Organisierte Kriminalität und Terrorismus machen vor unseren Grenzen nicht halt. Luc Frieden erläutert die Gegenmassnahmen der Regierung
REVUE: Herr Minister, wie sicher fühlen Sie sich persönlich In Luxemburg?
LUC FRIEDEN: Ich fühle mich in Luxemburg sicherer als an vielen anderen Orten Europas. Ich glaube aber, dass der Terrorismus nicht jetzt erst angekommen ist, sondern schon immer in Europa war, nur die Natur des Terrorismus hat sich geändert. Wir haben heute mit einem internationalen Terrorismus zu tun, der zum Teil nicht organisiert ist, sondern eine ideologische Bande hat. Diese Bande ist der radikale Islamismus. Und mit dem müssen wir uns in Europa und auch in Luxemburg auseinander setzen.
Gibt es Hinwelse auf mögliche Terroranschläge In Luxemburg?
Wir haben keine Hinweise auf geplante Anschläge. Wir wissen aber, dass sich auch hierzulande Menschen aufhalten, die radikal islamische Thesen vertreten und Kontakte zu derartigen Organisationen im Ausland pflegen. Es gilt, diese Leute im Auge zu behalten, um präventiv – falls notwendig – eingreifen zu können.
Ist Luxemburg bei einer Beteiligung an einer UNO-Resolutlon zur Sicherung des Friedens im Nahen Osten mehr gefährdet?
Meines Erachtens hat eine luxemburgische Beteiligung an einem derartigen Einsatz keine Konsequenz für die innere Sicherheit. Andererseits ist es aber auch klar, dass Luxemburg als Mitglied internationaler Organisationen wie der EU und der NATO Positionen bezieht und auch beziehen muss und somit auch immer ein Teil eines Feindbildes für terroristische Gruppierungen sein kann.
Ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den internationalen Sicherheitsbehörden
Wie eng ist die Zusammenarbeit mit den internationalen Sicherheitsbehörden?
Die Zusammenarbeit ist nicht nur wichtig, sie ist auch ausgezeichnet. Das gilt vor allem für die Aufgaben des Geheimdienstes und auch für die der Polizei. Ein Beispiel: Nach den vereitelten Anschlägen in London hatten wir sofort Kontakt mit der britischen Polizei, die uns auch sehr schnell bestätigen konnte, dass aus den Untersuchungen keine Hinweise auf mögliche Verbindungen mit Luxemburg hervorgingen.
Wie gut ist Luxemburg für einen möglichen Terroranschlag gerüstet?
Erstens: Der Premierminister und ich verfolgen stets die aktuelle Sicherheitslage in Luxemburg, so wie sie uns vom Geheimdienst und der Polizei berichtet wird. Das ist sehr wichtig, damit wir auch die notwendigen politischen Entscheidungen treffen können. Zweitens: Wir haben nach den Anschlägen von 2001 das Hochkommissariat für die nationale Sicherheit reaktiviert. In diesem Gremium treffen sich alle relevanten Sicherheitsbehörden – Polizei, Geheimdienst, Armee etc. – um regelmäßig und vor allem auch nach Anschlägen im Ausland die Situation zu erfassen und den politischen Entscheidungsträgern mögliche Optionen vorzulegen.
Werden Szenarien von möglichen Anschlägen geprobt?
Ja. Wir überprüfen regelmäßig die Pläne, die wir haben, die ja nicht nur für den terroristischen Fall gelten, sondern generell den Katastrophenschutz berücksichtigen. Wir werden auch im nächsten Jahr im Rahmen eines europäischen Projektes verschiedene Elemente eines Notfallplanes üben. Hier spielt natürlich auch die «Protection Civile» eine wichtige Rolle.
In Deutschland wird über die Installation von Überwachungskameras in öffentlichen Gebäuden und Plätzen nachgedacht. Ist das hier auch denkbar?
Ich glaube, dass eine generelle Videoüberwachung kein effizientes Instrument zur Vorbeugung von terroristischen Anschlägen ist. Es ist undenkbar, in einer freien Gesellschaft an jedem Ort alles zu überwachen. Allerdings bin ich für Videoüberwachung im Kampf gegen verschiedene Arten von Kriminalität, besonders bei der Bekämpfung des Drogenhandels. Hier plane ich auch Pilotprojekte am Bahnhof, im Stadtpark und im Centre Aldringen. Im Bereich der Terrorismusbekämpfung kann die Videoüberwachung an bestimmten Orten wie Flughäfen oder Bahnhöfen durchaus ein Hilfsmittel sein. Dennoch glaube ich, dass die Informationssammtung über Personen, die mit radikal islamischen Thesen sympathisieren, wesentlich wichtiger ist als die Installation von Kameras an geographisch relevanten Punkten.
Mittelfristig Verdoppelung der Polizeipräsenz auf Findel
Der Einsatz von so genannten «Air-Marshalls», also bewaffneten Flugoder auch Zugbegleitern, wird ebenfalls diskutiert. Auch in Luxemburg?
Nein. Ich denke, dass solche Maßnahmen nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden sollen und auch nur begrenzt effizient sind. Die Gepäckkontrolle ist weitaus wichtiger. Auf Findel hingegen plane ich mittelfristig eine Verdopplung der Polizeipräsenz.
Welche Massnahmen sind denn Ihrer Meinung nach effizienter?
Den Terrorismus muss man auf verschiedenen Ebenen bekämpfen. Wir brauchen ein Maximum an Information über potenzielle Täter. Daran haben wir konsequent gearbeitet und wissen heute viel mehr über einzelne Gruppierungen. Zweitens müssen wir versuchen, im Milieu des Islamismus, wo die Radikalen eine Minorität sind, die moderaten Elemente zu unterstützen, um zu verhindern, dass es zu Rekrutierungen in diesem Milieu kommt. Daran arbeiten wir auf europäischer Ebene. Drittens brauchen wir den europäischen Informationsaustausch, der sich seit 2001 erheblich verbessert hat. Deshalb können auch immer wieder Anschläge verhindert werden. Und viertens gibt es noch den repressiven Aspekt, der bei Selbstmordattentätern natürlich keinen Effekt hat, bei Mittätern, Helfern, Mitwissern aber durchaus. Deshalb haben wir in Luxemburg die Gesetzgebung vor einigen Jahren verschärft – übrigens unter starkem Protest – und wissen heute, dass es die richtige Entscheidung war, notwendige Terrorismustatbestände in unserem Strafgesetzbuch zu verankern. Ich möchte noch einmal betonen, wie wichtig der Informationsaustausch ist. Denn so weiß man, wo diese Gruppierungen hin wollen, mit welchen Methoden sie arbeiten. Deren Ziel ist es, unsere freie und tolerante Gesellschaft zu zerstören. Wir wollen sie bekämpfen mit den Mitteln des Rechtsstaats, ohne dabei unsere Freiheit total aufzugeben. Bisläng ist dies uns in Luxemburg recht gut gelungen.
Sie sagten, die Sicherheitsinfrastruktur hat sich In den letzten Jahren stark verbessert. Können Sie Erfolge aufweisen?
Glauben Sie mir, wir haben in der Präventivarbeit sehr viel erreicht. Wir haben auch in Luxemburg Anschläge verhindern können. Im Bereich der organisierten Kriminalität, wo Überfälle auf Geldtransporter gestoppt werden konnten. Wir konnten auch einen möglichen Überfall auf einen Supermarkt in Luxemburg verhindern, der sehr viele Opfer gefordert hätte. Wir dürfen auch in Luxemburg nicht naiv sein, wir dürfen aber ebenso wenig permanent in Angst leben.
Ist es ein neuer Trend, den Bürgern zu sagen, welche Anschläge alle vereitelt werden konnten, in der Hoffnung auf Verständnis für unangenehme Maßnahmen?
Ich bin grundsätzlich für Kommunikation, weil ich glaube, dass der Bürger ein Recht auf Information hat. Wir müssen erklären, was wir tun, ohne dabei sicherheitsrelevante Details bekannt zu geben. Wie weit wir in der Kommunikation bei Polizei und Justiz gehen können, ist sicherlich ein Punkt, der in unserer Mediengesellschaft noch diskutiert werden wird.
Sind wir auf dem besten Weg In einen Überwachungsstaat?
Ich möchte den Überwachungsstaat für die Terroristen und die Kriminellen.
Quelle: Revue, 6. September 2006, Andrea Glos