Bilanz vor der Sommerpause

D’Wort im Gespräch mit dem christlich-sozialen Fraktionschef: Michel Wolter
Vor dem Abschied in die Ferien ziehen die Fraktionen die Bilanz ihrer Arbeit. Die CSV ist mit den ersten elf Monaten der Juncker/Asselborn-Regierung zufrieden. Die Présidence wurde gemeistert und das EU-Verfassungsreferendum heil überstanden. Frisch erholt wollen die Christlich-Sozialen im Herbst bei den Kommunalwahlen ihre Position ausbauen und die innenpolitische Agenda vorantreiben. CSV-Fraktionspräsident Michel Wolter ist optimistisch.

Wolter.jpgd’Wort: Die Opposition und die Gewerkschaften drohen mit einem heißen Herbst. Befürchten Sie eine turbulente Rentrée?

Michel Wolter: Ach was. Das wird immer wieder angedroht. Man sollte schon auf dem Teppich bleiben. Wir werden uns im Herbst wieder stärker mit innenpolitischen Themen beschäftigen, das ist doch klar. Die sechsmonatige Ratspräsidentschaft und das anschließende Referendum haben viel Zeit in Anspruch genommen und kosteten viel Mühe. Jetzt geht es darum, die grundlegenden nationalen Dossiers anzupacken.

d’Wort: Und welche wären das?

Michel Wolter: Wir müssen dafür sorgen, dass junge Menschen wieder eine bezahlbare Wohnung im Großherzogtum finden. Die territoriale Reorganisation muss vorangetrieben werden. Hier stellt sich immer noch die Frage, ob wir den Sprung vom 19. ins 21. Jahrhundert wirklich wagen wollen. Wir müssen die Arbeitslosigkeit in den Griff kriegen und die Sozilasysteme finanziell absichern. Es geht nicht darum soziale Einschnitte vorzunehmen. Dazu sehe ich keinen Handlungsbedarf. Die Politik kann ja nur so weit handeln, wie die Gesellschaft bereit ist mitzugehen. Wir sind gefordert, die langfristige Finanzierbarkeit unserer Sozialsysteme zu gewährleisten.

d’Wort: Aber die Regierung arbeitet doch beherzt am nationalen Aktionsplan der Lissabon-Strategie…

Michel Wolter: Ja sicher. Aber der Lissabon-Prozess ist ja nichts anderes als normale Politikgestaltung. Wir wollen wettbewerbsfähig bleiben, den sozialen Zusammenhalt gewährleisten und nachhaltig arbeiten. Das ist doch unser tägliches Handwerk. Die Frage ist doch: Wie kriegen wir all diese Ansprüche unter einen Hut? Da brauchen wir das Zusammenspiel aller gesellschaftlichen Kräfte und vor allem die Bereitschaft neue Wege zu gehen. Das wird ohne Zweifel Anstrengung kosten. Ich mache mir da keine Illusionen.

d’Wort: Sind Sie mit der bisherigen Arbeit des Tandems CSV-LSAP zufrieden?

Michel Wolter: Ich habe immer noch eine gute Beziehung zu Ben Fayot. Das könnte eigentlich nicht besser klappen. Wir müssen natürlich mit unseren Gegensätzen leben.

d’Wort: Wo sehen Sie denn die Haupterrungenschaft der Koalition?

Michel Wolter: Ich glaube wir haben gute Akzente in der Schulpolitik gesetzt. Im Herbst führen wir das mit der Diskussion um eine Reorganisation des Primärschulwesens weiter. Auch in der Asylpolitik sind wir gut vorangekommen. Eine Abstimmung über das neue Gesetz vor der Sommerpause war aber nicht mehr möglich. Und selbstverständlich haben wir europapolitisch gut zusammengearbeitet.

d’Wort: Wird die CSV einer Trennung von Landes- und Europawahlen zustimmen?

Michel Wolter: Ich wundere mich etwas über diese Diskussion. Als die CSV die anderen Parteien zu einem freiwilligen Verzicht auf Doppelkandidaturen einlud, herrschte Schweigen im Walde. Wir erhielten herzlich wenig Sukkurs. Die kurzfristigen Reaktionen nach dem Referendum befremden mich etwas. Eine zeitliche Trennung der Wahlen schaffen wir sicherlich nicht im Handumdrehen. Die CSV geht offen in diese Diskussionen. Mal sehen, was dabei rauskommt.

d’Wort: Welche Ziele setzt sich die CSV für die Kommunalwahlen?

Michel Wolter: Wir wollen so gut wie möglich abschneiden und unsere Position ausbauen. Die Kommunalpolitik wird aber lokal entschieden. Da gibt es kaum einen nationalen Trend. Ich glaube wir werden ganz unterschiedliche und widersprüchliche Resultate am Abend des 9. Oktober zu erwarten haben.

Interview: Laurent Zeimet
Quelle: d’Wort vom 20. Juli 2005