Frank Engel: “Ja am Sonntag heißt Ja zu Europa, Ja für Europa, Ja für jenes kontinentale Abenteuer, das gerade Luxemburg bereits unendlich viel gegeben hat”
Wollen die Luxemburger Europa, so, wie wir immer geglaubt haben, dass sie es wollen? Diese Frage wird Sonntagabend beantwortet sein. Tatsächlich geht es am 10. Juli ja nicht so sehr um den Text einer von vielen – übrigens zu Recht – als übermäßig lang und kompliziert empfundenen Verfassung, sondern um Europa.
Kann man Europa wollen, ohne diese Verfassung zu wollen? Möglich. Dann will man jedoch ein anderes Europa. Jenes Europa des Nein, wo Luxemburger Staranwälte, französische Kommunisten und Nationalisten, niederländische Religionseiferer und britische Marktfetischisten zu Hause sind. In Luxemburg müssten, um zu diesem anderen Europa zu kommen, ADR, KPL und Lénk zusammen eine Regierung bilden. Es ist legitim, sich die Frage zu stellen, was das Land und unser Kontinent wohl Gutes von einer solchen Truppe zu erwarten hätten.
Wer Europa will, ein vernünftiges, funktionierendes Europa und nicht jenes der Nein-Chaoten, der muss jetzt diese Verfassung wollen. Einen Text, der zwar bekennende Föderalisten nicht in Extase versetzt, doch der einzige, der vorliegt. Ein Text, auf den 105 Mitglieder des Europäischen Konvents, Vertreter von 28 Staaten, und später die Staats- und Regierungschefs der 25 sich einigen konnten. Die Konventionellen Europas kamen aus rund hundert verschiedenen Parteien. Sie wurden sich einig – ein halbes Dutzend Europagegner ausgenommen, zu denen der luxemburgische ADR-Vertreter nicht gehörte. Worüber würden die Verfassungsgegner sich wohl einig? Einmal davon abgesehen, dass sie die Verfassung ablehnen?
Es gibt keine Alternative zu der Verfassung, die wir haben. Wir sollten auch nicht so tun, als ob es eine gäbe. Im Falle von eventuellen Neuverhandlungen sollte die Ratifizierung definitiv scheitern, ist nichts sicher, außer eben, dass nichts sicher ist: Besonders für Luxemburg wäre das Risiko enorm, dass ein neuer Text unser Land nicht mehr so gnädig behandelt, wie es die vorliegende Verfassung tut. Man sollte sich nicht einreden, am Wesen eines Luxemburger Nein würde Europa genesen – Tatsache ist, dass wir ohne Ja zur Verfassung in Europa an den Wegesrand gedrängt würden. Ein Staat, der den Anspruch hat, die europäische Sache weiterzubringen, Institutionen Europas zu beherbergen und so nebenbei noch vom Konsum tausender europäischer Beamter zu profitieren, kann nicht ohne Konsequenzen Nein zur Verfassung sagen.
Ja am Sonntag heißt Ja zu Europa, Ja für Europa, Ja für jenes kontinentale Abenteuer, das gerade Luxemburg bereits unendlich viel gegeben hat. Natürlich muss man dafür Europa wollen. Und man kann nicht dieses Europa wollen, ohne diese Verfassung auch zu wollen.