Freiheit ohne Qualm

“In erster Linie geht es darum, die Jugend zu schützen” Die CSV-Abgeordnete Nancy Kemp-Arendt im Revue Interview über das Antitabakgesetz

REVUE: Das Antitabakgesetz soll noch vor der Sommerpause vom Parlament verabschiedet werden. Was sind die wichtigsten Punkte des Gesetzentwurfs?

NANCY KEMP-ARENDT: In erster Linie geht es darum, die Jugend zu schützen. So soll an den Orten, wo sich Jugendliche aufhalten, wie zum Beispiel Schulen, ein striktes Rauchverbot herrschen. Der zweite Kernpunkt ist der Schutz vor dem passiven Rauchen. Zwar weiß jeder, wie schädlich das Rauchen ist. Aber die Gefahr des passiven Rauchens wurde lange Zeit unterschätzt. Mittlerweile haben wir aufgrund zahlreicher Studien Gewissheit. So hat zum Beispiel die Academie médicale française eine Statistik herausgegeben, die mich sehr schockierte. Das Risiko, Lungenkrebs zu bekommen, kann demnach um 39 Prozent steigen, wenn man sich an Orten aufhält, wo sehr viel geraucht wird. Zudem besagt ein Gutachten der Ärztegemeinschaft, dass besonders der so genannte zweite Rauch auf der Hand oder an Aschenbechern schädlicher ist.

REVUE: Der Gesetzentwurf Ist In seiner Endversion strenger als In der ersten Fassung. Worauf beziehen sich die Änderungen?

NANCY KEMP-ARENDT: Die Schulen sollen völlig rauchfrei sein, ebenso die Hallen und Flure von Gemeinde- und Staatsgebäuden, Kinos, Museen, Sportgebäude, Einkaufszentren und Supermärkte, überall da, wo Essen verkauft wird, sowie in Krankenhäusern – bis auf die psychiatrischen Abteilungen. Das Verbot gilt auch für die Restaurants. Nur jene dürfen Raucherzonen einrichten, die eine Erlaubnis vom Gesundheitsministerium erhalten. Dies wird mit einem großherzoglichen Reglement festgelegt. Die Raucherzone muss komplett abgedichtet sein und darf nicht größer sein als 25 Prozent der Gesamtfläche des Restaurants. Dies entspricht dem Anteil der Raucher an der Gesamtbevölkerung. In Cafes und Brasserien herrscht Rauchverbot während der Esszeiten, also von zwölf bis zwei Uhr sowie von sieben bis neun Uhr.

Kein Vorrecht für Raucher

REVUE: Was Ist, wenn ein Raucher gemeinsam mit Nichtrauchern essen gehen möchte?

NANCY KEMP-ARENDT: Dann muss er auf das Rauchen verzichten. Wenn er es wirklich nicht mehr ohne Zigarette aushält, kann er ja immer noch vor die Tür gehen. Vorher waren die anderen seinem Rauch ausgesetzt. Es kann aber nicht sein, dass derjenige, der Ungesundes bewirkt, ein Vorrecht vor den anderen besitzt. Jetzt drehen wir den Spieß um. Diese Tendenz setzt sich weltweit immer stärker durch. Luxemburg ist übrigens neben Deutschland und Portugal eines der Schlusslichter in Europa. Keinem wird generell das Rauchen verboten. Das Gesetz soll Raucher nicht diskriminieren und keine Hetzjagd sein.

REVUE: Haben die Restaurant- und Kneipenbesitzer nicht Umsatzeinbußen zu befürchten?

NANCY KEMP-ARENDT: Ich befürchte das überhaupt nicht. Ich bin sogar überzeugt, dass das Gegenteil eintreten wird. Dafür sprechen die Zahlen aus Irland und Italien. So sind zum Beispiel 93 Prozent der Iren, selbst die Raucher, nach dem Rauchverbot in Restaurants und Kneipen zufriedener. Die irische Tourismusindustrie verzeichnete Rekorde. Auch In New York machten mehr Restaurants auf als zu, seitdem dort ein komplettes Rauchverbot eingeführt wurde.

REVUE: Das Gesetzprojekt erscheint ziemlich repressiv. Es beinhaltet vor allem Verbote.

NANCY KEMP-ARENDT: Es wird keinem generell verboten zu rauchen. Das Gesetz soll Raucher nicht diskriminieren und keine Hetzjagd sein.

REVUE: Gibt es auch Hilfe für Nikotinsüchtige?

NANCY KEMP-ARENDT: Auch das ist vorgesehen. Selbstverständlich nur für die, die wirklich mit dem Rauchen aufhören wollen. Sie bekommen eine Beratung. Wir werden darüber hinaus massiv Sensibilisierungskampagnen starten, unter anderem in Schulen.

REVUE: Künftig Ist auch der Verkauf von Tabakwaren an Jugendliche unter 16 Jahren verboten. Wie soll das kontrolliert werden?

NANCY KEMP-ARENDT: Wir wollen bei den Automaten ein Jeton-System einführen. Die Jetons, die man in Cafes oder Kassen kauft, werden nicht an Jugendliche ausgegeben.

Jene schützen, die dem Rauch ausgesetzt sind

REVUE: Werden demnächst auch Restaurants, Kneipen und Cafes kontrolliert?

NANCY KEMP-ARENDT: Ja, es werden Kontrollen durchgeführt, und es gibt natürlich auch Strafen.

REVUE: Wie hoch sind die?

NANCY KEMP-ARENDT: Zwischen 25 und 250 Euro. Dabei kann sowohl der Raucher, der gegen das Verbot verstößt, als auch der Restaurantbesitzer bestraft werden.

REVUE: Darf der Staat von oben herab über die Lebensgewohnheiten der Menschen bestimmen?

NANCY KEMP-ARENDT: Ich glaube nicht, dass von oben herab bestimmt wird. Gerade was das Rauchen am Arbeitsplatz anbelangt, haben wir es den Arbeitgebern überlassen. Der Patron ist für den Schutz seiner Leute verantwortlich.

REVUE: Er kann es also erlauben oder verbieten.

NANCY KEMP-ARENDT: Wenn der Arbeitgeber es erlaubt und sich aber jemand durch den Rauch der Kollegen gestört fühlt, muss der Arbeitgeber etwas unternehmen um seine Angestellten davor zu schützen.

REVUE: Die Gegner des Antitabakgesetzes behaupten unter anderem, das Rauchverbot stelle einen Eingriff in die Individuelle Freiheitsrechte dar?

NANCY KAMP-ARENDT: Die Freiheit des Nichtrauchers, der gezwungen war, den Qualm einzuatmen, war lange genug eingeschränkt. Dabei sollte doch die Gesundheit Vorrecht haben.

REVUE: Wo soll das noch hinführen? Genauso könnte der Staat bestimmen, wie gesund jemand lebt und wie er sich zu ernähren hat?

NANCY KEMP-ARENDT: Sie können trinken und essen, was sie wollen – und ich trage dabei keinen Schaden davon. Das ist der Unterschied zum Rauchen. Hier geht es um den Schutz derer, die dem Rauch nicht ausgesetzt sein wollen, um den Schutz der Nichtraucher.

REVUE: Für Jugendliche wirkt ein Verbot oft eher verlockend als abschreckend. Befürchten Sie daher nicht eine entgegen gesetzte Wirkung des Verbots?

NANCY KEMP-ARENDT: Das wäre zu befürchten bei einem Totalverbot, wie früher in den USA während der Prohibition des Alkohols. Unsere Philosophie ist jedoch nicht so streng. Zudem versuchen wir mit unseren Sensibilisierungskampagnen einiges zu bewirken.

REVUE: Ein weiteres Element des Gesetzes ist das Werbeverbot für alle Tabakprodukte. Dies missfällt nicht nur der Tabakindustrie, sondern auch der Werbebranche sowie den Medien.

NANCY KEMP-ARENDT: Die europäische Direktive, die wir umsetzen müssen, zwingt uns zu bestimmten Schritten. Außerdem muss man auch konsequent sein. Man kann nicht auf der einen Seite die Jugend schützen wollen und auf der anderen riesige Plakate mit Zigarettenwerbung erlauben.

REVUE: Haben Sie übrigens selbst schon einmal eine Zigarette geraucht?

NANCY KEMP-ARENDT: Noch nie im Leben habe ich geraucht. Ich finde, wenn jemand raucht, riecht das nicht nur nicht gut, sondern sieht auch nicht gut aus. Wenn man dazu noch weiß, dass Nikotin krebserregend ist, und man dafür auch noch etwas bezahlen muss, fehlt für mich jede Logik.

ZUR PERSON

Nancy Kemp-Arendt, 37, ist seit 2004 Mitglied der parlamentarischen Gesundheitskommission. Die Abgeordnete vertrat die CSV zuvor schon von 1996 bis 1999 sowie von 2003 bis 2004 im Parlament. Die ehemalige Triathletin und Olympiazehnte 2000 in Sydney ist Mutter von zwei Kindern und überzeugte Nichtraucherin.

Quelle: Revue, 5. Juli 2006, Stefan Kunzmann