“Ansprüche der Bürger zufriedenstellen”

Im “Wort”-Gespräch erläutert Gilles Roth, Präsident der “Chrëschtlech-sozial Gemengereit”, wie die Gemeinden in Zukunft ihre Aufgaben zur Zufriedenheit ihrer Bürger meistern sollen

Quelle: D’Wort, 9. März 2007, Marc Schlammes

Die Ansprüche der Bürger zufriedenstellen.” In einem kurzen, klaren Satz resümiert Gilles Roth, Präsident der “Chrëschtlech-sozial Gemengereit”, die Aufgabe einer Gemeinde. In jüngster Vergangenheit sind diese Ansprüche gewachsen, vor allem als Folge der veränderten gesellschaftlichen Begebenheiten.

Gilles Roth ist in seiner zweiten Mandatszeit Bürgermeister von Mamer und führt eine schwarz-rote Koalition in der Westgemeinde. Als Präsident der “Chrëschtlech-sozial Gemengereit” (CSG) und als Erster Vize-Vorsitzender des Syvicol ist er bestens vertraut mit dem kommunalpolitischen Geschehen. In absehbarer Zeit wird sich das politische Engagement des 39-jährigen CSV-Politikers zudem um eine neue Herausforderung erweitern: Roth soll die Nachfolge von Frunnes Maroldt in der “Chamber” antreten und damit zum Vollzeitpolitiker aufsteigen.

Bürgermeisteramt nicht zum Beruf machen

Vom Berufspolitiker auf Gemeindeebene hält Gilles Roth indes nichts. “Wir sollen das Amt des Bürgermeisters nicht zum Beruf machen. Das schadet letztlich dessen Unabhängigkeit”, erklärt Roth seinen Standpunkt. Je nach Größe der Gemeinde soll das Gemeindeoberhaupt jedoch die Wahl haben, sein kommunalpolitisches Engagement hauptamtlich auszuüben, verweist Roth auf die Initiative der christlich-sozialen und sozialistischen Gemeindepolitiker, den “congé politique” auszuweiten. Die angemessene Nutzung von ausreichend verfügbarem politischem Urlaub sieht Roth als beste Möglichkeit, Beruf und Berufung zu vereinbaren.

Ebenso wenig angetan ist Roth von einer Trennung zwischen kommunal- und nationalpolitischem Mandat. “Die allgemeine Ausübung des passiven Wahlrechtes soll die Regel bleiben“, lautet seine Devise.

Was nun die Größe der Gemeinde angeht, teilt Roth die Auffassung von Innenminister Jean-Marie Halsdorf, dass eine kritische Masse von 3 000 Einwohnern vorhanden sein müsse. “Kleine Gemeinden werden der Vielzahl an Anforderungen nicht mehr gerecht“, plädiert der CSG-Chef für Fusionen und Kooperationen. Letztere sollen in erster Linie via Konveationen stattfinden. “Die konventionierte Zusammenarbeit ist weniger schwerfällig und weniger verwaltungsaufwändig als die Schaffung von Syndikaten“, erklärt Roth seine Sichtweise. Fusionen ihrerseits sollen von unten angestrebt und dürfen nicht von oben aufgezwungen werden – wobei für Roth feststeht, dass persönliche Interessen einzelner Kommunalpolitiker zurückgestellt werden müssen -“zum Wohl der Allgemeinheit“.

“Bürgernah und effizient”

Und was sind die Aufgaben der Gemeinden im 21. Jahrhundert? Bürgermeister Roth schickt voraus, dass die Gemeinden über einen gut funktionierenden Betrieb verfügen müssen, “bürgernah und effizient“. Mit Blick auf die Diskussionen im parlamentarischen Sonderausschuss meint Roth, dass z. B. im Bildungswesen die Bereiche Infrastrukturen und paraschulische Betreuung Sache der Gemeinden sein sollten. “Die Ausrichtung des Unterrichtes soll weiter auf nationalpolitischem Niveau erfolgen, und ich kann mir auch die Nominierungen durch die staatliche Ebene vorstellen“. In den Bereichen Abfallentsorgung, Wasserver- und Abwasserentsorgung stehe die Gemeinde selbstverständlich in der Pflicht. Wichtig für die Lebensqualität der Menschen sei außerdem ein Mindestmaß an kulturellem und sportlichem Angebot. “Das Soziale, Gesundheitsfürsorge und Altersvorsorge soll eine nationale Aufgabe sein“, legt sich der Deputierte in spe fest.

All diese Aufgaben müssen finanziert werden. Nach Dafürhalten von Gilles Roth schafft der Verteilungsmodus von Gewerbesteuer und “Fonds communal de dotation financière” zwar ein gewisses Gleichgewicht zwischen den Gemeinden. Diese Tatsache dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Geldfluss aus beiden Einnahmequellen für die Gewährleistung der Grundbedürfnissen nicht ausreiche und sich eine Anpassung nach oben aufdränge.

An der Gewerbesteuer als solche will Roth nicht rütteln. Zum einen biete sie der Gemeinde die Gelegenheit, einen gewissen wirtschaftlichen und damit auch sozialen Spielraum auszufüllen, “was dem Prinzip der Autonomie entspricht“. Zum anderen dürfe nicht verkannt werden, dass bei der Umverteilung der Gewerbesteuer dem demografischen Faktor in nicht unwesentlichem Maße Rechnung getragen werde. Handlungsbedarf sieht der CSV-Mann indes bei den staatlichen Zuwendungen für kommunale Infrastrukturen. “Hier mangelt es an Nachvollziehbarkeit und Planungssicherheit.

Vereinbarkeit zwischen der Gewährleistung von Grundbedürfnissen und dem Verursacherprinzip

Demnächst stehen den Gemeinden neue Aufgaben ins Haus. Stichwort “pacte logement”. Stichwort Wasserrahmenrichtlinie. Was Letztere und das Kostendeckungsprinzip anbelangt, ist Roth mit der Herangehensweise einverstanden, den Stellenwert des Wassers zu steigern und bis 2015 für saubere Gewässer zu sorgen. Gleichsam gibt er zu bedenken, dass eine konsequente Anwendung des Verursacherprinzips mit der Schaffung von sozialen Härtefällen einhergeht. “Die Gewährleistung von Grundbedürfnissen muss vereinbar bleiben mit dem Verursacherprinzip“, betont Roth.

Begrüßen tut er den “pacte logement”, “eine gute Sache, um das Angebot an Wohnraum zu erweitern“. Dass Wohnungsbauminister Fernand Boden mit seinem Vorstoß nicht auf taube Ohren stoße, belege die Tatsache, dass bereits ein Drittel der Gemeinden ihre Beteiligung in Aussicht gestellt habe, stellt Roth fest. Ebenso wichtig wie das Miteinander Staat-Gemeinden sei die Abstimmung Landesplanung- Wohnungsbau für das Gelingen des “pacte logement”. Aus eigener Erfahrung als Bürgermeister müsse er jedoch feststellen, dass das Gesetz vom August 2004 zu kompliziert und schwerfällig sei, um kurzfristig etwas zu bewegen. “Bleibt alles beim Alten, dann wird sich vor 2010 überhaupt nichts tun“, ist Roth wenig angetan von der aktuellen Gesetzgebung zur kommunalen Flächennutzung.

Bleibt das Syvicol. Das Syndikat der Gemeinden soll künftig eine aktivere Rolle spielen und einen ähnlichen Stellenwert wie die Berufskammern erhalten. Auch wolle sich das Syvicol für eine adäquate Formation der Gemeindepolitiker einsetzen, “die zu unseren absoluten Prioritäten zählt“. Sowohl was das Volumen als auch die Komplexität der Aufgaben angeht, ist eine angemessene Ausbildung, die beim Inap angesiedelt werden könne, nötig, damit auch die Gemeindepolitiker den Ansprüchen ihrer Bürger gerecht werden.

Quelle Wort, 9. März 2007, Marc Schlammes