtigung mehr denn je hat, wagte leider niemand zu reden. Schade!

Dass wir die 50 Jahre Römische Verträge feiern, die schließlich zur Europäischen Union weiterentwickelt wurden, macht Sinn.

Besonders in dieser Zeit, wo wir mit dem Scheitern des Entwurfs zu einem Verfassungsvertrag in Frankreich und in den Niederlanden konfrontiert sind, und weder der Ministerrat, noch die Kommission oder das Parlament ein Patentrezept haben, wie wir aus dieser misslichen herauskommen können.

Deshalb hat auch die Erklärung von Berlin, anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge, ihre Bedeutung.

Sie wurde teils kritisiert, weil die Aneinanderreihung von Binsenwahrheiten, die sicher gut tun, in Erinnerung gerufen zu werden. So manchen erscheint sie aber etwas zu dünn. Dass insbesondere nach 50 Jahren europäischer Integration, die für Frieden gesorgt und zu einem nie da gewesenen Wohlstand auf unserem Kontinent geführt hat, auch wenn nicht alle von der gesteigerten Lebensqualität profitieren und wir uns über die steigende Armut einiger Bevölkerungsgruppen, auch in “reichen Ländern” wie Luxemburg, ernsthafte Sorgen machen müssen.

Die Berliner Erklärung wird aber auch gewürdigt, weil sie unsere Wertvorstellungen zementiert, unsere gemeinsamen Anliegen und Vorstellungen unterstreicht, kurz an das, was uns vereint, erinnert.

Das ist wichtig, nach 50 Jahren, in denen viel erreicht wurde, während denen wir aber auch bittere Rückschläge in Kauf nehmen mussten.

Weil es in den 50 Jahren nach jedem Misserfolg dennoch wieder genug Mut und Vorstellungskraft gab, unser geeintes, friedliches, demokratisches, solidarisches Europa weiterzubringen, dürfen wir auch heute nicht verzagen.

EU entscheidungsfähig machen

Wichtig ist, dass man sich in Berlin einig wurde, bis zu den nächsten Europawahlen von 2009, “die Europäische Union auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen”.

Bedauerlich ist, dass es zwei Staats- und Regierungschefs aus Polen und Tschechien, schon in Berlin nicht lassen konnten, sich von dieser einzigen konkreten Aussage zu distanzieren.

Es ist wohl an der Zeit denjenigen, die sich so verhalten, klarzumachen, dass sie die überwältigende Mehrheit der Mitgliedstaaten nicht mehr davon abhalten können, unsere europäische Union nach der Erweiterung auf 27 Mitgliedsstaaten entscheidungsfähig zu machen. Das ist auch möglich ohne Verfassung, nach einer Parlamentsratifizierung der im Verfassungsvertrag vorgeschlagenen Entscheidungsprozeduren, die ja alle Mitgliedsstaaten unterzeichnet haben.

Wenn man sich, in einer Regierungskonferenz bis Ende 2007 auch noch darauf einigen kann, andere unumstrittene Vorschläge dieses Verfassungsvertrags parlamentarisch zu ratifizieren, um so besser.

Auch kleine, konkrete Schritte, wenn der große “Bond” vorwärts noch nicht gelingt, sind ein Fortschritt.

Daran soll vor allem das europäische Parlament arbeiten, das, wie schon so oft, fähig sein muss, “d’Kaar aus dem Dreck ze zéien” wie wir Luxemburger uns auszudrücken pflegen.

Astrid Lulling
Europaabgeordnete, 1965-1974 und seit 1989