Die Renten sind sicher

Den CSV-Fraktiounssekretär Frank Engel “zu Gast im Land” (05/05/2006)
Mit diesem Ausspruch wird der ehemalige deutsche Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm heute noch zitiert – in den seltensten Fällen ist das Zitat jedoch zur Wiedergabe eines tatsächlichen Sachverhaltes gedacht. Deswegen sollte man vorsorglich auch auf ein Ausrufezeichen am Zitatende verzichten. In Deutschland, aber auch bei uns.

Die Tripartite-Einigung von Mitte April beinhaltet einen Passus, gemäß dem an der Rentenfront nicht mehr jene Ruhe und Gelassenheit herrschen, die hierzulande jahrelang – gleichsam als Element unserer nationalen Identität – kultiviert wurden. So liest man im Abschlussbericht der Tripartite: « Les partenaires sociaux et le Gouvernement procéderont à la création d’un groupe de réflexion qui aura pour mission d’élaborer des propositions pour assurer la viabilité à long terme des régimes de pension et d’étudier les différentes mesures qui pourront être envisagées pour garantir cette viabilité à long terme et pour adapter le système de pensions aux évolutions liées aux changements dans le déroulement des carrières professionnelles, au vieillissement démographique et à son impact sur la durée du temps de travail à vie. » Nun denn. Wenn die langfristige Finanzierbarkeit des Rentensystems mit neuen Maßnahmen abgesichert werden soll, dann ist sie wohl zu diesem Zeitpunkt nicht so sicher. Dass die Sozialpartner sich endlich zu dieser gemeinsamen Feststellung durchringen konnten, ist ein Novum. Ein sehr begrüßenswertes, allerdings.

Die Renten werden über eine “Versicherung” finanziert. Eine Versicherung ist per definitionem ein Instrument, das auf einer strukturellen Überlegenheit der Beiträge gegenüber den in Anspruch genommenen Leistungen beruht. Dem war auch so, als die staatliche Rente vor über 80 Jahren erfunden wurde – als Versicherung für jene Menschen, die das “Pech” haben sollten, derart lange zu leben, dass sie ab einem bestimmten Moment nicht mehr arbeiten könnten. Damals lag die durchschnittliche Lebenserwartung genau dort, wo das legale Renteneinstiegsalter angesiedelt wurde – das war beileibe kein Zufall. Etwas, das also als veritable Versicherung gedacht war und nur in wenigen Fällen wirklich über längere Zeit in Anspruch genommen wurde, hat sich im Verlauf der Jahrzehnte zu einem persönlichen Einkommen entwickelt, das an jeden Luxemburger im statistischen Durchschnitt während 20 bis 25 Jahre gezahlt wird. Wenn Ihre Autoversicherung derartiges zu leisten hätte, wäre die Versicherungsprämie teurer als das Auto.

Zu dieser Problemstellung kommen noch ein paar weitere hinzu. Die Exportierung von Rentenzahlungen an heutige Grenzgänger, die ihre Rente nicht in Luxemburg ausgeben werden, führt zwangsläufig dazu, dass nicht mehr jene Rentensummen und -anteile in unsere Wirtschaft und unseren Staatshaushalt zurückfließen können, die gebraucht werden, um die erheblichen staatlichen Einzahlungen in die Rentenkassen zu erlauben. Die Lebensarbeitszeit wird kürzer, der Einstieg ins Berufsleben und damit in die Sozialkassen verzögert sich, die Ausbildungszeiten werden länger. Der demografische Reproduktionsfaktor unserer Gesellschaft reicht für das Ersetzen der Generationen bei weitem nicht mehr aus – wobei genau jener Generationenersatz unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren eines Rentensystems ist, das auf Umverteilung und Solidarität zwischen den Generationen beruht.

All diese Elemente verdichten sich zu einer Bedrohung für die langfristige Finanzierbarkeit unserer Renten. Das ist kein bösartiger neoliberaler Kassandraruf, sondern reiner arithmetischer Realismus. Deswegen muss darüber nachgedacht werden, wie in Zukunft Renten finanziert und wann sie an wen ausgezahlt werden können. Die Sozialpartner wollen sich nun der Verantwortung einer solchen Denkarbeit stellen. Dafür ist es keinen Monat zu früh.

Frank Engel