CSV-Fraktionspräsident Michel Wolter im “Soziale Fortschrëtt” über die Problematik der fiktiven Arbeitsplätze. “Ein Unfug der aufhören muss”
Rund 300.000 Menschen gelten in Luxemburg als privatrechtlich Beschäftigte. Jahr für Jahr kommen tausende Stellen dazu – allein zwischen Ende 2004 und Ende 2005 sollen etwa 10.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden sein. Demnach hätte Luxemburg einen derart dynamischen Arbeitsmarkt, dass wir kaum Arbeitslosigkeit kennen dürften. Auf jeden Fall sollten unter diesen Umständen keine 5 oder 6 Prozent der Menschen im Lande ohne Beschäftigung dastehen…oder? Zeichnen die verfügbaren Zahlen das echte, das reale Bild des luxemburgischen Arbeitsmarktes?
Dass Arbeitsplätze geschaffen werden, begrüßen wir alle. Durch die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen werden die Kassen der Gesundheits- und der Rentenversicherungen zusätzlich aufgefüllt. Und doch: eines Tages enden die Lebensarbeitszeiten jener, die in den vergangenen Jahren in ein Beschäftigungsverhältnis eingetreten sind. Dann müssen Renten ausgezahlt werden – Renten, die wohl kaum in entsprechendem Maß in Luxemburg ausgegeben werden. Und wenn Renten in großer Zahl nicht mehr in die luxemburgische Wirtschaft zurückfließen, haben wir auf lange Sicht ein finanzielles Problem.
Kein beschäftigungspolitisch positiver Beitrag
Es ist zu befürchten, dass von den vielen neugeschaffenen Arbeitsplätzen ein erheblicher Anteil “fiktive” Arbeitsplätze sind – solche, deren Inhaber kaum jemals einen Fuß ins Großherzogtum setzen, die nicht durch Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt besetzt wurden, die im Grunde überhaupt keinen Bezug zu Luxemburg aufweisen. Diese Stellen existieren vielleicht, aber nicht bei uns. Ob sie mit wirklicher Arbeit verbunden sind, ist mehr als fraglich – sehr wahrscheinlich dienen sie vor allem zur günstigen Umschichtung von Kapital. Kaum ein Euro von den dafür gezahlten Löhnen wird in Luxemburg ausgegeben. Kein solcher Euro kann demnach später in Form von Steuergeld in den Staatshaushalt zurückfließen, um dazu beizutragen, dass der staatliche Anteil an der Rentenversicherung finanzierbar bleibt.
Ganz von den negativen Auswirkungen auf die langfristige Rentenfinanzierung abgesehen sind fiktive Arbeitsplätze ein beschäftigungspolitisches Problem. Sie verfälschen die Arbeitsvermittlungsstatistiken, sie verhindern, dass Arbeit suchende Menschen von offenen Stellenangeboten erfahren und diese besetzen könnten – kurz, fiktive Arbeitsplätze sind ein Problem. Jene, die sie schaffen, profitieren lediglich von den niedrigen luxemburgischen Steuersätzen und Sozialabgaben, ohne irgendeinen Beitrag zum Funktionieren unserer Wirtschaft, unseres Arbeitsmarktes und unserer sozialen Sicherheit zu liefern. Fiktive Arbeitsplätze gehören bekämpft.
Die langfristige Finanzierbarkeit der Renten und die Effizienz der Beschäftigungspolitik sind nur dann gegeben, wenn luxemburgische Arbeitsverhältnisse auch in Luxemburg stattfinden, und wenn von den Löhnen und den Renten, die ein Mensch in seinem Leben bezieht, ein ausreichend großer Teil in die Wirtschaft und die Staatskasse zurückfließt. Ohne diesen Rückfluss gelangt das System in Schieflage. Demnach: reale Beschäftigung und Renten für alle vertragen sich nicht mit fiktiven Arbeitsplätzen. Dieser Unfug muss aufhören – dafür wird die Politik sorgen müssen!
Michel Wolter, CSV-Fraktionspräsident
Quelle: Soziale Fortschrëtt, Mai 06