Rüstungswahn versus Armutsbekämpfung

CSV-Abgeordneter Marcel Oberweis. Fortschritt in Afrika braucht ausreichend finanzielle Mittel für Bildung, Ernährung und Arbeit. Darüber hinaus muss massiv in Frieden und Sicherheit investiert werden.

Marcel Oberweis auf csv.lu; UN-Bericht über die wirtschaftliche und soziale Situation der Welt 2006

Die Vereinten Nationen hatten das Jahr 2005 zum Entscheidungsjahr für das Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele bezeichnet, jedoch die Wirklichkeit sieht nach Ablauf des Jahres anders aus. Als Ziele wurden u.a. festgehalten, dass die Zahl, derer die mit weniger als 1 $ pro Tag leben und der Anteil der Menschen, welche keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, bis zum Jahr 2015 halbiert werden muss. Die reichen Nationen sind somit aufgerufen, innerhalb kurzer Zeit, diese anspruchsvollen Entwicklungsziele zu verwirklichen.

Die Europäische Union, ein Flecken Erde mit nunmehr 60 Jahre Frieden, hat sich selbst das hehre Ziel gesetzt, die öffentliche Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 % des Bruttoinlandproduktes zu erhöhen und so den ehrgeizigen Beschluss der UN-Vollversammlung aus dem Jahr 1970 umzusetzen. Die wohlhabenden Industrieländer sind aufgerufen, sich in diesem globalisierten, jedoch nicht einfachen Prozess der Verringerung der Armut in den Entwicklungsländern einzubringen.

Zurzeit wird das Weltgeschehen durch die reichen Industrie- und die Schwellenländer dominiert, die Entwicklungsländer spielen eine her untergeordnete Rolle. In den Entwicklungs- und den Schwellenländern leben 4,5 Milliarden Menschen, vier Fünftel der Weltbevölkerung. Ihr Anteil wird sich in den kommenden Jahren weiter erhöhen, ihr Anteil am Weltbruttosozialprodukt weniger als 30 %.

Hilfe für die Entwicklungsländer

Die Umweltveränderungen beeinflussen das System Erde erheblich, teilweise sind diese nicht mehr zu beheben. Die Grundlagen von Hunderten Millionen Menschen werden zerstört und verschärfen die weltweite Armut. Der Klimawandel verringert die Ernteerträge in den Entwicklungsländern, die Folge ist die erhöhte Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten aus den Industrieländern und eine wachsende Schuldenlast.

Die an vielen Stellen in den Entwicklungsländern getätigte Entwicklungsarbeit und die parallel durchzuführende Durchsetzung gerechter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen sollen die grassierende Hungersnot, die steigende Armut und die wuchernden Krankheiten verringern. Zur Bekämpfung der gravierenden Umweltprobleme und der schlimmsten Armut benötigen die Entwicklungsländer laut Studien der UNEP etwa 200 Milliarden € pro Jahr.

Das Beispiel Afrika zeigt die Dramatik der Stunde, die vielen Länder in diesem Kontinent spielen nahezu keine Rolle auf dem Globalisierungsparkett außer im Zusammenhang mit Waffenhandel. Seit nunmehr 15 Jahren stagniert das Wachstum trotz der eingeleiteten Aufbau- und Anpassungsprogramme. Der Anteil am Welthandel liegt unter zwei %, einen Wirtschaftsstandort Afrika kennt man eigentlich nicht. Bedingt durch den wachsenden globalen Wettbewerb schaffen es die armen Länder Afrikas nicht, die benötigten Finanzmittel zur Hebung der Armut freizustellen. Fortschritt in Afrika kann man nur erreichen, wenn gezielt und massiv in Sachen Frieden und Sicherheit investiert wird, zusätzlich müssen finanzielle Mittel für die Themen Bildung, Ernährung und Arbeit eingebracht werden.

In den Entwicklungsländern lebt die Mehrheit der Armen im ländlichen Raum und die Existenz von nahezu 50 % und mehr der Menschen hängt von der Landwirtschaft ab. Die Landwirtschaft stellt in diesem Zusammenhang einen Schlüsselbereich für die Bekämpfung von Hunger und Armut dar. Im Norden als auch im Süden muss die nachhaltige Landwirtschaft viel stärker unterstützt werden und dies vor dem Hintergrund der gerechten Gestaltung in Sachen Weltagrarhandel. Eine Hauptaufgabe der reichen Länder muss es deshalb sein, Reformen des Welthandels einzuläuten. Remedur einläuten kann man durch die Öffnung unserer Märkte für Produkte aus Afrika. Wie oft wurde bereits auf die unlautere Art des Exportes von Agrarprodukten aus den Industrieländern hingewiesen, da diese bedingt durch ihre Subventionen, die Märkte in den Entwicklungsländer empfindlich stören, ja bis zum Erliegen bringen. Es wäre doch sinnvoller, die Subventionen insgesamt in den Entwicklungsländern zu investieren und den Jugendlichen im ländlichen Raum die Chance zu bieten, ihre angestammte Heimat nicht zu verlassen.

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Millenniumsziele mit Verantwortung angehen

Die Bekämpfung der extremen Armut wird vor dem Hintergrund der fortschreitenden Globalisierung und der sich vertiefenden sozialen Kluft zwischen Industrieländern und ärmsten Entwicklungsländern, als eine zentrale Aufgabe der Weltgemeinschaft verstanden. Wie soll die Ernährungssituation in den Entwicklungsländen gelöst werden können, wenn heute schon 1,2 Milliarden Menschen nicht genügend Trinkwasser zur Verfügung haben. Wenn der momentane Trend weitergeführt werden soll, dann dürften bis 2050 mehr als 2 Milliarden Menschen sich um das begehrte Nass “streiten”. Zur Sicherung der Lebensgrundlagen gilt der ausreichende Zugang zu sauberem Trinkwasser und dem Angebot von qualitativ hochwertigen sanitären Bedingungen, für 2,6 Milliarden Menschen mangelt es derzeit an der Basissanitärausrüstung. Die Weltgesundheitsorganisation wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass verunreinigtes Trinkwasser in den armen Ländern als die Hauptursache für den zu frühen Tod und das Aufkommen von Krankheiten gilt.

Leider gehen jeden Tag durch die Erosion und Misswirtschaft riesige Parzellen an gutem Ackerland verloren. Gleichzeitig nutzen einige Länder die vorhandenen Wasserressourcen in einem das Erneuerungspotenzial nicht erlaubten Maß, die unsachgemäße Bewässerung führt des Weiteren zur Zerstörung landwirtschaftlicher Flächen. 1,3 Milliarden Menschen auf der Erde müssen unter desolaten Bedingungen ihr Leben fristen. Diese Zahl hat sich während der vergangenen zehn Jahre nicht nennenswert verändert und droht nun, in den nächsten Jahren weiter anzusteigen. 2,8 Milliarden Menschen müssen sich mit weniger als 2 $ pro Tag Einkommen begnügen und in den industrialisierten Ländern steigt die Zahl der $-Millionäre ständig an.

Dies ist eine eindeutige Missachtung der Menschenwürde, Armut ist kein unabänderliches Schicksal, sie ist Menschen gemachtes Ergebnis ungerechter globaler Strukturen und ungerechter Herrschaftsstrukturen in den betroffenen Ländern. Der Kampf gegen die Armut kann überdies nicht von Bemühungen um die Gleichstellung von Frauen und Männern, Demokratisierung, guter Regierungsführung und der Beachtung von Menschenrechten sowie dem Schutz und der Erhaltung der natürlichen Ressourcen getrennt werden.

Die Entwicklungspolitik versteht sich heute als eine internationale Gemeinschaftsaufgabe, sie verfolgt das Ziel, die Entwicklungsländer als vollwertige Partner in den Globalisierungsprozess mit einzubeziehen. Dies bedeutet, den Interessen von Entwicklungsländern in internationalen Organisationen wie der Weltbank oder der Welthandelsorganisation mehr Gewicht zu verschaffen, ebenso Handelsbarrieren, Zölle und Subventionen in den Industriestaaten weiter abbauen und die eigenen Märkte für Produkte aus Entwicklungsländern zu öffnen. Der Weltmarkt muss geöffnet und der Welthandel liberalisiert werden, dies ist mittel- bis langfristig wirksamer als die Entwicklungshilfe, die Entwicklungsländer müssen sich zum gleichberechtigten Partner auf dem Weltmarkt aufschwingen.

Mit dem NePAD (Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung) 1) ist auf diesem Gebiet ein Reformprozess in Gang gesetzt worden, der den Menschen in Afrika die Hoffnung gibt, dass die Trendwende zur Erreichung der angegeben Millenniumsziele gelingen wird. Die Armut überwinden und den Menschen den Weg zu mehr Entwicklung, Frieden und Demokratie freimachen, heißt das ausgemachte Ziel. Dies kann aber nur erreicht werden, wenn der politische Wille der Partnerländer vorhanden ist, die Armut und die Konflikte zu reduzieren. Wir müssen den demokratischen Aufbau zum zentralen Anliegen unserer Entwicklungshilfe machen, denn Entwicklungspolitik ist in der Tat auch Sicherheits- und Friedenspolitik.

Der unselige Waffenhandel hinterlässt einen schalen Geschmack

Das gegenwärtige System, das den vorhandenen Reichtum nicht gerecht zu verteilen vermag und zudem die kriegerische und ökologische Zerstörung von Mensch und Natur betreibt, ist objektiv überflüssig. Nur wenn sich die Entwicklungsländer auf gleicher Augenhöhe mit den Gebern befinden, werden sie bereit sein mit zu diskutieren und die Armut zu bekämpfen. Dass die wirtschaftliche Entwicklung im hohen Maß vom Frieden abhängig ist, lässt sich am Beispiel Europa leicht nachvollziehen. Länder mit erhöhten Rüstungsausgaben gefährden i. a. nicht nur den Frieden im eigenen Land, sondern auch den ihrer Nachbarn und heizen unwillkürlich den Rüstungswettlauf an, wie der Alltag zeigt. Und die finanziellen Mittel fehlen indes in der Entwicklungshilfe.

Laut Angaben des renommierten Sipri-Institut (Stockholm International Peace Research Institute) bestreiten die USA mit 48 % fast die Hälfte aller weltweiten Rüstungsausgaben, welche sich erstmalig im Jahr 2005 auf die astronomische Höhe von 950 Milliarden € erhöht haben. 2) Die anderen Wettrüster sind mit einigem Abstand Russland, Frankreich, Deutschland und Großbritannien, die drei letzten immerhin Länder welche auf eine “60jährige Friedenszeit” zurückblicken. Insgesamt stiegen die Ausgaben gegenüber 2004 um 3,4 Prozent, es erschreckt, wahrzunehmen, dass 2,5 % der Weltwirtschaftsleistung für Waffen ausgegeben wurden 3).

Was viel dringender gebraucht wird, ist mehr globale Politik zur Sicherung unserer gemeinsamen Zukunft. Es lässt sich nicht leugnen, dass eine Globalisierung, welche nur kurzfristige Interessen im Auge hat und dies auf Kosten der sozialen Sicherheit, der Gesundheit von Millionen Menschen und der Umwelt, keine Zukunft haben kann. “Die Welt von heute kann nicht sicher sein ohne Sicherheit für alle, doch die Ereignisse der letzten Jahre haben wenig dazu beigetragen, uns globale Lösungen näher zu bringen.” so die Direktorin des Sipri, Alyson J. K. Bailes.

In Zusammenhang mit dem Rüstungswahnsinn stellt man mit Bedauern fest, dass die Weltgemeinschaft sich von dem angepeilten Ziel entfernt, die Entwicklungshilfe auf 0,7 % des Bruttoinlandsproduktes der Industriestaaten zu steigern. Die Weltbank hat jedoch errechnet, dass eine zusätzliche Entwicklungshilfe in Höhe von etwa 50 Millionen € pro Jahr benötigt werden, um überhaupt daran zu denken, die Millenniumsziele zu erreichen. Ein Lichtblick lässt sich indes ausmachen, hat sich doch die Entwicklungshilfe im Jahr 2005 auf 82,5 Milliarden €. gegenüber dem Wert von 60 Milliarden € im Jahr 2004 erhöht.

Würde eine tolerantere Gesellschaft geschaffen, dann könnte man die Aufrüstung und den Waffenhandel auf “Null” reduzieren, diese Mittel wären frei für wirtschaftliche Zusammenarbeit insbesondere mit Afrika, dem Armenhaus der Welt. Wenn wir abseits stehen, dann werden sich die Kräfte der Verzweiflung, des Terrorismus und des Neids den Menschen bemächtigen und dann werden alle Waffen nichts ausrichten. Dort wo Millionen armer Menschen verzweifelt nach etwas Glück suchen, staut sich eine explosive Kraft auf, deren Wucht in den entfernten Winkeln unserer Erde zu spüren sein wird.

Was uns heute bedroht, ist nicht nur die Bevölkerungsexplosion, sondern die Explosion des Egoismus: die reichen 20 % dieser Erde haben Angst, dass der bisher allein verprasste Wohlstandskuchen mit den armen 80% geteilt werden muss. Millionen von Umweltflüchtlingen sprechen eine deutliche Sprache, die Welt ist im Umbruch. Wir können uns angesichts der dramatischen Verhältnisse in en Entwicklungsländern keine weite Verzögerung erlauben.

Doch wie hoch die finanziellen Mittel auch ausfallen mögen, die der wohlhabende Norden dem armen Süden reicht, letztlich liegt es auch an den Entwicklungsländern selbst, den Kampf gegen die Armut zu gewinnen. Wenn dies jedoch nicht auf nachhaltigem Weg erfolgt, dann wird die Armut noch größer und dies mit verheerenden Auswirkungen auf das Wohlergehen aller Menschen. Dieses mutige Unterfangen gelingt, wenn die Voraussetzung zur Schaffung von Wohlstand gegeben ist und diese lässt sich mit einem Wort erklären- Frieden. Mahatma Gandhi hat es treffend ausgedrückt: “Wir selbst müssen die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.”

Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter

Quellennachweis

1) Nepad http://www2.gtz.de/agenz/deutsch/nepad.html
2) http://www.glaubeaktuell.net/portal/nachrichten
3) http://www.dw-world.de /dw/article/0,2144,2052753,00.html