Energieversorgung und Klimawandel – wohin geht die Reise?

Der CSV-Abgeordnete Marcel Oberweis über die anhaltende Abhängigkeit Europas von nichterneuerbaren Energien

Marcel Oberweis auf csv.lu

Zurzeit wird das Geschehen der Weltwirtschaft durch zahlreiche Konfliktherde und in ihrem Gefolge herumirrende Flüchtlinge sowie die prekäre Energieversorgung geprägt. Entgegen allen Zusagen der Experten ist die globale Wirtschaft heute noch genauso von den fossilen Energieträgern Erdöl und Erdgas abhängig, als zur Zeit der ersten und zweiten Erdölpreiskrisen.

Das anbrechende 21. Jahrhundert wird durch die Abhängigkeit vom Erdöl und in einem wachsenden Maß vom Erdgas geprägt und dies angesichts der aufkommenden irreversiblen Klimaveränderungen. Allein am Erdölverbrauch lässt sich das Ausmaß des Energiehungers ablesen, zurzeit beträgt der Verbrauch etwa 88 Millionen Barrel pro Tag, Verbrauch, welcher sich den Schätzungen der Internationalen Energieagentur IEA in Paris auf 125 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2025 erhöhen wird. Nordamerika, Europa und Asien sind die größten Verbraucher der fossilen Energien mit nahezu 85 %, derweil die restlichen 15 % für die Bewohner in Südamerika und Afrika zur Verfügung stehen. Bei Betrachtung des aktuellen Erdölverbrauchs lässt sich unter Berücksichtigung der nachgewiesenen weltweiten Erdölreserven ausrechnen, dass die statische Reichweite nur noch 40 Jahre beträgt, ein untrügliches Zeichen, welches zur Abkehr mahnt.

Die Tabellen 1° und 2° zeigen in diesem Zusammenhang die Vormachtsstellung Russland bezüglich der Bereitstellung der fossilen Energien. Derzeit exportiert Russland jährlich etwa 130 Millionen t Erdöl nach Europa (bereits 28 % des europäischen Verbrauchs) und die Experten gehen davon aus, dass innerhalb der kommenden 20 Jahre weitere 30 Millionen hinzukommen, Asien und Nordamerika sind die zukünftigen Hauptabnehmer. In Anbetracht der Tatsache, dass die europäischen Erdölförderstätten bis 2035 versiegen werden, kann man sich nur über die Handlungsunfähigkeit der Europäischen Union wundern, den Verbrauch nicht massiv zu verringern.

Gravierend wiegt der Umstand, dass die EU im Bereich Erdgasversorgung noch viel abhängiger von Russland geworden ist, mittlerweile bereits 30 % des Gesamtverbrauchs. Auch sollte man nicht verkennen, dass Russland etwa 30 % der bekannten weltweiten Erdgasreserven aufweist. Die IEA macht die EU-Mitgliedstaaten nicht ohne Tadel deshalb aufmerksam, dass sich ihr Erdgasimport um weitere 200% bis 2020 erhöhen wird. Die Erzeugung elektrischer Energie auf Erdgasbasis ist eine der Ursachen für diesen rasanten Anstieg, betrug doch der Erdgasanteil für diesen Wirtschaftssektor im Jahr 2002 bereits 23 % und wird sich auf 32 % bis 2030 erhöhen. Unter Berücksichtigung der nachgewiesenen weltweiten Erdgasreserven wird die statische Reichweite auf 65 Jahre geschätzt, ebenfalls eine überschaubare Zeitspanne.

In ihrem Grünbuch zur Energieversorgung warnte die EU-Kommission, die Europäische Union werde im Jahr 2030 beim Erdölverbrauch zu 90 % von Importen aus anderen Ländern abhängig werden, zurzeit steht die Marke bei 76 %. Und bezüglich des Erdgasverbrauchs sieht die Lage nicht rosiger aus, die Abhängigkeit wird auf 80% steigen. Die EU muss demzufolge die Zahl der Länder, aus denen sie fossile Energien importiert, erhöhen. Derzeit stehen Russland und der Nahe Osten für Erdöl zur Disposition, im Bereich Erdgas nur Russland, Algerien und Norwegen.

Die EU wird sich stärker nach Lateinamerika und Afrika umsehen müssen, damit die Diversifizierung der Abhängigkeit Sinn macht. Derzeit deutet jedoch alles darauf hin, dass der Nahe Osten mit seinen gigantischen Reserven an fossilen Reserven die Gier der Industrieländer besänftigen kann. Es wird geschätzt, dass rund 33% der Erdgasvorkommen und etwa 67 % der Erdölreserven im sandigen Untergrund schlummern, d.h. der Anteil der OPEC am Welthandel wird sich kontinuierlich erhöhen. Saudi-Arabien soll über 232 Milliarden Barrel verfügen, der Irak über 120 Milliarden, die VAE über 98 Milliarden, der Kuwait etwa 97 Milliarden, und der Iran über 90 Milliarden. Die Vereinigten Staaten als größter Erdölverbraucher besitzen nur noch rund 3 % der Welterdölreserven und Europa noch weniger.

Energieverbrauch und neue Transportwege

Anlässlich des kürzlichen Gipfeltreffens der G8-Staaten in St. Petersburg stand die Frage der gesicherten und nachhaltigen Energieversorgung im Mittelpunkt der Gespräche. Die Weltgemeinschaft steht vor der Herausforderung, den wachsenden Energiehunger der aufstrebenden Staaten u.a. China und Indien zu befriedigen, die Menschen in den Entwicklungsländern dabei nicht zu vergessen und ihnen eine faire Perspektive aufzuzeichnen. Angesichts des steigenden Erdölpreises schwindet jedoch die Chance, Letztgenannten zu helfen, die Milleniumsziele, die wir uns für 2015 gesetzt haben, verkommen zur Chimäre. Die Entwicklungshilfe stockt, die finanziellen Mittel werden in riesige Bauvorhaben, sprich Erdöl- und Erdgaspipelines investiert oder in die Erschließung neuer Vorkommen an fossilen Energien.

Die Schlussfolgerungen des Petersburger Gipfels sprechen eine eindeutige Sprache, durch die Energieabhängigkeit der EU und Amerika geraten beide unter die Kontrolle der russischen Energielieferanten. Vor allem der Erdgasriese Gasprom will sich nicht mehr mit der Rolle des Lieferanten zufrieden geben, vielmehr will er auch das Geschäft mit den Endverbrauchern machen. Dazu gesellt sich auch noch das Angebot Russlands, seine Emissionszertifikate laut Kyoto-Protokoll auf dem europäischen Kyoto-Markt anzubieten. Mit jedem Cent, um den sich die Weltmarktpreise für Erdöl und Erdgas erhöhen, wächst das Selbstbewusstsein der russischen Energielieferanten. Diese Entwicklung stärkt Russland insgesamt, die Energie wird zu einem Machtfaktor globaler Dimension. Und in der Europäischen Union wächst der Erdgasbedarf beständig, von derzeit 450 Milliarden m3 auf 750 Milliarden m3 im Jahr 2015.

Am gleichen Ort, in St. Petersburg wurde im Juli 2004 die Absichtserklärung einer breiten Zusammenarbeit vereinbart. Die NEGP-Erdgaspipeline mit jährlich 25 Milliarden m3 soll aus Russland kommend durch den finnischen Meerbusen auf dem Grund der Ostsee nach Greifswald in Deutschland verlegt werden. Aus dem russischen Erdgasförderfeld in Westsibirien mit einer geschätzten Kapazität von 700 Milliarden m3 wird ab 2010 nahezu ein Drittel des europäischen Erdgasverbrauchs gedeckt.

Aber nicht nur Russland spielt in der Versorgung Europas eine bedeutende Rolle, neue Partner werden im Kaukasus ausgemacht und per Pipelines werden Erdöl und Erdgas durch die Türkei importiert. Mit der Eröffnung der transkaukasischen Erdölpipeline BTC von Baku über Tiflis nach Ceyhan am Mittelmeer werden bei voller Auslastung 1 Million Barrel Erdöl pro Tag transportiert, welches aus den Offshore-Erdölfeldern im Kaspischen Meer stammt, später sollen auch die Förderquellen in Turkmenistan angeschlossen werden. Eine weitere Pipeline soll russisches Erdöl mit einer jährlichen Kapazität von 70 Millionen t vom türkischen Schwarzmeerhafen Samsun durch Ostanatolien nach Ceyhan transportieren und so den Bosporus vom Tankerverkehr entlasten. Ebenfalls soll die neue Pipeline Nabucco Erdgas aus den iranischen Feldern am Kaspischen Meer ab 2011 über den Balkan nach Österreich bringen. 2) Keine Aussagen hinsichtlich der Diversifizierung werden gemacht ?

Durch Verringerung den Klimawandel eindämmen

Angesichts dieser dramatischen Entwicklung in Sachen Energieabhängigkeit müssen sowohl die Vereinigten Staaten und die Europäische Union neue Wege einschlagen. Dies angesichts der sich anbahnenden Klimaveränderungen mit verheerenden Folgen für die Menschheit. Es heißt nun der Klimafalle entrinnen, dies kann aber nur gelingen, wenn der Verbrauch an fossilen Energieträgern und die Emissionen an Treibhausgasen drastisch verringert werden. Aus der bitteren Erkenntnis, dass selbst wenn man die weltweiten Emissionen auf den heutigen Stand einfrieren könnte, würde der CO2-Gehalt in der Atmosphäre auf 550 ppm bis 2100 ansteigen.

Das Kyoto-Protokoll, seit dem 16. Februar 2005 in Kraft, zeigt die Möglichkeiten auf, wie sich die industrialisierte Welt benehmen soll, einerseits den Verbrauch an fossilen Energieträgern verringern und in die erneuerbaren Energien investieren. Sicher, Kyoto ist nicht der Wahrheit letzter Schluss, es braucht noch vieler mutiger Schritte und dies angesichts der weiter anwachsenden Weltbevölkerung, jetzt schon 6,5 Milliarden im Jahr 2006 und niemand kennt die weitere Entwicklung. Die Europäische Union muss sich für eine weitsichtige Klima- und Umweltpolitik einsetzen, dies gilt ebenfalls für Luxemburg.

Der jetzt nach Brüssel eingereichte zweite Nationale Allokationsplan weist sicherlich noch einige negative Fakten auf, aber es wird der Versuch unternommen, die Emissionen der einzelnen Verbraucher langsam aber sicher zu reduzieren, ein langer Weg ist vorgegeben. In Sachen Tanktourismus werden wir aber nicht umhin kommen, sobald die angefragte Studie vorliegt, ehrliche Wege aufzuzeichnen. Im Endeffekt könnten oder müssten die abgeschöpften finanziellen Mittel aus dem Tanktourismus anschließend zur Speisung der Kyoto-Kasse verwendet werden. Die neue Wärmeschutzverordnung, das Anwachsen des Öffentlichen Personenverkehrs und die eigene Haltung in Sachen Klimaschutz werden neue Kräfte lostreten. Dieser Prozess muss schrittweise mit eindeutigen Zielen und ohne wirtschaftliche Schockwirkung durchgesetzt werden. Die Vergangenheit zeigt uns doch, wie innovative Schritte zur Verbesserung der Umwelt beigetragen haben u.a. die Rauchgasentschwefelung von Kohlekraftwerken, der Einbau von Katalysatoren im Benzin-Verbrennungsmotor sowie von Russpartikelfilter für den Dieselmotor, das Verbot von FCKW-Gasen und des verbleiten Benzins.

Die Politik wird sich demzufolge daran messen müssen, wie sie die konsequente Verringerung der Abhängigkeit von den fossilen Energien durchführt und den Aufwand für Klimaschutz mit den vermiedenen Kosten der Klimafolgen verrechnet. Fakt ist jedoch, dass sich jeder einzelne Bürger überlegen muss, ob er in einer Welt mit nachhaltiger Entwicklung leben möchte.

Marcel Oberweis, Abgeordneter

1) Difficiles négociations sur l’énergie G8 ( La Tribune 9 juin 2006 ) p. 4
2) Türkei wird Energiedrehscheibe (Handelsblatt 13.Juli 2006) S. 6

Förderland

Millionen Barrel Erdöl

pro Tag [2005]

Russland

9,22

Saudi-Arabien

9,16

Vereinigte Staaten von Amerika

5,12

Iran

3,88

Mexiko

3,32

Tabelle 1° zeigt die Erdölförderung der fünf wichtigsten Förderländer 1)

Förderland

Milliarden m3 Erdgas

im Jahr [2005]

Russland

608

Vereinigte Staaten von Amerika

542

Kanada

182

Grossbritannien

108

Algerien

67

Tabelle 2° zeigt die Erdgasförderung der fünf wichtigsten Förderländer 1)