Die Justiz soll dem Bürger näher gebracht werden. Luc Frieden plädiert für mehr Transparenz. Bau einer dritten Haftanstalt
Luc Frieden im t-Interview
Die Organisation des Rechtswesens repräsentiere einen permanenten Prozess, so Luc Frieden. Die eingeleiteten Änderungen der Prozeduren der vergangenen Jahre würden jetzt ihre Früchte tragen. Und das hieße: eine Verbesserung der strafrechtlichen Prozeduren, mehr Kompetenzen für die Friedensrichter, Aufstocken des Personals, usw.
1999 gab es im Großherzogtum 166 Magistraten. Im Jahr 2009 sollen es 218 sein. Im Verwaltungsbereich sind derzeit 223 Leute beschäftigt. 1999 waren es 191 und 2009 sollen es – einschließlich des SCAS – 250 sein.
Grund für die Personalerhöhung, so der Justizminister, sei die Komplexität der vorliegenden Fälle in allen Bereichen, die Zahl der anzugehenden Dossiers, der Zuwachs der Bevölkerung. Ein mehrjähriger Rekrutierungsprozess habe sich mithin aufgedrängt.
Wichtig für die Zukunft sei vor allem der Abschluss des Baus der für Mitte 2008 vorgesehenen “Cite judiciaire” -wofür die Arbeiten zügig vorangehen. Bürger und Richter sollen hier adäquate Bedingungen vorfinden.
Einsetzung der nationalen Justizkonferenz
Vor allem aber wolle Luc Frieden, dass die Organisation des Rechtswesens diskutiert werde. Er habe eine nationale Justizkonferenz eingesetzt, die in Gruppen arbeite und sowohl Magistrate als auch Anwälte und eine Reihe anderer interessierter Kreise begreife.
Hier sollen konkrete Analysen und Lösungsvorschläge erbracht werden, die der Minister in seinen Entscheidungsprozess mit einbeziehen könne. Dabei solle die Unabhängigkeit der Justiz bestätigt und gefestigt werden, was durch institutionelle Reformen geschehen könne. Frieden vertritt die Auffassung, dass das Rechtswesen ein gutes Management brauche.
Unabhängigkeit bedeute aber auch Verantwortung und Klärung nach außen.
Die nationale Justizkonferenz soll sich also mit den Fragen der Prozeduren befassen, der Art und Weise der Nominierung von Richtern, des Managements (vor allem bezüglich der Informatik), der Kommunikation nach außen, die bis jetzt vernachlässigt wurde, den Problemen des Untersuchungs-Geheimnisses, der Unschuldsvermutung, dem Umgang im Rahmen der heutigen Mediengesellschaft, usw.
Die Kommission hat mithin eine beratende Funktion und ist kein Entscheidungsorgan. Nachdem die ersten Schlussfolgerungen gezogen sind, will der Minister die Ergebnisse als Arbeitsgrundlage nutzen.
Luc Frieden liegt aber auch das Gesetz zum Opferschutz am Herzen. Es wurde vor drei Jahren deponiert, doch fehlt immer noch die Stellungnahme des Staatsrates. Sinn und Zweck des Gesetzes ist, das Informationsrecht des Opfers in seiner Affäre anzuerkennen. So muss er darüber in Kenntnis gesetzt werden, wie weit die Prozedur in seinem Dossier fortgeschritten ist, ob seine Angelegenheit klassiert wurde, und wenn ja, warum. Eine bessere Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft drängt sich also auf.
Die Kommunikation nach außen ist also gemäß Justizminister ein wichtiges Thema, das einer Diskussion und demnach einer Weiterentwicklung bedarf. Dabei hoffe der Minister auf die positive Einstellung der Magistraten.
Ein Thema, das der Justiz besonders zu scharfen macht, ist die Sehrassiger Strafanstalt, die sich auch nach dem Ausbau schon wieder als zu klein erweist. “Seit meiner Amtsübernahme stieg die Zahl der Gefangenen – unabhängig von den 80 in Givenich – von 350 auf 700 an. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass der Staff von Polizei und Richtern aufgestockt wurde, andererseits aber auf die neuen Möglichkeiten bei der Kriminalitätsbekämpfung”, erklärt Frieden.
Bau einer dritten Strafanstalt
Ein drittes Gefängnis – neben Schrassig und Givenich – müsse gebaut werden. Das Konzept stehe bereits fest, um bis zu 400 Untersuchunshäftlinge aufzunehmen. Über den Standort machte Luc Frieden keine Angaben.
Er hoffe, dass das Projekt noch in diesem Jahr auf den Instanzenweg geschickt werden könne.
Vor allem wolle man in Zukunft Verbesserungen einführen, indem man sich mehr um Dealer/ Konsumenten von Drogen kümmern will. Die in Luxemburg vor ihrer Inhaftierung lebenden Gefangenen sollen besser auf ihre Zukunft vorbereitet und das Problem der Sozialversicherungen müsse definitiv geklärt werden.
Quelle: tageblatt, 15. September 2006 Romain Durlet