Ein LW-Gespräch mit Kammerpräsident Lucien Weiler
D’Wort: Herr Präsident, wie haben Sie sich in Ihr neues Amt eingelebt? Sie standen elf Jahre an der Spitze der größten Fraktion. Fehlt Ihnen nicht etwas der politische Nahkampf?
Ich fühle mich sehr wohl in meinem neuen Job. Das Amt des Kammerpräsidenten war sicher eine Herausforderung. Ich habe mich aber sehr gut eingelebt. Sicher stehe ich nun nicht mehr in der ersten Reihe bei politischen Auseinandersetzungen. Das schließt aber nicht aus, dass ich in meiner Fraktion und den Parteigremien weiter meine Meinung sage und mich einbringe.
D’Wort: Kommen Sie denn mit allen Fraktionen zurecht?
Ich denke, dass ich zu allen Fraktionen ein ausgezeichnetes Verhältnis habe und meine Amtsführung auf eine breite Zustimmung stößt. Die Aufgabe des Präsidenten besteht darin für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzungen zu sorgen und sicher zu stellen, dass das Parlament optimal funktionieren kann.
D’Wort: Ist es denn nicht manchmal anstrengend, im Plenum die Rolle des Dompteurs zu übernehmen?
Bis jetzt war es eine ziemlich ruhige Legislaturperiode. Die Debatten verliefen geordnet, ohne zuviel Trubel. Das kann man vielleicht darauf zurückführen, dass im Parlament viele neue Abgeordnete sitzen, die sich erst einmal eingewöhnen müssen. Das mag sich im Herbst ändern, wenn innenpolitische Dossiers wieder stärker in den Vordergrund rücken. Mal abwarten.
D’Wort: Das erste Jahr stand sehr im Zeichen der EU-Ratspräsidentschaft. Sie haben bereits vor einem Jahr darauf hingewiesen, dass das Parlament sich intensiver mit europäischen Fragen beschäftigen müsse. Nach dem Referendum sehen das alle Fraktionen ähnlich. Tut sich etwas?
Das will ich doch hoffen. Die Debatte um den europäischen Verfassungsvertrag hat bei vielen Bürgern das Interesse an der Europapolitik geweckt. Die Innenpolitik wird ja zunehmend europäisch. Wir müssen uns einfach damit beschäftigen. Wir sind geradezu verpflichtet, die legislative Arbeit auf europäischer Ebene kontinuierlich zu beobachten. Nur so können wir als nationale Parlamentarier frühzeitig reagieren und unseren Standpunkt klar machen. Wir sollten darüber hinaus das Interesse der Bürger an diesen Fragen nutzen und nicht in Versuchung geraten, die Europapolitik wieder in einen Elfenbeinturm zu verbannen.
D’Wort: Nach dem Referendum sprachen sich alle Parteien für eine zeitliche Trennung von Europa- und Nationalwahlen aus. Halten Sie dies auch für angebracht?
Absolut. Das ist eine dringende Notwendigkeit. Die Fraktionen müssen das hinkriegen, ansonsten verliert die Politik ihre Glaubwürdigkeit. Man muss sich natürlich auf einen gangbaren Weg einigen und einen Konsens finden.
D’Wort: Sie wollen aus dem Parlament eine Denkfabrik machen, wie soll das denn nun konkret vor sich gehen.
Hauptaufgaben des Parlaments sind und bleiben die legislative Arbeit und die Kontrolle der Regierung. Die Kammer sollte sich allerdings die Zeit nehmen, um über grundlegende Fragen nachzudenken. Ich meine damit Themen, die nicht unbedingt auf der Tagesordnung der Regierung stehen. Das darf natürlich nicht zu einem “art pour l’art” ausarten. Aber in fünf Jahren sollte man schon drei Themenfelder bearbeiten können, so wie wir das in der letzten Legislaturperiode mit dem Jugendschutz vorgemacht haben. Immerhin haben wir damals der Regierung 30 konkrete Maßnahmen vorgeschlagen. Die Abgeordneten müssen die Initiative nicht immer nur den Ministern überlassen.
D’Wort: Wie wollen Sie die Arbeit des Parlaments den Bürgern denn noch näher bringen. Wird es zu weiteren öffentlichen Hearings kommen? Könnte das Informationsangebot von Chamber TV nicht weiter ausgebaut werden?
Ich bezweifele, dass man das Konzept der Hearings zur EU-Verfassung so ohne weiteres auf nationale Themen übertragen kann. Das Parlament wird aber sicherlich bemüht sein, den Dialog mit der Zivilgesellschaft aufrecht zu erhalten.
Ich bin sehr dafür, das Angebot von Chamber TV auszubauen und Interviews, Rundtischgespräche und Zusammenfassungen der Sitzungen ins Programm aufzunehmen. Wir werden auch die Zeitungsbeilage des Chamberberichts noch lebendiger und leserfreundlicher gestalten.
D’Wort: Ombudsman Marc Fischbach hat bereits mehrmals bedauert, dass seine Anregungen im Parlament nicht aufgegriffen werden.
Marc Fischbach leistet eine hervorragende Arbeit. Ich will mich übrigens Anfang September mit dem Ombudsman zusammensetzen und gemeinsam mit ihm überlegen, wie das Parlament seine Anregungen nachhaltig aufgegreifen könnte. Das scheint mir sehr wichtig.
Interview: Laurent Zeimet
D’Wort 22. August 2005