Einheitsstatut: Eine Frage der Verantwortung

Michel Wolter, Fraktionspräsident: Politik, Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind sich einig, dass die Zeit für die Abschaffung des formalen Unterschiedes zwischen arbeitenden Menschen gekommen ist.”

Das ist gut so, und die Schaffung eines einheitlichen Arbeitnehmerstatuts ist eine wichtige gesellschaftliche Reform, die gelingen muss und gelingen wird.

Natürlich ist das Einheitsstatut nicht nur eine prinzipielle, sondern auch eine technische, eine gesetzgeberische Angelegenheit. Die Abschaffung des Unterschiedes zwischen Arbeitern und Privatbeamten muss im Arbeitsrecht und im Recht der sozialen Sicherheit organisiert werden. Dabei ist es wesentlich, dass die Tripartite-Vorgabe der gesamtwirtschaftlichen Neutralität der Operation eingehalten wird: Das einheitliche Statut darf der Wirtschaft insgesamt keine Mehrkosten aufbürden.
Vor allem die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist in dieser Hinsicht problematisch: Wenn die Betriebe zukünftig für alle Arbeitnehmer ab dem ersten Krankheitstag diese Zahlung übernehmen sollen, bedeutet das zumindest potenziell erhebliche Mehrausgaben für die Arbeitgeber. Im Idealfall dürfen sich jedoch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine erheblichen Beitragserhöhungen ergeben, die auch noch unsere Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen würden.

Mit einer Anpassung der Krankenkassenbeiträge ist die Sache demnach noch nicht abgehakt: Es bleibt das bekannte Problem der missbräuchlichen Krankheitstage. Und die müssen in den Griff zu bekommen sein. Das geht nur, wenn wir uns über die grundsätzliche Zielsetzung der Krankenversicherung und ihrer Leistungen einig sind. Die Krankenversicherung dient dazu, dass jeder Mensch im Ernstfall die bestmögliche medizinische Betreuung einer wirklichen Krankheit erhält – und dass jeder Mensch, der krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist, in dieser Situation auf die Fortzahlung seines Lohns Anspruch hat. Die Krankenversicherung ist eben nicht dazu da, eine mehr oder weniger hohe Zahl zusätzlicher Urlaubstage zu finanzieren. Und sie ist nicht dazu da, es Arbeitgebern im Fall weniger gefüllter Auftragsbücher zu erlauben, durch rein imaginäre Krankheitsfälle ihre laufenden Kosten zu senken.

Es ist eine fundamentale Frage von Verantwortung und Verantwortungsbewusstsein auf beiden Seiten: Wenn die Operation Einheitsstatut gelingen soll, muss das Bewusstsein einreißen, dass die Krankenversicherung nicht missbraucht werden darf. Wird sie das nämlich weiterhin, von Betrieben oder von Beschäftigten oder von beiden Seiten, dann hält sie den Erwartungsdruck, der auf ihr lastet, dauerhaft nicht aus. Wir haben in Luxemburg ein extrem leistungsfähiges System von Krankensicherung und Versicherungsleistungen, das nicht durch betriebliche oder persönliche Egoismen aufs Spiel gesetzt werden darf.

Die Schaffung des Einheitsstatuts ist die beste Gelegenheit, unseren Umgang mit den Krankenkassen in Richtung von mehr Redlichkeit und Verantwortung zu orientieren. Wenn wir nicht wollen, dass irgendwann wirklich kranke Menschen nicht mehr die benötigte Versorgung erhalten können, dann müssen wir dafür sorgen, dass in Zukunft eine Krankmeldung nur dann stattfindet, wenn tatsächlich Krankheit und Arbeitsunfähigkeit vorliegen. Es ist eben eine Frage der Verantwortung.

Michel Wolter, Fraktionspräsident der CSV