Marie-Josée Jacobs zählt zu den dienstältesten Kabinettsmitgliedern. Seit elf Jahren prägt die CSV-Ministerin das Familien- und das Frauenministerium, das mittlerweile in Chancengleichheitsministerium umbenannt wurde. Die Bemühungen der ausgebildeten Krankenschwester konzentrieren sich auf die Sorge um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Marie-Josée Jacobs zählt zu den dienstältesten Kabinettsmitgliedern. Seit elf Jahren prägt die CSV-Ministerin das Familien- und das Frauenministerium, das mittlerweile in Chancengleichheitsministerium umbenannt wurde. Die Bemühungen der ausgebildeten Krankenschwester konzentrieren sich auf die Sorge um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Frau Jacobs, die Hälfte der Legislaturperiode ist fast vorbei. Wie sieht Ihre Bilanz der vergangenen zwei Jahre aus?
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht nach wie vor im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Die Lissabon-Strategie hat uns gelehrt, dass weiterhin Nachholbedarf bei der Frauenbeschäftigung vorhanden ist. Deswegen wird das Betreuungsangebot für Kinder auch in Zukunft konsequent ausgebaut. Mir liegen aber auch die Senioren am Herzen. Zwei neue Altenheime haben bereits ihre Türen geöffnet. Ein weiteres Haus wurde grunderneuert. Die Erfahrungen, die wir mit dem Gesetz gegen häusliche Gewalt gemacht haben, belegen, dass diese Maßnahme mehr als notwendig war. Jeden Monat werden 13 Personen wegen Übergriffen auf ihre Angehörigen ihrer Wohnung verwiesen. Künftig wollen wir uns stärker um die Betreuung der betroffenen Familienmitglieder bemühen und insbesondere den Kindern helfen, deren erste Lebensjahre von Gewalt geprägt waren.
Bei der Kinderbetreuung setzen Sie seit vergangenem Jahr auf die Maisons relais. Hat sich dieses Konzept in Ihren Augen bewährt?
Ich bin jedenfalls sehr zufrieden damit. Die Nachfrage der Gemeinden ist riesig – und das liegt nicht nur daran, dass sich der Staat finanziell erheblich an den Projekten beteiligt. Die Maisons relais sollen als Brücke und Bindeglied zwischen den Kindern, dem Elternhaus, der Schule und dem Wohnort fungieren und eine flexible Betreuung gewährleisten: Die Eltern sollen nur das Angebot bezahlen, das sie auch wirklich in Anspruch nehmen. Auch das pädagogische Konzept ist wichtig. In den Einrichtungen sollen Werte wie Respekt, Toleranz und die Integration verschiedener Gesellschaftsschichten gefördert werden, ohne dass die Kinder dem Leistungsdruck ausgesetzt sind, den sie in den Schulen erfahren müssen. Über die Maisons relais lässt sich der Austausch mit den Eltern einfacher darstellen.
Wurden die Investitionen in die außerschulische Betreuung in den vergangenen Jahren vernachlässigt?
Wir haben die Gemeinden bereits vor Jahren darauf hingewiesen, dass sie sich verstärkt um diesen Bereich bemühen müssten. Damals erhielten wir die Antwort, es bestehe kein Bedarf. Mittlerweile wissen wir, dass die Eltern das Angebot nutzen, sofern es vorhanden ist.
Dieses Angebot ist derzeit je nach Gemeinde sehr unterschiedlich. Wie wollen Sie einheitliche Standards gewährleisten?
Es stimmt, dass viele Gemeinden den Schülern zunächst eine Betreuung während der Mittagspause anbieten. Binnen fünf Jahren müssen sie allerdings eine Ganztagsbetreuung gewährleisten, und dies auch in der Ferienzeit. Im Gegenzug beteiligt sich der Staat mit 10 000 Euro an den Infrastrukturausgaben für jeden geschaffenen Betreuungsplatz. Einkommensschwache Familien werden zudem finanziell von uns unterstützt. Da der Staat im Verwaltungsgremium einer jeden Einrichtung vertreten ist, ist die notwendige Kontrolle gewährleistet.
Wie lassen sich bei diesen familienfreundlichen Initiativen die Einschnitte vertreten, die Sie in den Tripartite-Verhandlungen hinnehmen mussten?
Natürlich wäre es mir und auch meinen Regierungskollegen lieber gewesen, wir hätten diese Maßnahme nicht treffen müssen. Dennoch bleibt Luxemburg trotz der Desindexierung von Kindergeld, Erziehungspauschale und Elternurlaub europaweit Spitzenreiter in Sachen Familienförderung. Einen sozialen Ausgleich wollen wir durch den Steuerkredit gewährleisten, dessen Grundzüge bis 2008 stehen sollen. Auch wenn die Sozialleistungen in einigen Punkten angepasst werden, muss man im Gegenzug die Beträge in Erinnerung rufen, die etwa für die Altenbetreuung zur Verfügung stehen. Was hier zu Lande als selbstverständlich aufgenommen wird, gilt im Ausland als Kraftakt, für den sich manche Familien erheblich verschulden.
In der Regierungserklärung hat der Premierminister zusätzlich Investitionen in die Seniorenbetreuung angekündigt. Wie groß ist der Nachholbedarf?
Bereits in den vergangenen Jahren haben wir einen enormen Kraftakt geleistet und unser Angebot um 900 zusätzliche Betten erweitert, und ein Baustopp kommt auch für die Zukunft nicht in Frage. Dazu kommen Projekte wie betreute Wohngemeinschaften für Senioren oder auch das Hospiz für palliativmedizinische Pflege in Hamm. Nicht nur die Infrastrukturkosten sind bei diesen Vorhaben erheblich, auch den Betrieb selbst wird es nicht umsonst geben.
Welche Rolle spielen landesplanerische Gesichtspunkte bei diesen Plänen?
Bei der Planung von Seniorenheimen funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden ganz gut. Bei der Kinderbetreuung wird es schon schwieriger. Hier stellt sich die Frage, ob kleinere Gemeinden das gleiche Angebot gewährleisten müssen wie größere Kommunen. Das Gleiche gilt für die jungen Leute: Welchen Sinn machen Jugendhäuser, wenn sich dort lediglich sieben oder acht Teenager treffen? Am Herzen liegen mir auch flächendeckende Beherbergungsmöglichkeiten für Asylsuchende und Obdachlose.
Die geplante Novellierung des Jugendschutzgesetzes stößt bei den betroffenen Instanzen auf Kritik. Ist diese Reform überhaupt notwendig?
Mit der Unterzeichnung von internationalen Konventionen ist Luxemburg eine Reihe von Verpflichtungen eingegangen, die es nun umzusetzen gilt. Ziel der Reform ist eine bestmögliche Betreuung der betroffenen Kinder. Das bedeutet nicht nur die Beantwortung der Frage, ob die Gerichte in allen Fällen eingeschaltet werden müssen. Eins lasse ich mir in diesem Zusammenhang nicht vorwerfen: Dass wir das Schicksal der betroffenen Familien politisch ausschlachten. Wahlen gewinnt man damit jedenfalls nicht.
Im Regierungsprogramm ist von einem Jugend-Rahmengesetz die Rede. Wann wird ein erster Entwurf vorliegen?
Mit der Vorlage, die ich dem Regierungsrat im Herbst unterbreiten will, reagieren wir auf die Veränderungen, die sich in diesem Bereich in den vergangenen Jahren getan haben. Jugendpolitik beschränkt sich heute nicht länger auf die Freizeitgestaltung. Das Gesetz soll ebenfalls die Arbeitsweise der Jugendhäuser und des Service national de la jeunesse regeln sowie weitere Initiativen wie den Freiwilligendienst abdecken.
Mit einem freiwilligen sozialen Jahr versucht die Regierung, der Jugendarbeitslosigkeit Herr zu werden. Welche Erfolgsaussichten räumen Sie diesem Projekt ein?
Es wäre illusorisch anzunehmen, dass wir damit das Problem lösen werden. Sollte es uns gelingen, jungen Leuten mit einem schwierigen Schulverlauf den Glauben an sich selbst zurückzugeben, wäre dies meiner Meinung nach schon ein Erfolg. Wir müssen diesen Jugendlichen zeigen, dass auch sie von der Gesellschaft gebraucht werden.
Sie haben vor kurzem eine ziemlich ernüchternde Bilanz des Überschuldungsgesetzes gezogen. Wäre eine Reform nicht angebracht?
Das wird sehr schwierig. Die Hilfe, die das Gesetz den betroffenen Menschen anbietet, nutzen ohnehin nur diejenigen, die sich ihrer schwierigen Lage bewusst sind. Die breite Masse werden wir auch mit einer Reform nicht erreichen. Alternativen wie etwa einer Verbraucherinsolvenz verschließe ich mich aber nicht. Die Entscheidung muss aber jede Einzelne für sich selbst treffen.
Als Gleichstellungsministerin sind Sie für die Chancengleichheit beider Geschlechter zuständig. Was halten Sie eigentlich von der “Association des hommes du Luxembourg”?
Obwohl ich mit ihren Methoden nicht immer einverstanden bin, habe ich doch Verständnis dafür, dass es eine solche Vereinigung gibt. Dass Männer gegenüber den Frauen in einzelnen Fällen benachteiligt werden, ist nicht von der Hand zu weisen, etwa wenn es um das Sorgerecht geht, das in den meisten Fällen den Müttern zugesprochen wird. Ein weiteres Beispiel sind die Erfolgsaussichten der Schüler, wo die Mädchen die Jungen übertreffen.
Sie sind seit elf Jahren für Familien- und Gleichstellungspolitik verantwortlich. Macht Ihnen Ihre Arbeit nach wie vor Spaß?
Dass mir die beiden Ressorts sehr am Herzen liegen, liegt wahrscheinlich an meiner beruflichen Ausbildung. Wichtig sind mir die Menschen. Wäre ich studierte Juristin, hätte mich auch das Justizministerium interessiert. Interessant finde ich auch die Ressorts Gesundheit oder Entwicklungshilfe. Das Bautenministerium liegt mir demgegenüber weniger.
Das Interview führte Wortjournalistin Joëlle Merges (14. August 2006)