In den kommenden Monaten wird die CSV das geplante Reformpaket in den Mittelpunkt der Parteiarbeit rücken. CSV-Präsident François Biltgen im Wort-Gespräch
Das erste Halbjahr 2006 will die CSV mit der Basis über das geplante Reformpaket diskutieren. Danach erst sollen, so Parteichef François Biltgen, Entscheidungen über die personalpolitische Erneuerung getroffen werden. Anzeichen für einen Richtungsstreit bei den Christlich-Sozialen sieht Biltgen keine.
Wort: “Herr Biltgen, nach der Rücktrittsankündigung Ihres Generalsekretärs brach in der CSV eine gewisse Unruhe aus. Wie soll die Personalfrage gelöst werden?”
François Biltgen: “Von Unruhe, wie Sie sagen, konnte ich wenig spüren. Was nun den Rückzug von Jean-Louis Schiltz angeht, so bin auch ich seiner Meinung, dass eine erneuerte Parteispitze die nötige Zeit haben muss, wichtige Wahltermine vorzubereiten. Es macht demnach keinen Sinn, Personalentscheidungen unnötigerweise aufzuschieben. Deshalb auch meine Initiative, Ende des Jahres eine breite Erneuerung der Gremien vorzunehmen. Gestern hat der Nationalvorstand dem zugestimmt.”
Wort: “Das bedeutet …”
François Biltgen: “Dass wir in der ersten Hälfte des Jahres die von Jean-Claude Juncker initiierten Reformen in den Mittelpunkt der Parteiarbeit stellen werden. Die Mitglieder wollen mit uns über die Zukunft des Landes diskutieren. Das spürt man immer wieder im Kontakt mit der Basis. Die zweite Jahreshälfte werden wir uns dann der personellen Erneuerung der Partei widmen.”
Wort: “Dazu gehört auch der Posten des Parteichefs.”
François Biltgen: “Ja, dazu gehört auch dieser Posten.”
Wort: “Für den Sie noch einmal kandidieren werden?”
François Biltgen: “Das schließe ich nicht aus, ganz im Gegenteil. Im Vorfeld werde ich natürlich Für und Wider genau abwägen. – Bleibt aufgrund anderer Aufgaben in der Regierung genug Zeit fürs Parteiamt? Macht die Gesundheit mit? Das sind die zentralen Fragen, von deren positiver Beantwortung ich eine erneute Kandidatur im Endeffekt abhängig machen werde.”
Wort: “Und die politische Marschrichtung, ist in Ihren Augen keine der ausschlaggebenden Fragen? In den vergangenen Wochen wurde nämlich viel über Richtungskämpfe in der CSV orakelt. Welche Strömungen gibt es in der CSV? Stehen die Christlich-Sozialen tatsächlich vor einem Richtungsstreit?”
Gleichgewicht von wirtschaftlicher Freiheit und sozialer Verantwortung
François Biltgen: “Nein. Dafür sehe ich keinerlei Anzeichen. Nun ist die CSV eine große Volkspartei mit definitiv mehr als 10 000 Mitgliedern. Eine solche Partei verlangt nach Debatten, aber auch nach Konsensen. Wie alle echten christlich-sozialen Parteien gibt es bei unserem Wertepotenzial sowohl konservative, liberale als auch soziale Elemente. Unsere Stärke lag und liegt in einem Gleichgewicht dieser Elemente. Ich habe es bei meinem Antritt als Vorsitzender 2003 folgendermaßen ausgedrückt: “Die CSV lebt vom Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Freiheit und sozialer Verantwortung”. Wobei die soziale Verantwortung für mich das zu erreichende Ziel ist. Dafür stehe ich als Parteivorsitzender ein. “
Wort: “Stichwort Cercle Joseph Bech – Wie stark ist der Einfluss dieses Zirkels in der Partei?
François Biltgen: “Dessen Einfluss wird von den Medien total – oft bewusst – überschätzt. Es handelt sich um einen Zirkel außerhalb der Partei, dessen Mitglieder aber zum großen Teil auch in der Partei aktiv sind. Man sollte diese weder hochspielen noch verteufeln, sondern sich mit ihren Ideen auseinandersetzen. Eine Idee muss nicht schlecht sein, nur weil sie vom Cercle Joseph Bech kommt. Verschiedene Ideen sind aber sicher nicht konsensfähig in der CSV, wie z.B. die Abschaffung der Tripartite. Diese Idee darf man natürlich auch innerhalb der CSV vertreten, durchkommen wird sie nicht. Die Rolle der Tripartite steht klar und deutlich in unserem Wahlprogramm. Und für die Tripartite stehen nicht zuletzt der Premier und ich selbst ein.”
Wort: “Bleiben wir beim Einfluss: Wie stark ist der LCGB innerhalb der CSV? – Immerhin hat Präsident Weber in der Person von Marco Schank einem Anwärter für den Generalsekretärsposten öffentlich seine Unterstützung zugesagt.”
François Biltgen: “Viele, aber nicht alle LCGB-Mitglieder sind in der CSV aktiv, und umgekehrt. Das verbindet. LCGB und CSV teilen gemeinsame Werte. Das heißt aber weder, dass der LCGB ein Fanclub der CSV noch die CSV der verlängerte Arm des LCGB ist. Gesunde Auseinandersetzungen sind wichtig. Die Presse redet derzeit immer wieder über Streit zwischen Robert Weber und mir, vor allem in meiner Funktion als Arbeitsminister. Wir streiten, nicht erst heute, über vieles, ohne dafür aber “Streit zu haben”, und das ist gut so.”
Wort: “Schank, Rauchs, Engel und viele andere mehr. Das Personalkarussell dreht. Was muss Ihrer Meinung nach der richtige Mann oder die richtige Frau an Voraussetzungen erfüllen?”
François Biltgen: “Mit allem Respekt vor der Rolle des Generalsekretärs, sie ist sehr wichtig, wird aber derzeit von der Presse hochgespielt, wahrscheinlich weil zwei ehemalige Generalsekretäre in der Regierung sitzen. Übrigens sind mit Jean-Claude Juncker und mir auch zwei ehemalige Fraktionssekretäre in der Regierung. All dies entspricht keiner präzisen Regel.”
Die CSV lebt vor allem von gesunden Traditionen, die es der Partei erlauben, eine Einheit zu bilden, ohne aber monolithisch zu sein. Deshalb ist der Premier nie Parteivorsitzender und es gibt eine Trennung zwischen Partei- und Fraktionsspitze. Dies erlaubt der Partei weiter zu sehen als die alltägliche Politik, und der Fraktion eine eigene Position gegenüber der (nicht gegen die) Regierung zu entwickeln, wie es unter Michel Wolter geschieht.”
Wort: “Und wie sehen Sie die Rollenverteilung zwischen Generalsekretär und Parteipräsident?”
François Biltgen: “Der Parteivorsitzende verkörpert die Einheit und die politische Linie der Partei. Der Generalsekretär ist für die interne Organisation und vor allem die interne Dynamik der Partei zuständig. Dabei kann er auch, als vom Kongress direkt gewählter Verantwortlicher eine politische Linie entwickeln, die aber nicht im Widerspruch zu der des Vorsitzenden stehen darf. Das Zusammenspiel zwischen Jean-Louis Schiltz und mir hat in all diesen Hinsichten hervorragend geklappt. Falls ich erneut antrete, muss wiederum die Chemie stimmen. Ich brauche einen Generalsekretär, der die nötige Energie, Kompetenz und Zeit besitzt, sich um die Partei zu kümmern und mit dem ich “kann”. Noch ist es aber viel zu früh über Personen zu diskutieren. Das sehen wir nach den Sommerferien.”
Quelle: Wort, 7. Februar 2006, Journalist Marc Glesener