Das Haushaltsloch stopfen, das war das oberste Ziel der Tripartite-Runde, die am Mittwoch nach 13stündigem Ringen zu Ende ging. (Wort, 21. April 2006)
Der gordische Knoten der Verhandlungen war sicherlich die Index-Frage. Bis 2009 wird es nur noch eine Index-Tranche pro Jahr geben. Die Vereinbarung sieht vor, dass die im August dieses Jahres fällige Index-Tranche erst zum l. Dezember ausbezahlt wird. 2007 wird es dann keine automatische Lohnanpassung geben. Falls eine Index-Tranche fällig sein sollte, wird diese auf den l. Januar 2008 verlegt, vorausgesetzt, die Ölpreise bleiben unverändert hoch. Sollten die Erdölpreise unerwartet sinken, erfällt die Index-Tranche erst am l. März 2008. Steht 2008 eine weitere Tranche an, so wird diese auf das Jahr 2009 verschoben.
Laut Premier Juncker wird das Benzin im Index-Warenkorb bleiben, weil ansonsten die Geringverdiener übermäßig belastet würden. Nicht mehr Indexgebunden sind indes die Familienzulage, der Eltern- und der Erziehungsurlaub. Allerdings ist ein Ausgleich in Form eines Steuerkredits geplant. Wenn bis zum l. Januar 2008 keine Einigung auf diesem Gebiet erzielt werden kann, dann werden die drei Leistungen für die Jahre 2008 und 2009 wieder an den Index gekoppelt.
Als historisch bezeichnete der Premier das vereinbarte Einheitsregime bei den Sozialversicherungen. Damit werde einer “archaischen Unterscheidung” endlich ein Ende gesetzt, so Juncker. Bei der Umsetzung will man sich am Privatbeamtensystem orientieren, vor allem was die Lohnfortzahlung und deren Dauer anbelangt. Dadurch sollen u.a. auch die Jobs im Handwerk und der Industrie wieder attraktiver gestaltet werden. Allerdings dürften keine zusätzlichen Kosten für die Wirtschaft entstehen, betonte der Premier.
Zeitliche Verschiebung bei der Rentenanpassung
Wie beim Index kommt es auch bei den Rentenanpassungen zu einer zeitlichen Verschiebung. Ursprünglich sollten die Renten und Pensionen zum l. Januar 2007 um zwei Prozent ansteigen. Nun werden sie in zwei Etappen angehoben: jeweils um ein Prozent am l. Juli 2007 und 2008. Der Mindestlohn soll zum l. Januar 2007 um circa zwei Prozent steigen. Bei der Pflegeversicherung werden die Versicherten künftig stärker belastet. Ab dem l. Januar 2007 steigt die Beteiligung von l auf 1,4 Prozent an. Da die Beteiligung nicht von der Steuer absetzbar ist, sei dies eine sozial gerechte Maßnahme, so Juncker. Zudem ermöglicht dies die Beibehaltung der aktuellen Beteiligungssätze des Staates.
Auch bei der Solidaritätssteuer wird es zu Veränderungen kommen. Sowohl für die Privatpersonen als auch für die Betriebe wird es zu einer Erhöhung von einem Prozent kommen. Durch diese Maßnahme soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass immer mehr Arbeitslose entschädigt werden müssen.
Höhere Mehrwertsteuer für einige Dienstleistungen
In einigen wenigen Fällen soll auch die Mehrwertsteuer angehoben werden. Dies betrifft allerdings nicht den Normalsatz von 15 Prozent sondern lediglich den so genannten “taux parking” bei verschiedenen Dienstleistungen von zwölf Prozent.
In Sachen Beschäftigungspolitik will man sich verstärkt ins Zeug legen. Arbeitsminister Biltgen werde deshalb so schnell wie möglich ein Gesetzesprojekt zum Erhalt der Beschäftigung (maintien de l’emploi) einbringen. Durch diverse Maßnahmen soll somit Massenentlassungen vorgebeugt werden. Außerdem habe sich u.a. das Handwerk verpflichtet weitere l 000 Lehrstellen zu schaffen, so Juncker. Auch sollen im Rahmen der aktuellen Gesetzgebung mehrere hundert Praktika-Stellen entstehen, um jungen Leuten eine Beschäftigung zu geben. Für ältere Arbeitnehmer soll es Verbesserungen bei der beruflichen Wiedereingliederung geben. Gleich ein ganzes Maßnahmenpaket wurde schließlich in Sachen Wohnungsbau geschnürt, auf das der Premier allerdings erst am 2. Mai in einer Rede zur Lage der Nation eingehen will.
Kioto wird Benzin noch teurer machen
Überraschungen könnte es auch an der Tanksäule geben. Jedenfalls kündigte der Premier für 2007 eine Erhöhung der Benzinpreise an, um die staatlichen Ausgaben im Zusammenhang mit dem Kioto-Abkommen teilweise zu decken. Darüber sowie über die neue Aufstellung der Automobilsteuer will man am kommenden 28. April weiterdiskutieren.
Nicht betroffen von den Sparzwängen sind nach Aussage von Premier Juncker die Forschung, der Umweltbereich, die Bildungspolitik, der öffentliche Transport sowie die Kinderbetreuung. In diesen Bereichen werden die Haushaltsmittel sogar noch angehoben.
Da man mit dem Reformpaket die Sanierung des Staatshaushalts vorantreiben will, stellt sich die Frage, was die einzelnen Maßnahmen – an Sparpotenzial einbringen. Bei den Funktionskosten des Staates können laut Premier Juncker 2007 25 Millionen Euro eingespart werden, eine restriktive Einstellungspolitik würde zusätzliche 6,5 Millionen Euro einbringen.
Die Änderungen beim Index belaufen sich 2006 auf 56 Millionen, 2007 werden es 70 und 2008 84 Millionen Euro sein. Im kommenden Jahr kommt es durch die Verschiebung bei der Anpassung der Renten und Pensionen zu Einsparungen in Höhe von 47 Millionen, 2008 kommen durch weitere 18 Millionen Euro hinzu.
Öffentliche Investitionen mit grösstem Sparpotenzial
Das größte Sparpotenzial liegt allerdings bei den öffentlichen Investitionen, die 2007 um 170 Millionen Euro gekürzt werden. 2008 und 2009 werden jeweils weitere 200 Millionen Euro eingespart. Die Anhebung der Solidaritätssteuer soll insgesamt 33 Millionen einbringen, 22 Millionen davon gehen zu Lasten der Privatpersonen und elf Millionen kommen aus den Betrieben. Die Anhebung des Mehrwertsteuersatzes von zwölf auf 15 Prozent bei einigen Dienstleistungen wird weitere 30 Millionen in die Staatskasse spülen. Alles in allem kommt bis zum Jahr 2009 durch die Einsparungen und die Mehreinnahmen die stolze Summe von 939,5 Millionen Euro zusammen. Auch wenn Finanzminister Juncker für 2007 noch mit einem gesamtstaatlichen Haushaltsdefizit von etwas über einem Prozent rechnet, -so soll das Haushaltsloch 2008 bereits deutlich germger ausfallen. 2009 soll der Haushalt dann wieder im Gleichgewicht sein. Neben der Sanierung der Staatsfinanzen genießt die Bekämpfung der Inflation oberste Priorität.
Quelle: Wort, 21. April 2006, Journalistin Dani Schumacher