Um die Nicht-Luxemburger besser in die Gesellschaft zu integrieren und den Zusammenhalt der Bevölkerung zu gewährleisten, will die CSV/LSAP-Koalition die doppelte Staatsbürgerschaft einführen
LINKS: Juristische Fragen in Zusammenhang mit der doppelten Staatsbürgerschaft, Bericht der Professoren Francis Delpérée und Michel Michel Verwilghen, Januar 2004: Citoyenneté multiple et nationalité multiple au Grand-Duché de Luxembourg (PDF) / Die Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes von 2001: Gesetz vom 24. Juli 2001 (PDF), Bericht der parlamentarischen Justizkommission (PDF) / Berichterstatter Laurent Mosar
Über die Einzelheiten der Gesetzesvorlage äußert sich Justizminister Luc Frieden im “Wort”-Gespräch.
Herr Minister, wieso brauchen wir ein Gesetz über die doppelte Staatsbürgerschaft?
Der Debatte zugrunde legen möchte ich eine moderne Definition des Begriffs der Nation. Darunter verstehe ich nicht nur ein Volk mit einer gemeinsamen Vergangenheit und Zukunft, sondern alle Menschen, die zusammen die Zukunft eines Landes gestalten wollen. Dies gilt besonders für Luxemburg mit seinem hohen Ausländeranteil. Diese Willensbekundung soll auch im Mittelpunkt der Gesetzesvorlage stehen, an der ich derzeit arbeite.
Welche Bevölkerungsgruppen wollen Sie mit dem Gesetz in erster Linie ansprechen?
Es sind überwiegend die Kinder von Zuwanderern, die von der doppelten Staatsbürgerschaft angesprochen werden sollen. Bereits jetzt stellen diese Immigranten der zweiten Generation den Großteil der Menschen, die die luxemburgische Nationalität per Option beantragen. Sie sind häufig in Luxemburg geboren und aufgewachsen und wollen jedoch nicht ihre Herkunft leugnen. Ihnen wird es auch nicht schwer fallen, die in der Vorlage vorgesehenen Bedingungen für die doppelte Staatsangehörigkeit zu erfüllen. Dazu zählt eine Aufenthaltsdauer von zehn Jahren, Kenntnisse des Luxemburgischen als Umgangssprache im täglichen Leben, sowie ein Kurs über Bürgerkunde. Natürlich richtet sich die Gesetzesvorlage auch an im Ausland lebende Luxemburger, die ihre Nationalität nicht verlieren wollen, selbst wenn sie eine neue Staatsbürgerschaft angenommen haben.
Grösste gesellschaftspolitische Reform der laufenden Legislatur
Wieso gelten für die doppelte Staatsbürgerschaft strengere Anforderungen als für das normale Einbürgerungsverfahren?
Das aktuelle Verfahren, bei dem man seine Ursprungsnationalität aufgeben muss, stellt für viele Menschen eine größere psychologische Hürde dar. Ich will gewährleisten, dass wir die doppelte Staatsbürgerschaft nicht zum Billigtarif vergeben werden. Anspruch darauf können nur die Menschen erheben, die ihre Zugehörigkeit zu Luxemburg im Kopf und im Herzen tragen, ohne ihren Stolz und ihre Zuneigung zu dem Land ihrer Vorfahren über Bord werfen zu wollen. Wir drängen niemandem die Staatszugehörigkeit auf. Doch wer den luxemburgischen Pass neben seinem ursprünglichen Pass erlangen will, muss sich anstrengen. Ich sehe in den Bedingungen auch keine Hürde, sondern ein Garant dafür, dass jeder stolz auf die luxemburgische Nationalität sein wird. Deswegen will ich auch die Einbürgerungsurkunde künftig im Rahmen einer kleinen Feierstunde überreichen.
Die Doppelpass-Debatte kam 2001 im Rahmen der Reform des Staatsbürgerschaftsgesetzes auf. Wieso hat es fünf Jahre gedauert, ehe ein Gesetzesprojekt vorliegt?
Da es sich in meinen Augen um die größte gesellschaftspolitische Reform der laufenden Legislaturperiode handelt, wollte die Regierung nichts überstürzen. Außerdem wirft ein solches Gesetz weitreichende juristische Fragen auf, die beantwortet werden mussten. Diese Einzelheiten sind mittlerweile geklärt. Eine wichtige Hilfe war der Bericht, den die belgischen Professoren Francis Delpérée und Michel Verwilghen im Januar 2004 vorgestellt hatten. Derzeit laufen die Beratungen mit den Koalitionsparteien. Sobald der Ministerrat das Gesetzesprojekt abgesegnet hat, werde ich es im Parlament einreichen. Dies soll noch vor der Sommerpause geschehen.
Element der Integration
In den Niederlanden will Ministerin Rita Verdonk die doppelte Staatsbürgerschaft wieder abschaffen, da sie der Integration hinderlich sei.
Die Lage in Luxemburg lässt sich nicht wirklich mit der Situation in den Niederlanden vergleichen, die mit einer Zuwanderung einer anderen Art zurecht kommen müssen. Die meisten Menschen, die hier leben, teilen mit den Einheimischen die gleichen kulturellen und gesellschaftlichen Werte.
Vereinigungen wie die Asti sehen im Doppelpass weniger ein Mittel zur sozialen Integration denn zur politischen Partizipation.
Für mich ist die doppelte Staatsbürgerschaft ein Element der Integration – wenn auch nicht das einzige. Wichtig ist, dass wir durch vernünftige Regeln den Zusammenhalt der Gesellschaft gewährleisten. Nur so werden die Zuwanderer, auf die wir aus wirtschaftlichen Gründen nicht verzichten können, auch in Zukunft willkommen sei.
Quelle: Wort, 19. Mai 2006, Joëlle Merges