Multifunktionalität, Produktqualität, Nachhaltige Bewirtschaftung, Ausbildung der Junglandwirte … Marcel Oberweis, Präsident der Landwirtschaftskommission über die Ausrichtung des künftigen Agrargesetzes
Die Fertigstellung des neuen Agrargesetzes schreitet voran, bereits Ende Januar soll der erste Entwurf im Regierungsrat eingebracht werden, welches auf dem Plan zur Entwicklung der ländlichen Raumentwicklung (PDR) mit seinen vier Achsen aufbaut. Beide Vorlagen werden den benötigten Rahmen für die Landwirtschaft in den kommenden sieben Jahren, von 2007 bis 2103 aufspannen. Die nationale Strategie mit Datum vom 13. Oktober 2006, ein voluminöses Textwerk, zeigt die verschiedenen Achsen auf, durch welche sich die luxemburgische Landwirtschaft den Herausforderungen der kommenden Jahre stellen wird.
Multifunktionell und wettbewerbsfähig
Die Regierung läßt sich von der Maxime der Kontinuität leiten, wohlwissend, daß sich die Landwirtschaft in den Innovations- und Aufbruchprozeß der Europäischen Union zu Beginn dieses Jahrhunderts einbinden lassen muß. Die Zurverfügungstellung von 367,23 Millionen Euro, von denen 90 Millionen europäische Finanzmittel darstellen, beweist, daß die Landwirtschaft als wichtige Wirtschaftsbranche angesehen wird, die wir multifunktionell und wettbewerbsfähig halten wollen. Angesichts der auf Nachhaltigkeit ausgerichteten europäischen Politik muß sich auch die Landwirtschaft diesem Trend unterwerfen. Die zielorientierten Beihilfen werden dem neuen Agrargesetz den Stempel der Innovation aufprägen, dies insbesondere in den Bereichen Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe, des Tierschutzes sowie der Erhöhung der Qualität der landwirtschaftlichen Produkte. Dem letzten Bereich werden wir einen hohen Stellenwert in der Lebensmittelversorgung einräumen müssen, darüber hinaus jedoch den Konsumenten vor Augen führen, daß der Erwerb von gesunden und qualitativ hochwertigen Produkten aus dem heimischen oder regionalen Anbau viele Vorteile aufweist. Zusätzlich sieht der Gesetzgeber hohe Zuwendungen in den Bereichen Agrarumweltschutzmaßnahmen und Landschaftspflegeprämie vor, sind es doch diese beiden, die es uns ermöglichen die geerbten Landschaften im ländlichen Raum zu erhalten. Die ländliche Entwicklungspolitik leistet ihren Beitrag, um auch die aus der Lissabon-Strategie aufgezeichneten Ziele zu erreichen, insbesondere die Schaffung von dauerhaften Arbeitsplätzen.
Ein weiteres Arbeitsgebiet, mit welchem sich die Landwirtschaft in dem angebrochenen Jahr auseinandersetzen muß, ist dasjenige der genveränderten Substanzen (GVO) resp. OGM. Das diesbezügliche Gesetz wurde im parlamentarischen Ausschuß bereits diskutiert und es bedarf noch der Stellungnahme des Staatsrates. Bezüglich der Koexistenz zwischen der traditionellen und der biologischen Landwirtschaft gegenüber der GVO-Landwirtschaft muß dafür Sorge getragen werden, den Einfluß auf die beiden ersten zu verhindern. Wenn dies in einem großen Flächenstaat (u.a. Spanien) möglich ist, so darf dies nicht auf die geringe Landfläche Luxemburgs übertragen werden. Das vorliegende Gesetz zeichnet sich durch strenge Regeln aus, hinsichtlich der Distanzen zwischen den Parzellen, der Offenlegung gegenüber den benachbarten Kulturen sowie der Forderung nach einem Risikofonds. Die Abgeordneten werden sich hier ihrer Verantwortung nicht entziehen.
Anläßlich der Umweltkonferenzen wird Europa nicht müde zu betonen, daß es das ausgemachte Ziel ist, den sich abzeichnenden Temperaturanstieg auf maximal + 2°C zu begrenzen und den einhergehenden Klimawandel zu stoppen. In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission eindeutig gefordert, daß der Anteil der erneuerbaren Energiequellen auf 12% bis 2020 und der Anteil der Biokraftstoffe auf 5,75% bis 2010 gesteigert werden soll. Angesichts der hohen Importabhängigkeit der EU können diese Schritte nur begrüßt und tatkräftig unterstützt werden. Im Bereich der Nutzung der Biomasse wird die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten müssen, schon allein aus dem Grund, weil sich eine neue dauerhafte Erwerbsquelle aufbaut.
Ausbildung und Naturschutzgesetz
Wenn auch hohe Beihilfen ausbezahlt werden, ohne Investition in die Humanressourcen wird die Landwirtschaft nicht zu neuen Ufern aufbrechen können. Die Ausbildungswege in der Landwirtschaft werden überdacht werden und die Forderungen bezüglich der Mindestanforderung für die Installierung von Junglandwirten kann nur der Besitz des CATP-Diploms sein. Damit sich der Landwirt auch in anderen Bereichen des Wirtschaftslebens weiterbilden kann, um den anstehenden Anforderungen erfolgreich begegnen zu können, sollen durch Module im Rahmen einer Zusatzausbildung u.a. Kenntnisse über produktionstechnische Aspekte und Betriebswirtschaft erworben werden.
Die langjährige Forderung in der Ausbildung, den Meisterbrief einzuführen, steht im Koalitionsabkommen, die Politik wird hier Wort halten. Wenn die Lissabon-Strategie bemüht wird, um den Beschäftigten die Weiterbildung schmackhaft zum machen, dann gilt dies in einem verstärkten Maß für unsere Landwirte, welche sich den oft nicht einfachen Bedingungen des Weltmarktes stellen müssen. War noch vor Jahresfrist der Art 17. des Naturschutzgesetzes der sorgenvolle Stein des Anstoßes und der Zwietracht, so konnte dieses
Anliegen durch viele Diskussionsrunden und gegenseitiges Verständnis und Vertrauen sowohl auf Seiten der Landwirte als auch der Umweltschützer in ruhiges Fahrwasser gebracht werden. Anläßlich der Informationsversammlung im Agrocenter in Mersch am 20. Dezember 2006 wurde vermeldet, daß u.a. die Renaturierung im Alzettetal in der vorgesehenen Form nicht durchgeführt wird, denn die Kompensierungsmaßnahmen können nicht immer zu Lasten der Landwirtschaft gehen. Bezüglich der Baugenehmigungen in der Grünzone wird sich auch der Kompromiß abzeichnen, denn die mühevollen Kontroversen haben ausgedient.
Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft: Alle Akteure einbinden
Die Bemühungen zur Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft werden sich nur dann lohnen, wenn es uns gelingt, alle Akteure der Raumgestaltungsszene in diesen Prozeß mit einzubinden. Die neue Strategie des ländlichen Raumes im Planungszeitraum 2007-2013 kann jedoch nur von Erfolg gekrönt sein, wenn die Menschen in der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums eine Erhöhung ihrer Lebensqualität sehen.
Eine wichtige Aufgabe der kommenden Jahre wird in diesem Zusammenhang auch die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie bis zum Jahr 2010 werden, geht es schlicht und einfach um das Erreichen eines guten Zustandes aller Gewässer bis 2015. Ebenfalls wird im Bereich des Quellenschutzes und der Ausweisung von Schutzzonen eine offensivere Politik eingeläutet, immerhin kränkeln wir auf diesem Gebiet seit 1993. Ab 2015 darf kein Trinkwasser aus einer Quelle entnommen werden, welche nicht in einer Schutzzone liegt. Hier wird insbesondere die Landwirtschaft ihren Beitrag zum Wasserschutz und zu einem vernünftigen Naturschutz erbringen. In bezug auf die Nitratbelastung der Quellen fällt den Landwirten als wichtige Akteure auf dem Terrain eine hohe politische Verantwortung zu; die Luxemburger Landwirtschaft ist sich ihrer Verantwortung wohl bewußt.
Das oberste Ziel aller Anstrengungen bezüglich der Umsetzung der strategischen Leitlinien der europäischen Union für die Entwicklung des ländlichen Raumes im Planungszeitraum 2007-2013 und dem anstehenden Agrargesetz besteht darin, die Zersplitterung der offenen Landschaften und den Verlust des ländlichen Charakters zu vermeiden. Die Verantwortlichen dieses ständigen Prozesses müssen sich demzufolge für die Integration von Landwirtschaft und Umweltschutz einsetzen, daran führt kein Weg vorbei.
Dr.-Ing. Marcel Oberweis, Abgeordneter der CSV-Fraktion
Präsident der Parlamentarischen Kommission Landwirtschaft, Weinbau und ländliche Raumentwicklung
Quelle: De Letzebuerger Bauer, 12. Januar 2007